Wie fair ist das Fairphone?
Das ist schwer zu sagen. Die Bemühungen um Fairness sind jedenfalls gross - und werden auf der Webseite des holländischen Unternehmens detailliert dokumentiert. Entstanden aus einer Crowdfunding-Kampagne, hat der Hersteller inzwischen schon 100'000 Smartphones verkauft. Die zweite Generation ist seit kurzem erhältlich. Allerdings merkt man auch schnell, dass Fairness beim Smartphone komplizierter ist als etwa bei Kaffee oder Schokolade. So werden zur Herstellung über 40 Rohstoffe gebraucht. Zinn und Tantal kommen beim Fairphone aus konflikt-frei zertifizierten Minen. Seit Januar 2016 wird nun auch Fairtrade-Gold in der Fabrikation genutzt - der Abschluss von Bemühungen, der drei Jahre dauerte. Andere Rohstoffe wie Wolfram müssen noch auf dem normalen Markt besorgt werden. Aber Fairphone arbeitet laufend an Verbesserungen. Auch bei den Arbeitsbedingungen in den chinesischen Fabriken wollen die Holländer einen möglichst guten Rahmen schaffen. Ingesamt ist das Gerät ein So-fair-wie-möglich-Phone und das nachhaltigste Smartphone auf dem Markt.
Warum sieht das Fairphone so komisch aus?
Tatsächlich ist das Gerät keine Schönheit. Die 168 Gramm Gewicht sind zwar in Ordnung, mit über einem Zentimeter ist das Gehäuse aber ganz schön dick. Zudem fühlt sich die Plastikrückseite billig an - und beim Testgerät sind schon nach wenigen Wochen deutliche Gebrauchsspuren zu sehen. Die Gummiränder lappen über den Rand und stören immer mal wieder, wenn man mit dem Finger über den Touchscreen wischen will. Die Designschwächen haben einen praktischen Grund: Man kann die Rückseite ganz einfach abnehmen und nicht nur den Akku austauschen, sondern auch ganz viele andere Module. Übrigens: Die Hülle dient auch gleich als Cover und schützt dank des Gummis die Ränder des Displays deutlich besser als bei der Konkurrenz.
Was bringt der abnehmbare Bildschirm?
Ganz ohne Werkzeug kann man mit ein paar Handgriffen das Display abnehmen. Das hat den grossen Vorteil, dass man es bei Beschädigung schnell und einfach austauschen kann. Das Bildschirmmodul gibts für 85 Euro - leider nur direkt beim Hersteller. Ein Ersatzakku kostet 20 Euro. Auch andere Teile kann man austauschen, da braucht es dann aber die passenden Schraubenzieher. Dank genauen Anleitungen und Modulbauweise ist das aber auch für Hobbybastler möglich. Beispielsweise kostet eine neue Kamera 34 Euro, der USB-Anschluss 20 Euro, der Kopfhörerstecker 25 Euro. Alles Dinge, die durchaus kaputt gehen können und die für Nutzer teure Reparaturen bedeuten. Fairphone hofft aber auch, die Menge an Elektroschrott zu verringern.
Was hat das Handy sonst noch für Stärken?
Die nachhaltige und umweltgerechte Produktion sowie das Recycling sind sicherlich die Hauptgründe, warum man ein Fairphone kaufen sollte. Doch auch einige Detaillösungen überzeugen. Etwa der leuchtende 5-Zoll-Bildschirm, der mit 1920x1080 Pixeln auflöst (446 ppi). Im Alltag praktisch sind auch die zwei SIM-Karten-Slots plus ein separater Speicherkarten-Einschub, um die 32 GB an internem Speicher zu erweitern. Und die Bedienoberfläche, auf Android 5.1 Lollipop basierend, wirkt schnörkellos und aufgeräumt. Clever sind die App-Favoriten, die man auf der Seite hineinwischen kann. Anwendungen, die man länger nicht gebraucht hat, rutschen im Launcher in einen inaktiven Bereich. Hübsch ist auch der Startbildschirm, auf dem man nicht nur die Uhrzeit und Benachrichtigungen sieht, sondern auf Wunsch auch, wie viele Stunden und Minuten der Akku noch hält oder wie lange man das Smartphone nicht zur Hand genommen hat - inklusive Ruherekordzeit.
IMAGE-ERRORWelche Technik hat der faire Hersteller verbaut?
Leider nur Mittelmass. Der Quadcore-Prozessor von Qualcomm mit 2 GB Arbeitsspeicher reicht sicher für den Alltag aus, ist aber nicht besonders schnell. Bei Apps mit hohen Grafikanforderungen merkt man das - aber nur dort. Auch die 8-Megapixel-Kamera löst keine Begeisterungsstürme aus. Sie macht anständige Fotos bei Tageslicht. In lichtmässig schwierigeren Situationen werden die Resultate enttäuschend sein. Insgesamt hat hier Fairphone deutliche Abstriche machen müssen, um den Preis in einem akzeptablen Rahmen zu halten.
Wie teuer ist das gute Gewissen - und ist das Gerät den Preis wert?
599 Franken kostet das Fairphone in der Schweiz - unter anderem wird es von Swisscom und Digitec angeboten. Zum Vergleich: Für diesen Preis bekommt man etwa auch das neuste Topmodell von Huawei, das von der Ausstattung her in einer anderen Liga spielt. Wer auf Technik fixiert ist, der wird mit der Leistung des Fairphones nicht zufrieden sein. Nur wenn man die nachhaltige Produktion und die Modulbauweise zu schätzen weiss, geht die Rechnung auf. Schade ist das Gerät optisch zu unattraktiv, vor allem mit der schwarzen Gummihülle. Wer die 600 Franken investiert, sollte sich daher in Holland unbedingt noch eine bunte Alternative bestellen. Oder gar ein durchsichtiges Cover, welches das faszinierende Innenleben sichtbar macht.