Vor kurzem haben wir unsere Leserinnen gefragt: Wie sicher fühlt ihr euch, wenn ihr nachts alleine nach Hause geht?
Viele haben uns Tipps gesendet, wie man sich als Frau schützen kann und sich so sicherer fühlt, wenn man alleine unterwegs ist. Andere haben ihre Erfahrungen und Geschichten geteilt.
So wie S. M. (63):
«Ich war damals im Schichtdienst tätig. Es passierte beide Male nach dem Spätdienst, der erst um 23.30 Uhr endete. Beide Male lief ich zu meinem Auto.
Das erste Mal war ich nicht genug aufmerksam, da ein Kind, dass ich lange gepflegt habe, an diesem Abend gestorben war. Ich war traurig und lief weinend raus, als mich plötzlich jemand von hinten packte. Von vorne kam ein zweiter Mann und griff mir unter meinen Pulli und in meine Hose. Es fällt mir immer noch schwer, darüber zu reden.
Ich konnte zu dem Zeitpunkt nicht schreien. Habe versucht, mich wie verrückt mit meinen Stöckelschuhen zu wehren. Irgendwann liessen sie mich los. Ich bin zum Auto gerannt und nach Hause gefahren. Dann habe ich meiner Freundin angerufen. Zusammen sind wir zur Polizei gefahren und haben Anzeige erstattet. Ich musste mir mehrmals Fotos ansehen von Verdächtigen, aber ich konnte mich doch nicht erinnern!
Bei der Arbeit bekam ich für ein halbes Jahr einen Parkplatz, der direkt im Spital war. Nach den sechs Monaten hatte ich diesen nicht mehr. Und drei Monate später ist es wieder passiert. Zum zweiten Mal.
Ich hatte wieder Spätdienst, war auf dem Weg zu meinem Auto. Am Hauseingang kam ein Mann auf mich zu. Er hatte einen Mantel an, darunter war er aber nackt. Er sagte, ich solle ihn anfassen. Dann bin ich schreiend davon gerannt. Im Auto habe ich dann meine Mitarbeiter angerufen. Zwei Kolleginnen vom Nachtdienst und ein Arzt kamen zu mir. Mit einer Kollegin bin ich dann zur Polizei gefahren.
Auf dem Polizeiposten sagte man mir, solche Leuten würden gezielt Frauen vom Spätdienst überfallen. Sie würden sich sogar die Zeiten merken, wann der Spätdienst zu Ende ist.
Beide Male hatte ich aber das Gefühl, dass ich nicht wirklich ernst genommen wurde.
Nach diesen Vorfällen war ich ein Jahr in psychologischer Behandlung. Nicht mal tagsüber traute ich mich, alleine durch eine Unterführung zu gehen. Zwei Jahre später habe ich eine neue Stelle angenommen, somit war ich vom Schichtdienst befreit.
Die Angst bleibt aber. Wenn ich abends unterwegs bin, weiss immer jemand, wann ich zu Hause bin. Auch wenn meine Freundin Spätdienst hat, bleib ich wach, bis sie zu Hause ist. Wir schreiben dann einander. Wenn sie einmal später zu Hause ist, werde ich sehr schnell unruhig.»