Tiktok: Was ist passiert?
In den USA steht ein Verbot der beliebten App Tiktok im Raum. Ein Ausschuss des Repräsentantenhauses hat nun einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der zu einem landesweiten Verbot von Tiktok auf allen Geräten führen könnte. Und das könnte schnell gehen. Das gesamte Repräsentantenhaus soll am Dienstag oder Mittwoch dieser Woche über den Entwurf abstimmen. Danach muss das Gesetz noch durch den Senat. Präsident Joe Biden sagte, er werde das neue Gesetz unterstützen: «Wenn sie es verabschieden, werde ich es unterschreiben.» Hinter dem Gesetz stehen unter anderem der Republikaner Mike Gallagher (Wisconsin) und der Demokrat Raja Krishnamoorthi (Illinois). Beide gehören einem Sonderausschuss an, der sich mit China beschäftigt.
165 Tage bis zur Abspaltung
Die USA befürchten, dass Tiktok ein Spionagerisiko darstellt, Daten über die amerikanische Bevölkerung sammelt, demokratische Prozesse bedroht und zudem süchtig macht. Die Republikaner bezeichneten die App einmal als «digitales Fentanyl». Bei all diesen Punkten soll das geplante Gesetz ansetzen: Es würde Tiktok komplett aus den US-App-Stores verbannen, es sei denn, die von rund 170 Millionen Amerikanern genutzte Plattform wird von der in China ansässigen Muttergesellschaft Bytedance abgespalten, sprich ein Zwangsverkauf. Dafür hätte das Unternehmen 165 Tage Zeit. Mittlerweile sollen mehrere Parteien Interesse an Tiktok angekündigt haben. Das «Wall Street Journal» spricht von einer möglichen Kaufsumme von mehreren Hundert Milliarden Dollar. Würde ein Kauf vollzogen, dürfte sich für die Nutzerinnen und Nutzer nur wenig ändern.
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So reagieren Tiktok – und die Nutzer
«Dieser Gesetzesentwurf ist ein totales Verbot von Tiktok, egal wie sehr die Autoren versuchen, dies zu verschleiern», heisst es in einer Stellungnahme des Unternehmens. Deshalb mobilisierte Tiktok seine US-Nutzer. In der App wurde ein Button eingeblendet, mit dem man direkt die Abgeordneten der jeweiligen Wahlbezirke anrufen konnte. Das löste einen Ansturm aus. Theinformation.com schreibt, dass ein Abgeordnetenbüro so mit Anrufen überflutet wurde, dass die Mitarbeiter keine andere Wahl hatten, als die Telefone abzuschalten. Bytedance hat in der Vergangenheit mehrfach betont, dass es keine Nähe zur kommunistischen Partei Chinas gebe. Im vergangenen Jahr sagte CEO Shou Zi Chew vor dem US-Kongress unter Eid aus, dass die App keine Gefahr für Amerika darstelle. Kürzlich erklärte er, dass zudem Massnahmen zum Schutz der Nutzerdaten getroffen worden seien.
Der unerwartete Verbündete
Joe Bidens Demokraten sind beim Thema Tiktok gespalten: Einerseits will der Präsident eine harte Haltung gegenüber China einnehmen, andererseits ist die App bei jungen Nutzern beliebt, deren Stimmen er für seine Wiederwahl im November braucht. Einen unerwarteten Verbündeten finden die Tiktok-Fans in Donald Trump. Er sprach sich kürzlich gegen ein Verbot aus – obwohl er sich schon als Präsident dafür eingesetzt hatte. Er begründete dies damit, dass ein Verbot von Tiktok letztlich Facebook zugutekäme. Das wolle er nicht. Das Portal businessinsider.com nennt einen weiteren möglichen Grund. So hat Trump vor ein paar Tagen Jeff Yass getroffen. Yass ist nicht nur Investor bei Tiktok, sondern auch Geldgeber der Republikaner. Was bei dem Treffen besprochen wurde, ist allerdings nicht bekannt.
Hier ist Tiktok schon verboten
In Indien sind Tiktok und einige andere Apps aus China ab 2020 landesweit verboten. Die indische Regierung begründete dies mit Gefahren für die nationale Sicherheit. In weiteren Ländern ist Tiktok auf bestimmten Diensthandys tabu. Dazu gehören die USA, Kanada, Deutschland, Frankreich, Belgien, Taiwan, Neuseeland und Australien. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EU-Kommission dürfen Tiktok nicht auf ihrem dienstlichen Smartphone nutzen.
Und was ist in der Schweiz?
Ein Verbot von Tiktok auf Diensthandys ist derzeit nicht geplant. Die App wurde aber durch das Nationale Testinstitut für Cybersicherheit (NTC) untersucht. Dies, nachdem die EU-Kommission die Verwendung von Tiktok auf Diensthandys im Februar 2023 untersagt hatte. Bei dieser Sicherheitsanalyse gab es keine Hinweise auf Schwachstellen oder auf eine Überwachung der Nutzer, wie die Bundeskanzlei auf Anfrage von Blick mitteilt. Auch Abklärungen mit der EU haben diesbezüglich keine konkreten Hinweise auf Sicherheitsprobleme ergeben. «Aufgrund dieser Ergebnisse und der Tatsache, dass geschäftliche Daten auf den Diensthandys in einer isolierten, geschützten Umgebung bearbeitet werden, erging kein Verbot der App für Diensthandys», erklärt Serge Kuhn, Sprecher der Bundeskanzlei. Man empfehle aber, Social-Media-Apps auf Handys der Bundesverwaltung grundsätzlich zurückhaltend einzusetzen.