Pilot werden, bei Real Madrid spielen, Ferrari fahren: Es gibt viele Bubenträume! Auch ich trug einst stolz das Trikot des FC Bayern, bis ich in der Primarschule einsehen musste, dass ich nie ein Oliver Kahn werde. Vor wenigen Jahren musste ich – nach dem Scheitern des Swiss-Auswahlverfahrens – auch meinen Piloten-Traum begraben. Kurz danach schnupperte ich aber an einem weiteren Traum – einmal Ferrari fahren. Als künftiger Autotester, auch ein echter Traumjob, sollte sich doch die Gelegenheit mal bieten. Natürlich musste ich mir erst mit Dacia Duster oder Suzuki Swift die Sporen im harten Autotester-Alltag abverdienen. Doch irgendwann folgten Aston Martin DB11 und McLaren 720S. Coole Autos, die ich auch gerne gefahren bin – aber halt keine Ferraris.
Der Familien-Ferrari
Aber jetzt zu Weihnachten wird mein Traum wahr! GTC4Lusso T klingt zwar nicht besonders sexy. Dafür sieht der dunkelrote Shooting-Brake-Ferrari umso schärfer aus. Nachdem ich auf den Entriegelungsknopf der Fernbedienung gedrückt habe (Keyless gibts noch nicht), öffne ich – ehrfürchtig – die Fahrertür. Im Cockpit erwartet mich kein sportlicher Purismus, sondern komfortabler Luxus in hellbraunem Leder. Auch in der zweiten Sitzreihe: Der GTC4Lusso T ist mit vier Sitzen und 450 Litern Kofferraum (mehr als im VW Golf!) quasi der Familien-Ferrari. Von aussen mögen die zwei hinteren Einzelsitze etwas eng wirken; bei der Sitzprobe fühle ich mich aber keineswegs eingeengt. Höchstens mit langen Beinen könnte es auf Dauer etwas knapp werden. Und für längere Strecken wirken die hinteren Sitze auch etwas hart.
Klangvoller Turbo
Das sportlichste im Cockpit ist das Lenkrad: Über den roten Knopf starte ich den 3,9-Liter-V8-Turbo. Mit frechem Fauchen heulen die 610 PS kurz auf, blubbern dann aber scheinheilig vor sich hin. Die Kraft lässt das ganze Auto vibrieren – und mich vorsichtig anfahren. Immerhin geht die V8-Power an die Hinterräder (4x4 gibts nur in Kombination mit dem V12-Sauger). Obwohl theoretisch in 3,5 Sekunden auf Tempo 100 und nach 10,8 Sekunden auf 200, lässt es sich auch gemütlich und ohne fieses Ruckeln anfahren. Zum Glück bleibt das dezente Röhren des V8 und zaubert mir ein verzücktes Lächeln aufs Gesicht. So muss ein Ferrari klingen!
Von brav bis fies
Schnell merke ich, wieso der GTC4Lusso T im Jahr 50 Prozent weiter gefahren wird als jeder andere Ferrari: Der 4,91 Meter lange und 1,98 Meter breite Vierplätzer lässt sich überraschend einfach fahren. Die Allradlenkung macht ihn nicht nur agil, sondern auch erstaunlich handlich. So zeigt sich der GTC4Lusso T als alltagstauglicher Granturismo. Er kann aber auch anders: Stellen wir den «Manettino» im Lenkrad auf «Sport», wird er zur brutalen Bestie, brüllt über 5000 Touren schamlos und schwänzelt auch gerne mal aus den Kurven heraus – ein echter Ferrari eben.
Bleibt ein Traum
Aber auch bei diesem Traum gilt: Real ist nicht alles perfekt. Das Licht ist keine Erleuchtung, die ins Lenkrad integrierten Blinkerschalter lassen sich im Kreisverkehr schlecht bedienen, und die Lenkung überträgt gefühlt jeden Kiesel von der Strasse und ist für einen Sportwagen zu leichtgängig. Dennoch wünschte ich mir bei Preisen ab 267'162 Franken einen Lottogewinn. Denn die Faszination für den Mythos Ferrari ist ungebrochen. Das zeigen auch die Reaktionen auf der Strasse. Vor allem Kinder kommen staunend dahergerannt – und träumen vielleicht auch davon, später mal einen Ferrari zu fahren ... .