Der Tod von Sarah Everard (†33) löste in den sozialen Medien eine grosse Welle aus. Wir haben die BLICK-Community gefragt, wie sicher sie sich fühlen, wenn sie nachts alleine unterwegs sind. Dazu haben uns Leserinnen zahlreiche Antworten und Tipps gesendet. Manche Frauen verlassen nur noch bewaffnet das Haus, gehen im Dunkeln gar nicht mehr raus oder tragen immer das Handy bei sich.
Aber: Bringt es wirklich etwas, sich zu bewaffnen? Und wie verhält man sich in unangenehmen Situationen richtig? BLICK hat Levent Liechti, Selbstverteidigungsinstruktor und diplomierten Mentaltrainer, gefragt: Wie gut sind die Tipps der Leserinnen? Und wie beurteilt der Experte die geschilderten Situationen? Hier liest du Liechtis Einschätzung:
Sabrina F.: «Ich gehe nur noch bewaffnet aus dem Haus. Wenn ich abends unterwegs bin, habe ich immer einen Pfefferspray dabei, je nachdem auch einen Taser. Im Auto habe ich noch einen Schlagstock.»
Levent Liechti: «Taser und Schlagstöcke fallen in der Schweiz unter verbotene Waffen bzw. benötigen eine kantonale Ausnahmebewilligung. Von diesen Mitteln ist klar abzuraten. Eine Halterin oder ein Halter macht sich durch das reine Mitführen solcher Gegenstände strafbar. Reizstoffe wie Pfeffersprays mitzuführen ist hingegen legal.
Dies macht aber nur Sinn unter einer Voraussetzung: Der Umgang damit MUSS trainiert werden! Und mit Training meine ich nicht das Anschauen eines YouTube-Videos. Deshalb gilt es, solche Situationen inklusive der korrekten Anwendung von Hilfsmitteln wie Pfeffersprays regelmässig zu trainieren. Als einfaches Beispiel: Wird der Pfefferspray nicht griffbereit getragen, ist er nutzlos in einer Notsituation.»
Brigitte Z.: «Ich habe immer einen Schlüssel zwischen den Fingern.
«Mit Alltagsgegenständen als Waffe verhält es sich ähnlich wie mit Reizstoffen wie Pfeffersprays: Ohne Training ist grundsätzlich jede Waffe nutzlos. Leider ist es so, dass beim Thema Selbstverteidigung Aufholbedarf besteht – obwohl Gewalt ein weitreichendes gesellschaftliches Thema ist. Dass Frauen lernen, sich besser zur Wehr setzen zu können, ist nur einer von mehreren Ansätzen, damit umzugehen. Und genau das muss gezielt trainiert werden.»
Yvonne L.: «Ich musste eine Stunde auf ein Taxi warten und bin dann zu Fuss gelaufen. Da waren Typen hinter mir, die mir echt sportliche Leistungen aufgebrummt haben, die ich mitten in der Nacht nicht mehr gebraucht hätte.»
«Es ist sicher von Vorteil, wenn man sich an öffentlich zugänglichen Orten aufhält, die gut besucht sind. Bei einem tatsächlichen verbalen Angriff – der sich von ‹blödem Gerede› unterscheidet – ist es auch sinnvoll, nach Hilfe zu rufen. Wenn sich eine Situation ‹zuspitzt› und sich im öffentlichen Raum aus einem normalen Gespräch eine Belästigung entwickelt, gilt es, den eigenen Standpunkt klar, einfach und deutlich zu vertreten.
Bei einem verbalen Angriff in den eigenen vier Wänden verhält es sich anders. Wenn eine Frau von einem Mann (oder umgekehrt) in einer Beziehung immer wieder verbal angegriffen wird, gibt es nur eine richtige Lösung: trennen! Wenn das nicht geht, muss Hilfe geholt werden.»
Manu T.: «Ich fühle mich nicht sicher, da ich schon einmal in der Nacht angegriffen wurde.»
«Wenn es effektiv zu einem tätlichen Angriff kommt, gibt es nicht mehr viele andere Möglichkeiten, als sich physisch zu wehren oder wegzurennen. Beides kann leider auch schiefgehen. Deshalb gilt es solche Situationen möglichst zu vermeiden. Und bei häuslicher Gewalt gilt: Hilfe holen!»
Sarah: «Ich hatte auch schon das Gefühl, dass ich verfolgt wurde. Passiert ist mir jedoch nichts.»
«Stellen Sie sicher, ob Sie wirklich verfolgt werden oder ob es nur ihre Unsicherheit ist. Dazu können Sie zum Beispiel die Strassenseite wechseln, einfach einmal stehen bleiben oder die Richtung komplett wechseln. Wenn sie sich danach oder bereits vorher sicher sind, dass eine Person sie verfolgt, rufen sie die Polizei. Dies kann einen potentiellen Täter sehr schnell abschrecken. Rufen Sie die Polizei lieber einmal zu viel als einmal zu wenig.»