Expertentalk mit Sexologin Caroline Fux
«Ghoster sind nicht nur egoistische Rüpel»

Eine gute Kommunikation ist Voraussetzung für ein gutes Zusammenleben – und doch scheint es in vielen Beziehungen genau daran zu scheitern. Wir haben mit Caroline Fux, Psychologin und Sexologin mit eigener Praxis, über das Thema Ghosting gesprochen.
Publiziert: 13.05.2022 um 12:01 Uhr
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Psychologin und Sexologin Caroline Fux gibt Auskunft über das Phänomen «Ghosting.»
Foto: Aissa Tripodi
Anna Oestreich

Wir haben euch kürzlich nach euren Erfahrungen in puncto Ghosting befragt. Viele aus der Community sind schon einmal mit dieser Umgangsform in Kontakt gekommen. Anlässlich dazu haben wir Caroline Fux, Psychologin und Sexologin mit eigener Praxis, die brennendsten Fragen zu diesem Phänomen gestellt.

Blick: Was versteht man unter dem Begriff Ghosting?
Caroline Fux: Die meisten sprechen dann von Ghosting, wenn eine Beziehung plötzlich und ohne Vorwarnung abgebrochen wird und die Person jeglichen Kontakt und Austausch verweigert.

Gibt es unterschiedliche Arten von Ghosting oder Ghostern?
Was genau passiert, ist definitiv verschieden und hängt von der Beziehung und der Art des Austausches ab, die die Personen vorher hatten. Meiner Erfahrung nach, gibt es keinen typischen Ghoster, in Bezug auf Dinge wie Alter, Beruf oder soziokulturellem Hintergrund. Es hat wohl mehr damit zu tun, was eine Person für Erfahrungen, Kompetenzen und Prioritäten in Bezug auf Beziehungen und deren Ende hat.

Wieso ghosten Menschen?
Grundsätzlich geht es darum, dass die ghostende Person etwas Negatives vermeiden möchte. Was das genau ist, ist vielseitig und individuell. Die eine Person fürchtet sich vor Diskussionen oder Vorwürfen, andere wollen niemanden verletzen und reden sich irgendwie ein, dass Schluss machen ja nur weh machen würde. Wieder andere verlieren derart das Interesse an einer Person, dass sie ihnen schlicht und einfach egal ist. Ghoster sind aber nicht nur egoistische Rüpel. Manchmal passiert Ghosting auch, weil eine Person ein Nein nicht akzeptiert oder in irgendeiner Weise aufdringlich, seltsam oder übergriffig war. Es steckt also nicht immer nur Bequemlichkeit oder böser Wille dahinter.

In welchen Situationen ghosten Menschen?
Tendenziell passiert Ghosting eher in frischeren, unverbindlicheren Beziehungen. Sehr häufig bei Beziehungen, die zuerst digital waren. Es kommt aber auch vor, dass Leute aus längeren Beziehungen verschwinden. Ghosting ist übrigens kein komplett neues Phänomen. Das gab es schon immer. Mit dem digitalen Austausch ist es vermutlich tendenziell häufiger geworden. Beziehungen im Netz können sehr schnell sehr intensiv werden, was dann viele Menschen plötzlich überfordert. Bei virtuellen Übergriffen haben viele Leute das Gefühl, es gäbe kein Opfer. Oder sie sehen und spüren diese Opfer halt nicht. In Tat und Wahrheit ist es natürlich ganz anders: Ghosting kann unglaublich real und schmerzlich sein.

Wie geht man am besten damit um, wenn man geghostet wird?
Man sollte gut in sich hinein fühlen und das ernst nehmen, was man spürt. Ghosting kann sehr schmerzlich sein und oft braucht es Zeit, die Trennung zu überwinden. Es ist wichtig, dass man sich bewusst macht, dass es einen Grund für das Aus gab, dieser Grund aber nicht unbedingt viel mit einem selbst zu tun hat. Allein das zu verarbeiten, ist oft schwierig. Man sollte sich Zeit nehmen und Unterstützung holen, besonders, wenn man merkt, dass man nicht weiter kommt. Vielleicht wurde ein wunder Punkt getroffen, den man bereits vor der Beziehung in sich getragen hat. Freunde können helfen, aber auch Fachpersonen, wenn die Not zu gross ist.

Gibt es Situationen, in denen es legitim ist, jemanden zu ghosten?
Gute Frage ... Es ist fair, wenn man anerkennt, dass Ghosting manchmal auch gute Gründe hat. Wenn jemand sehr aufdringlich war oder in einem Chat auch unheimlich oder vielleicht übergriffig wird, dann kann das einen abrupten Abbruch rechtfertigen. Ein klares, kurzes Statement sollte zwar zumutbar sein, aber wir kennen selten die ganze Geschichte des Ghosters. Ja, es gibt gemeine Menschen, die hässliche Dinge tun, aber ich habe auch schon Leute erlebt, die selbst in grosser Not waren und deshalb geghostet haben.

Gibt es einen geschlechtlichen Unterschied bezüglich Ghosten?
Ich kenne keine offiziellen Daten dazu. In der Beratung begegnet mir Ghosting von beiden Geschlechtern, aber tendenziell wenden sich mehr Frauen an mich, die geghostet wurden oder werden, als Männer.

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