Es gibt wohl keinen anderen Autohersteller, dessen Produkte so legendär sind: Jedes Kind sagt «Ferrari», wenn es einen roten Sportwagen sieht. Den Mythos der Marke bewahren sich die Norditaliener wie kaum eine andere Sportwagen-Manufaktur: Deutlich weniger als 10'000 Fahrzeuge verlassen jedes Jahr die Werkshallen in Maranello. Zum Vergleich: Porsche hat im Jahr 2017 über 255'000 Fahrzeuge ausgeliefert.
Nun schlendere ich ehrfürchtig durch die blitzblanke Motorenmanufaktur in Maranello, um gleich selbst Hand anzulegen: Ich darf am Herzstück des neusten Ferrari-Modells F8 Tributo schrauben. Stilecht werde ich in ein rotes Overall gesteckt. Das ausgefräste Gehäuse des 3,9-Liter-V8-Biturbos steht vor mir auf der Montagevorrichtung. Ein Mechaniker erklärt mir die einzelnen Schritte: Dichtungen der Kolben kontrollieren, sauber einölen und dann mit etwas Kraft in den Zylinder drücken. Der von mir «gebaute» Motor kommt natürlich nicht auf den späteren Testfahrten zum Einsatz. Ferrari wollte uns Journalisten nur zeigen, wie viel Ingenieurskunst im Triebwerk steckt, das zum besten Motor der letzten 20 Jahre gekürt wurde.
Trotz Filter mehr Power
Die Mechaniker standen bei der Weiterentwicklung vor einer Herausforderung: Das Aggregat musste an die strenge Euro-6d-Norm angepasst werden. Obwohl für Ferrari als Nischenhersteller die Grenzwerte nicht ganz so streng wie bei Grossproduzenten sind, muss auch bei den Italienern der CO2-Ausstoss sinken. Deshalb wurden zwischen Turboladern und Endrohren zusätzliche Benzinpartikelfilter integriert, die aber die Leistung nicht schmälern. Im Gegenteil: Mit 720 PS verfügt der Biturbo nochmals über 50 PS mehr als im 488 GTB und ist mit 185 PS pro Liter Hubraum der stärkste je in einem Serien-Ferrari verbaute V8.
Alles auf Start
So viel zur Theorie. Nun gibts für mich mein erstes Mal – das erste Mal am Steuer eines Ferrari. Ich kann meine Aufregung nicht verbergen, die feuchten Hände gleiten übers Karbon-Sportlederlenkrad, finden den Fahrmodi-Schalter und letztlich den roten Startknopf. Mit einem Fauchen erwacht der unter der Plexiglasscheibe liegende V8. Durch die italienischen Ortschaften zeigt der F8 vorerst seine sanfte Seite. Er schluckt Bodenwellen, ohne zu poltern, und auch der 7-Gang-Doppelkuppler kommt ohne sportwagentypische Ruckelei bei tiefen Drehzahlen aus. Ich könnte jetzt zum Einkauf fahren und einen Harass Wasser in die Ladeluke unter der Haube einladen – Platz hätte es.
Grandios, brutal, direkt
Mach ich aber nicht. Kurven tauchen auf dem winzigen Navibildschirm auf. Ein kurzes Stossgebet, dann lass ich den Tributo von der Leine. Die Gasannahme ist grandios, die Traktion sensationell, die Verzögerung brutal, die Lenkung direkt und präzise – so verschmolzen wie mit dem F8 war ich noch selten mit einem Auto. Einziger kleiner Wermutstropfen: Der F8 muss wie alle neuen Sportwagen den zusätzlichen Partikelfiltern, die wie Schalldämpfer wirken, Tribut zollen. Er kreischt nicht mehr so laut wie seine Vorgänger. Geil ists trotzdem!
Driften für Fortgeschrittene
Fürs kontrollierte Übersteuern sucht man sich besser eine Rennstrecke wie die Pista di Fiorina, Ferraris hauseigene Spassmeile. Ich schalte dort auf «Race»-Modus, und schon tänzelt das Heck am Kurvenausgang. Mit «CT Off» und abgeschaltetem ESP können Profis viel Spass haben und den Kurs an einem Stück im Drift bewältigen. Für mich als Ferrari-Novize sind die ohne elektronische Regeleingriffe freigelegten 720 PS zu viel des Guten – schliesslich will ich den ab 264'280 Franken kostenden F8 wieder heil zur Box bringen.