Elf Jahre jung und voller Magie
Abracadabra – Noemi Mlinarevic verzaubert die Literaturwelt

Im Juni ist das erste Buch der elfjährigen Noemi Mlinarevic erschienen. Mit dem ersten Band der Buchreihe «The Bat Black Academy» will die Schülerin aus Zürich die fiktive Welt der Magie weiblicher machen und Kinder zum Lesen animieren.
Publiziert: 25.08.2024 um 17:05 Uhr
|
Aktualisiert: 25.08.2024 um 18:52 Uhr
1/7
Noemi Mlinarevic hat mit erst elf Jahren bereits einen 300-Seiten-Roman geschrieben. Ihr Buch ist online über Amazon, Orell Füssli und Ex Libris erhältlich.
Foto: Kim Niederhauser
ravena-frommelt-ringier.jpg
Ravena FrommeltRedaktorin Gesellschaft

Mit geradem Rücken und ernstem Blick sitzt Noemi Mlinarevic auf dem grossen weissen Sofa, ihre Hände ruhen locker auf den Knien. Das Wohnzimmer ist hell und geräumig, auf einem breiten Regal neben dem Flachbildfernseher stehen Familienfotos und eine ganze Reihe Jojo-Moyes-Bücher. «Das sind die Bücher meiner Mutter», sagt das Mädchen. Die Leselust teilen Mutter und Tochter offensichtlich.

Noemi Mlinarevic hat violett lackierte Fingernägel, und violett ist auch die Farbe des Buchcovers, das auf dem Wohnzimmertisch liegt. Das Buch heisst «Das Ewige Eis» und ist der erste Band einer ganzen Buchreihe mit dem Titel «The Bat Black Academy» (Die Fledermaus-Schwarz-Akademie). Geschrieben hat es Noemi selbst, im Alter von elf Jahren. Damit dürfte sie die derzeit jüngste Autorin der Schweiz sein. «Das Ewige Eis» ist im Juni im Verlag Books on Demand (BoD) erschienen. «Es geht hauptsächlich um Magie», erklärt Noemi, die inzwischen zwölf geworden ist. Und um diese Schule The Bat Black Academy, an der die Protagonistin Kylie aufgenommen wird. Es handelt sich um eine Zauberschule, und dort «passieren mega schlimme Dinge». Kinder verschwänden spurlos. Niemand könne sagen, wohin sie verschwinden, als hätte der Wind ihre Spuren verweht. «Kylie und ihre Freunde versuchen, sie wiederzufinden.»

Die Harry-Potter-Schöpferin als Vorbild

Inspiriert zur Idee der Buchreihe «The Black Bat Academy» hat Noemi J. K. Rowling – ihre Lieblingsautorin – mit den Fantasy-Romanen «Harry Potter». Auch dort erfährt ein scheinbar normaler Junge plötzlich, dass er über Zauberkräfte verfügt, und kommt nach Hogwarts, eine Zauberschule. Doch Noemi war es ein Anliegen, dass in ihrer magischen Geschichte ein Mädchen die Hauptrolle spielt: «Ich finde, sonst sind immer die Jungs vorne.» Sie zeigt mir die Zeichnung mit Kylie und den Geschwistern Felicitas und Felix, den drei Zauber-Freunden in ihrem Buch. Die Zeichnung gemalt hat Noemis Schwester Leonie (13), die das Buchcover gestaltet hat.

Während viele Gleichaltrige am Handy kleben und durch Tiktok scrollen, hat Noemi 300 Seiten geschrieben. «Ich habe keine Social-Media-Accounts», erklärt sie. «Ein Handy habe ich schon, aber nur, um mit Freunden zu schreiben.» Sie hofft, dass sie mit ihrem Buch andere Kinder animieren kann, mehr zu lesen. An Lesestoff dürfte es, wenn Noemi ihr Schreibtempo beibehält, deutschsprachigen Kindern so schnell nicht mangeln. Geplant sind für ihre Buchreihe insgesamt zehn Bände, von Band zwei sind bereits die ersten fünf Kapitel verfasst. «Ich habe so viele Ideen, mein Kopf würde platzen, wenn ich nicht alles sofort niederschreiben würde.»

Ein Schreibtalent mit klaren Zielen

Noemi Mlinarevic weiss nicht nur, wie ihre Geschichte unmittelbar weitergeht, sondern auch, wie sie sich über die neun weiteren Bände fortsetzen und schliesslich mit Band zehn enden wird. «Man sagt ja, Mindmaps helfen beim Planen, aber ich finde das gar nicht hilfreich», so die Schülerin. Ein kleines Notizbuch habe sie allerdings schon. Noemis Hobbys sind Geige- und Volleyballspielen, ihr grösstes Hobby sei aber das Schreiben. «Und ich wollte die jüngste Autorin der Schweiz werden.» Das Schreiben sei für sie Freizeit und keine Pflicht. Sie schreibe jeweils so lange, bis sie nicht mehr weiterwisse, meistens seien das so zwischen fünf und zehn Seiten.

Ihr Talent für Wörter und Sätze komme vom vielen Lesen, das sie ganz regulär in der 1. Klasse lernte. Zudem hat sie Schreibkurse besucht, zum Beispiel bei der Schweizer Autorin Gabriela Kasperski oder momentan bei Veronika Ederer, Pädagogin für Begabtenförderung und Autorin. Zur Seite stehen ihr auch Lehrpersonen des Schulhauses Blumenfeld in Zürich-Affoltern und ihre ganze Familie. «Ich leite manchmal Textpassagen weiter zum Lesen, aber geschrieben habe ich alles selbst.»

Inspiration aus der Familie und Natur

Zu Hause spricht Familie Mlinarevic serbisch. «Wir haben Wurzeln in Bosnien, Kroatien, Montenegro, aber vor allem auch in Graubünden und Zürich», erklärt Noemis Vater Sasa (40). Aus Graubünden und dem bosnischen Landteil Serbische Republik stammte Noemis Grossvater Vlado, der kürzlich an Krebs gestorben ist. Ihm hat die Jungautorin ihr erstes Buch gewidmet. «Ich habe ihn auch zu einer Figur in meinem Buch gemacht.» Sie habe ihn in ihrem Roman praktisch genau so beschrieben, wie er in Wirklichkeit war. «Er war ein Optimist und hat bis zum Schluss gekämpft. Ich finde, er hat es verdient, ins Buch zu kommen.»

Neue Ideen für ihre Geschichten kämen Noemi Mlinarevic oft draussen beim Spazieren, zum Beispiel im Wald: «Das ist für mich sehr inspirierend. Wegen des Geruchs, der Umgebung und allem.» Dann komme ihr auf einmal eine Idee und lasse sie nicht mehr los, sie müsse dann schnell nach Hause und es aufschreiben. Und was ist, wenn ihr nicht in den Sinn kommt, wie die Geschichte weitergehen soll? «Wenn mir nichts mehr einfällt, versetze ich mich in die Situation», so Noemi. Sie überlege sich dann, was in dem Moment spannend wäre: «Was würde ich machen, wenn auf einmal eine Riesenschlange auf mich zukäme?»

«Was passiert jetzt?»

Neben fantasievollen Szenen enthält «Das Ewige Eis» jedoch auch autobiografische Elemente. So muss die Protagonistin Kylie beispielsweise in der nicht magischen Schule stundenlang nachsitzen und qualvoll etliche Aufsätze über Technik schreiben. Nachsitzen muss Noemi zwar nicht, aber «bei den Aufsätzen in Natur-Mensch-Gesellschaft geht es um Sachliches. Das mag ich weniger gerne.» Lieber habe sie die Fächer Deutsch, Mathe oder Französisch.

Kürzlich weilte Noemi mit ihrer Familie in Italien in den Sommerferien. Da habe dann auch ihre Mutter ihr ganzes Buch gelesen. «Sie fand es sehr gut und fragte mich die ganze Zeit: ‹Was passiert jetzt?›»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?