So also fühlt sich Abenteuer an: Nach dreieinhalb Jahrzehnten Auto wage ich mich mit meiner Partnerin Carla erstmals an Wohnmobil-Ferien. Die Route lassen wir wegen des aktuellen «April-Sommers» offen und definieren nur grob die Regionen: Jura, Lac de Joux, Genfersee, Wallis. Da ist gute Vorbereitung alles: Schon beim Bestücken der Bordküche kommt Carlas Camping-Erfahrung zum Tragen: Sie hat Pfannen mit abnehmbaren Griffen, multifunktionales Besteck und füllt die Gewürze in kleine Streuer. Ich staune und lerne. Laptop, Freizeitsachen und Klamotten verstauen wir säuberlich in sogenannten Rako-Kisten, damit später nichts rutscht und klappert. Wir entscheiden zudem, neben dem Stand-up-Paddle auch ein Pavillon-Zelt als Regenschutz mitzunehmen. Auf unsere Velos müssen wir mangels eines passenden Fahrradträgers verzichten. Weil unser Nugget aber 220 Volt bietet, beharre ich auf meiner Nespresso-Maschine. So viel Luxus darf sein.
Carla hat Zelt-Erfahrung, aber auch sie ist ein Camper-Newbie. Und so entscheiden wir, nachdem wir unser Gepäck sowie die Lebensmittel verstaut und den Wassertank gefüllt haben, die erste Nacht unweit von daheim an einem Waldrand (Wildcampen ist in der Schweiz in der Regel verboten, ausser man fragt den Landbesitzer) zu verbringen. Quasi eine Testnacht. Bei einem Glas Wein geniessen wir den Sonnenuntergang auf den Klapp-Campingstühlen des Nugget, klappen später das Hochdach aus und klettern über die kleine Leiter ins Bett – eine überraschend bequeme, 1,38 Meter breite Liege mit Lattenrost. Das Schlafen in der Wildnis klappt überraschend gut. Faszinierend, wie viele Geräusche man nachts im Wald hört. Doch kurz vor Sonnenaufgang das erste Problem – die Blase drückt. Ein WC gibts in unserem Nugget freilich nicht. Carlas alte Camper-Weisheit lautet: «Der nächste Baum ist dein WC.»
Nugget-Vorteil: Das Dach hebt sich hinten
Am Morgen hänge ich die Bettdecke zum Lüften über die geöffnete Beifahrertür, während Carla das Frühstück vorbereitet. Dabei entdecken wir einen grossen Vorteil des Nugget gegenüber anderen Campern: Weil sich das Nugget-Dach nicht vorne, sondern hinten hebt und die Küche ebenfalls im Fahrzeugheck verbaut ist, kann man dort stets bequem aufrecht stehen und am Gasherd oder Lavabo mit fliessend Wasser hantieren.
Nach der Generalprobe starten wir und fahren auf kleinen Landstrassen in den Jura nach St-Ursanne, wo wir ausserhalb direkt am Doubs den kleinen, idyllischen Campingplatz Tariche finden. Der Campingwart sagt, wir hätten Glück, noch ein Plätzchen zu erhalten. Beim nächsten Mal bitte vorher anrufen. Obwohl keine Ferienzeit, wirkt sich der Camper-Boom also aus. Der freundliche Platzwart hilft spontan per Zusatz-Verlängerungskabel, als sich unsere Kabelrolle als zu kurz erweist. Endlich am Strom, nehme ich unsere Espresso-Maschine in Betrieb.
Antrieb: 2,0-Liter-R4-Turbodiesel, 185 PS (136 kW), 415 Nm ab 1750/min, 6-Stufen-Automatik, Vorderradantrieb
Fahrleistungen: Spitze 180 km/h
Masse: Länge/Breite/Höhe 4,97/2,08/2,06 bis 3,10 m mit aufgestelltem Hochdach, Leergewicht 2463 bis 2968 kg
Verbrauch: Werk/Test 6,9/7,9 l/100 km, 182/208 g/km CO2, Energieeffizienz G
Preis: ab 70’950 Franken (Testwagen inkl. Optionen 76’260 Fr.)
Antrieb: 2,0-Liter-R4-Turbodiesel, 185 PS (136 kW), 415 Nm ab 1750/min, 6-Stufen-Automatik, Vorderradantrieb
Fahrleistungen: Spitze 180 km/h
Masse: Länge/Breite/Höhe 4,97/2,08/2,06 bis 3,10 m mit aufgestelltem Hochdach, Leergewicht 2463 bis 2968 kg
Verbrauch: Werk/Test 6,9/7,9 l/100 km, 182/208 g/km CO2, Energieeffizienz G
Preis: ab 70’950 Franken (Testwagen inkl. Optionen 76’260 Fr.)
Das Wetter ist heiss. Beim Schlafen sind wir froh, hat das Schlafabteil im Dach Fliegengitter an den Fenstern. Schade nur, hat unser Nugget überhaupt keinen Mückenschutz für die Passagierkabine. «Das gibt es als Zubehör», weiss eine begeisterte Nugget-Eignerin der ersten Stunde, die wir zufällig treffen und die mit ihrem zur Pension gekauften Camper regelmässig nach Griechenland fährt.
Am nächsten Tag fahren wir über Nebenstrassen zum Lac de Joux, wo wir uns – lernfähig – telefonisch angemeldet und reserviert haben. Dort wird erstmals der Gasherd in Betrieb genommen – Spaghetti Bolo, dazu ein Primitivo und zum Dessert ein Espresso aus der mitgeführten Maschine. Danach gehts zum Fussball-EM-Public-Viewing und am nächsten Tag zur Bergwanderung auf den Haut du Mollendruz mit toller Aussicht vom Neuenburger- bis zum Genfersee.
Das Hochdach ist absolut wasserdicht
Nach weiteren Aufenthalten am Genfersee in Vevey VD und am Neuenburgersee in Gampelen BE, wo zuletzt ein heftiges Gewitter den Campingplatz Fanel unter Wasser setzt, spüren wir Vorzüge unseres Campers. Die Zeltwände des Nugget-Hochdachs sind absolut wasserdicht – im Bus können wir uns einigermassen bewegen, kochen und am Klapptisch essen. Weil es nicht sein muss, setzen wir keinen Fuss hinaus in die Wasserpfützen.
Nach einem witterungsbedingten Abstecher an den Klöntalersee GL (dort kann man nicht reservieren) verbringen wir unsere letzte Woche im Wallis auf dem überraschend wenig belebten TCS-Campingplatz des Iles bei Sion. Der Nugget überzeugt noch immer. Für Tagesausflüge in die schmalen Seitentäler ist der 185 PS starke, mit seiner Schaltautomatik wie ein normales Auto zu fahrende Ford prädestiniert. Flott kommen wir mit dem Fronttriebler die engen Serpentinen hoch, und als ein ängstlicher Niederländer mit – Klischee, Klischee – Wohnwagen-Gespann entgegenkommt, ist die mehrere Hundert Meter Zurücksetzerei im Nugget auf der schmalen, steilen Bergstrasse dank Rückfahrkamera und zweigeteilten Aussenspiegeln keine schlimme Plackerei.
Unser Fazit: Je länger unsere Tour dauerte, umso mehr wuchs uns der Nugget ans Herz. Er ist wie geschaffen, um entlegenste Winkel unseres Landes mit den vielen engen Bergstrassen zu erkunden. Dank verhältnismässig kompakten Abmessungen und PW-artigem Fahrverhalten fährt er flotter, handlicher und sparsamer als die grösseren und luxuriöseren Wohnmobile, bietet aber dennoch ausreichend Komfort. Denn auch eine fix eingebaute Kaffeemaschine gäbe es als Option.