Das Burnout-Syndrom soll nicht als Berufskrankheit anerkannt werden. Dies hat die Gesundheitskommission des Nationalrats am Freitag beschlossen. Mit einem Aufruf suchte BLICK von Burnout betroffene Leserinnen und Leser. Drei Betroffene schilderten uns ihre Geschichte.
Hier erzählen sieben von ihnen anonym ihre Erfahrungen mit der psychischen Erkrankung.
«Ich muss meine Denkmuster überarbeiten»
Max H.* hat einen Zwei-Mann-Betrieb zum Unternehmen mit 14 Angestellten ausgebaut. «Die Firma ist schnell und unkontrolliert gewachsen. Ich wollte es immer allen recht machen und setzte mich unter Druck», erzählt er. «Ich hatte das Gefühl, dass auf der einen Seite die Kundschaft lauerte, die mir alles abverlangte, und auf der anderen Seite meine eigenen Angestellten, die ständig forderten.» Plötzlich empfand H. die Kunden als bösartig. Er wurde aggressiv, unfreundlich. «Es waren extreme Ängste da. Und am Schluss blieb nur die Leere, wenn man von früh bis spät wie im Rausch durchgearbeitet hatte.»
Seine Firma hatte zwischen Weihnachten und Neujahr Betriebsferien. «Als wir wieder öffneten, war der Teufel los. Kunden, Telefonate, WhatsApp-Nachrichten, Mails. Auf jedem Kanal wollte jemand etwas von uns.» Max H. ist unschlüssig: Einerseits freut er sich über den guten Geschäftsgang, andererseits ist der Akku nach den Ferien schon wieder leer. Das spürt er körperlich: Anspannung im Kopf, hoher Puls, Reizbarkeit, Gefühl der Ohnmacht, Magendruck und Spannung in der Brust. «Ich weiss nicht, ob ich das Burnout schon hatte oder erst bekommen werde», sagt H.
Obwohl sich Max H. nicht sicher ist, sagt er: «Ich weiss, dass sich rasch meine Denkmuster überarbeiten muss, um aus dem Tief herauszukommen. Der einmonatige Urlaub hilft nicht, wenn man danach wieder im alten Stil weitermacht. «Ich will erfolgreich bleiben, aber nicht auf Kosten der Gesundheit.»
«Ich musste lernen, bewusst auf mich zu achten»
Nach zwei Jahren als Hausfrau und Mutter fing Dorothee A.* wieder 20 bis 30 Prozent an zu arbeiten. Der Anfang eines Burnouts: «Ich war ständig müde, hatte keinen Antrieb mehr.» Angespannt und immer traurig sei sie gewesen. Schlafstörungen, Panikattacken und Angstzustände plagten sie. «Ich konnte kaum mehr nach draussen mit den Kindern. Nur schon die Frage, was ich zu Mittag kochen soll, hat mich komplett überfordert.»
Dorothee A. machte sich Vorwürfe, eine schlechte Mutter zu sein. Sie kannte sich selbst nicht mehr. Eigentlich müsste sie ja glücklich sein, dachte sie immer. Das Verständnis aus dem Umfeld fehlte ihr: Wie konnte man als Hausfrau und «nur» 30-Prozent-Pensum ausgepowert sein?
Der Arzt meinte, er könnte ihr Blut schon mehrere Male untersuchen, doch sie sei körperlich gesund. Was sie brauche, sei ein Psychologe. «Die erste Sitzung war schlimm und gleichzeitig erlösend», berichtet sie. Sie hätte zum ersten Mal jemanden gehabt, der ihr zuhörte und verstand. Heute geht es A. wieder sehr gut. «Ich musste lernen, bewusst auf mich zu achten und mich abzugrenzen.»
«Ich habe Rotz und Wasser geweint»
Rolf H.* war ein Traummitarbeiter. Er konnte alle Fahrzeuge fahren, erhielt Lob und Lohn. Huber arbeitete als immer, auch an den Wochenenden. Er merkte, dass er zu viel wurde. Doch seine Wünsche nach einem Mitarbeiter, einem eigenen Fahrzeug oder freien Sonntagen wurden übergangen. Es war an einem verregneten Freitagnachmittag, als es dann passierte. H. sollte eine Maschine an den Lastwagen koppeln. Das hatte er noch nie gemacht – und es ging schief. «Ich fluchte, ging in die Führerkabine und brach zusammen. Ich rief meine Mutter an und habe Rotz und Wasser geweint.»
Rolf H. konnte die Antidepressiva nach über sechs Monaten absetzen. «Heute geht es mir gut», sagt er. «Ich habe einen neuen Job gefunden, der mir Spass macht.»
«Burnout kann jeden treffen»
Gabriel M.* arbeitete bis zu 90 Stunden in der Woche, von Montag bis Sonntag. Er hatte vor seinem 24. Geburtstag ein Burnout. Neben der Belastung bei der Arbeit kamen noch private Schwierigkeiten: «Ich hatte keine Beziehung und unerwartete Ausgaben, die ich kaum stemmen konnte.»
Nach zwei Monaten spürte Gabriel M., wie das Burnout an ihm zehrte. «Ich hatte keinen Hunger mehr, kein Zeitgefühl, keine Auffassungsgabe und brauchte zwölf Stunden Schlaf am Tag.» Dazu gesellten sich Selbstmordgedanken. M. half eine Therapie in einer psychiatrischen Klinik und starke Antidepressiva. Ein Jahr dauerte die Behandlung. Er sagt klar: «Burnout ist eine Berufskrankheit, die jeden treffen kann.»
«Ferienanspruch war ein Fremdwort»
Jonas D.* arbeitete als Bestatter. «Freitage oder Ferienanspruch waren bei meinem Arbeitgeber Fremdwörter», erzählt er. Über Jahre hinweg habe er zu wenig Ferien gemacht. Sein Chef habe genau gewusst, dass er in seinem Alter kaum mehr Chancen auf eine neue Stelle hatte. «Ich machte die Faust im Sack und schwieg.» Die ständige Erreichbarkeit forderte ihren Tribut: «2017 verlor ich 12 Kilo Körpergewicht, hatte starke Depressionen und Hautausschlag am ganzen Körper.» Der Arzt schrieb Jonas D. sofort krank. Noch heute, kurz vor seinem 60. Geburtstag, ist er immer noch nicht arbeitsfähig.
«Ich liebte meinen Beruf und wurde krank dabei»
Nach der Lehre als Koch stieg Matthias C.* in einem Hotel zum Küchenchef auf. Der Job im Gastgewerbe war äusserst anstrengend, Ruhetage waren Mangelware. Nach gerade einmal acht Monaten begannen die Symptome: Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit und Aggressionen. C. hatte keine Geduld mehr mit den Lernenden. Gespräche mit Arbeitgeber halfen nicht, stattdessen erhielt er täglich eine Flasche Whiskey aufs Haus.
C. spürte, wie er zum Alkoholiker wurde – und wusste: Ein Schlussstrich musste her. Er wurde durch den Arzt krankgeschrieben und erhielt dann die Kündigung. Erfolgreich wehrte er sich mit einer Gewerkschaft. Heute, im Alter von nur 38 Jahren, ist er zu 100 Prozent arbeitsunfähig. «Ich liebte meinen Beruf und wurde krank dabei.»
«Ich getraute mich nicht mehr aus der Wohnung»
Starke Unruhe und Schlaflosigkeit plagten die alleinerziehende Beatrice H. Der Arbeitgeber verlangte ihr immer mehr ab. Sie habe 80 Stunden Überzeit angesammelt, erzählt sie. Die Firma warf ihr mangelnde Leistung vor und drohte mit der Kündigung. Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. «Tränen liefen nur noch, ich konnte mich gar nicht mehr beruhigen», erinnert sie sich. Nach den Ferien, als sie wieder zur Arbeit hätte gehen müssen, wollte sie nur noch Schluss machen. Selbstmordgedanken trieben H. um.
Der Hausarzt schrieb sie krank. Der Arbeitgeber beauftragte einen Case Manager, der sich um ihren Fall kümmert. Zusammen mit einer Psychologin wurde H. betreut. «Ich war in einem tiefen, schwarzen Loch. Getraute mich nicht mehr aus der Wohnung, nicht einmal zu kaufen», sagt Hauser.
Nach drei Monaten versuchte sie, wieder zu arbeiten und erleidet einen Rückfall. Nur noch die Klinik konnte helfen. Danach fing H. mit einem 50-Prozent-Pensum wieder an, hielt dem Druck aber nicht stand. Seit Januar 2018 ist sie frühpensioniert. «Ich muss heute noch Medikamente nehmen und psychologisch betreut werden.» Es geht Beatrice H. wieder einigermassen besser.
* Namen geändert
- Gegen Stressphasen ist nichts einzuwenden. Sie können im Gegenteil belebend wirken. Darauf müssen aber Phasen der Entspannung folgen. Fehlen diese, werden wir auf Dauer krank. Ist dies so, kann die Devise nur noch heissen: Stress, lass nach! Alles, was dazu beiträgt, ist erwünscht.
- Zum Beispiel Sport: Mens sana in corpore sano – in einem gesunden Körper steckt ein gesunder Geist. Die Weisheit der alten Römer gilt noch heute. Ob Joggen, Fussball oder Schwimmen: Bewegung an der frischen Luft entspannt und gibt eine starke Konstitution. Diese wiederum hilft, Krisen besser zu bewältigen.
- Oder Entspannungstechniken wie autogenes Training, Meditation und Tai-Chi: Finden Sie, was Ihnen zusagt und Ihnen hilft, den Geist zu entspannen.
- Schützen Sie sich vor Stress am Arbeitsplatz: Sprechen Sie Konflikte an. Delegieren Sie, wenn die Arbeit zu viel wird. Weisen Sie ungerechtfertigte Kritik zurück. Fordern Sie Feedback ein. Ist Ihnen eine Aufgabe nicht klar oder ergibt sie für Sie keinen Sinn fragen Sie nach.
- Schalten Sie regelmässig Ihr Smartphone aus: wenn Sie konzentriert an etwas arbeiten, wenn Sie sich gerade entspannen wollen. Wer immer auf Empfang ist, kann sich nicht erholen.
- Fällt Ihnen schwer, jemandem eine Bitte abzuschlagen? Machen Sie bei der Arbeit alles lieber selbst? Lernen Sie, auch einmal Nein zu sagen! Seien Sie versichert: Die Welt wird sich trotzdem weiterdrehen.
- Kampf dem Perfektionismus! Wem seine Arbeit nie gut genug ist, droht auszubrennen.
- Ehrlich währt am längsten: Erkennen Sie die Symptome und gestehen Sie sich ein, dass Sie ein Problem haben. Verfolgt Sie die Arbeit in den Schlaf, der immer schwieriger zu finden ist? Sind Sie auch nach dem Wochenende erschöpft oder nach den Ferien? Dann ist es Zeit zu handeln.
- Ist es so weit, glauben Sie nicht, dass auf die Zähne beissen hilft. Lassen Sie sich helfen: Sprechen Sie mit einer Vertrauensperson aus der Familie oder dem Freundeskreis, wenden Sie sich an Ihre Ärztin oder einen Psychiater.
- Schleppen Sie sich nur noch zur Arbeit, empfinden Sie keine Freude mehr im Leben, fühlen Sie sich von Ihren Mitmenschen distanziert? Reden Sie mit Ihrem Arzt über Antidepressiva.
- Gegen Stressphasen ist nichts einzuwenden. Sie können im Gegenteil belebend wirken. Darauf müssen aber Phasen der Entspannung folgen. Fehlen diese, werden wir auf Dauer krank. Ist dies so, kann die Devise nur noch heissen: Stress, lass nach! Alles, was dazu beiträgt, ist erwünscht.
- Zum Beispiel Sport: Mens sana in corpore sano – in einem gesunden Körper steckt ein gesunder Geist. Die Weisheit der alten Römer gilt noch heute. Ob Joggen, Fussball oder Schwimmen: Bewegung an der frischen Luft entspannt und gibt eine starke Konstitution. Diese wiederum hilft, Krisen besser zu bewältigen.
- Oder Entspannungstechniken wie autogenes Training, Meditation und Tai-Chi: Finden Sie, was Ihnen zusagt und Ihnen hilft, den Geist zu entspannen.
- Schützen Sie sich vor Stress am Arbeitsplatz: Sprechen Sie Konflikte an. Delegieren Sie, wenn die Arbeit zu viel wird. Weisen Sie ungerechtfertigte Kritik zurück. Fordern Sie Feedback ein. Ist Ihnen eine Aufgabe nicht klar oder ergibt sie für Sie keinen Sinn fragen Sie nach.
- Schalten Sie regelmässig Ihr Smartphone aus: wenn Sie konzentriert an etwas arbeiten, wenn Sie sich gerade entspannen wollen. Wer immer auf Empfang ist, kann sich nicht erholen.
- Fällt Ihnen schwer, jemandem eine Bitte abzuschlagen? Machen Sie bei der Arbeit alles lieber selbst? Lernen Sie, auch einmal Nein zu sagen! Seien Sie versichert: Die Welt wird sich trotzdem weiterdrehen.
- Kampf dem Perfektionismus! Wem seine Arbeit nie gut genug ist, droht auszubrennen.
- Ehrlich währt am längsten: Erkennen Sie die Symptome und gestehen Sie sich ein, dass Sie ein Problem haben. Verfolgt Sie die Arbeit in den Schlaf, der immer schwieriger zu finden ist? Sind Sie auch nach dem Wochenende erschöpft oder nach den Ferien? Dann ist es Zeit zu handeln.
- Ist es so weit, glauben Sie nicht, dass auf die Zähne beissen hilft. Lassen Sie sich helfen: Sprechen Sie mit einer Vertrauensperson aus der Familie oder dem Freundeskreis, wenden Sie sich an Ihre Ärztin oder einen Psychiater.
- Schleppen Sie sich nur noch zur Arbeit, empfinden Sie keine Freude mehr im Leben, fühlen Sie sich von Ihren Mitmenschen distanziert? Reden Sie mit Ihrem Arzt über Antidepressiva.