Von Zürich nach Genua (I) mit Strom und Diesel
Wer ist schneller am Meer: Verbrenner oder E-Auto?

E-Autos müssen öfter laden als Diesel- oder Benzinautos. Wie stark schenkt das ein? Um das zu testen, fuhren wir ein Rennen nach Genua.
Publiziert: 11.09.2024 um 20:04 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2024 um 20:42 Uhr
Das Test-Team am Start: Tina Fischer (rechts) mit dem Renault Trafic Diesel, Holger Alich mit dem Audi E-Tron GT.
Foto: Tina Fischer / Handelszeitung

Auf einen Blick

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Tina Fischer und Holger Alich
Handelszeitung

Taugen E-Autos für die Reise in die Ferien? Ist es ein Abenteuer, an einer italienischen Autobahnraststätte zu laden? Gibt es dort überhaupt Schnelllader? Auf der «Handelszeitung»-Redaktion wurde über das Thema kontrovers diskutiert.

Das brachte uns auf die Idee: Probieren wir es aus. Also organisierten wir eine Wettfahrt nach Genua, von Zürich aus ist das die am nächsten gelegene Stadt am Meer. HZ-Redaktorin Tina Fischer ging mit ihrem Campingbus des Typs Renault Trafic Diesel an den Start. HZ-Redaktor Holger Alich borgte sich bei Audi einen vollelektrischen E-Tron GT. Wer machte das Rennen?

Holger Alich, Audi E-Tron GT

Ganz ehrlich, am Anfang fand ich es eine Boomer-Idee: Ein Rennen zwischen einem E-Auto und einem Diesel-Bus nach Genua? Ernsthaft? Als ob Reisen in einem E-Auto immer noch Abenteuer und nicht längst Alltag wäre. Jeder fünfte Neuwagen in der Schweiz ist mittlerweile ein rein elektrisch angetriebenes Auto.

Aber wenn wir schon so ein Rennen fahren, dann mit Stil, sage ich mir. Also borge ich mir bei Audi Schweiz einen schicken Audi E-Tron GT. Die Sportlimousine mit 476 PS und 2,5 Tonnen Gewicht ist sicher kein Sparmobil, aber ein Spassmobil. Und kein billiges. Für die Nacht in Genua suche ich im Internet daher erstmal ein sicheres Parkhaus und dann für mich ein Hotel in der Nähe – dem guten Stück soll ja nichts zustossen.

Mit dem E-Auto den Gotthardpass hinauf

Los geht es im hochsommerlichen Nieselregen vor der Redaktion im Medienpark in Zürich-Altstetten um halb zehn am Morgen, nach einem ausführlichen Fotoshooting. 91 Prozent zeigt die Batteriestandsanzeige, das soll für fast 400 Kilometer reichen. Der Stadtverkehr zeigt sich für einmal gnädig, ich komme recht flott zur Autobahn. Mit eingeschaltetem Tempomat schwimme ich gemütlich im Verkehr mit und kann den Verbrauch auf 20 kWh/100 km drücken. Die Langeweile vertreibe ich mir damit, die gefühlt 382 verschiedenen Anzeigenarten im Cockpit auszuprobieren.

Um mich verbrauchsmässig auszubremsen, bestand Tina darauf, dass wir über den Gotthardpass statt durch den Tunnel fahren. Fahrspassmässig ist das ganz klar die bessere Route. Mit dem Allradantrieb und dem luftgefederten Fahrwerk ist der E-Tron GT wie gemacht für die vielen Spitzkehren. Auf einer längeren Geraden vor Andermatt kann ich mir ein Überholmanöver eines Wohnmobils nicht verkneifen, die Beschleunigung ist trotz des Anstiegs der Passstrasse sprichwörtlich atemberaubend. Aber das kostet, 28 kWh mahnt mich die Verbrauchsanzeige. Also zügle ich den Gasfuss.

Dafür geht die erste Etappe oben auf dem Pass an mich. Um 11.06 Uhr habe ich die 124 Kilometer geschafft. In der Batterie sind noch 51 Prozent. Tina dieselt wenige Minuten später nach mir in ihrem Bus auf den Parkplatz.

Die Zwischenetappe auf dem Gotthardpass ging knapp ans E-Auto.
Foto: Tina Fischer / Handelszeitung

Nach einer Kaffeepause und einem weiteren Beweisbild-Shooting geht es dann bergab Richtung Italien. Bei der Abfahrt ins Tessin rekuperiert der Wagen die Bremsenergie, ich tanke also beim Fahren. Schon im Tessin steigt das Thermometer auf über 30 Grad. Die Klimaanlage bleibt zunächst aus, dafür mache ich die Fenster auf. Zum einen mag ich die trockene Klimaanlagenluft nicht, zum anderen erhöht die Klimatisierung den Verbrauch. Als aber nach der Grenze das Thermometer die 37 Grad erreicht, geb ich nach: Lieber mehr Energie verbrauchen, als bewusstlos zu werden, denk ich mir. Meine Sorge war zudem unbegründet, die Restweiten-Anzeige fällt nach Einschalten der Klimaautomatik nur um wenige Kilometer.

Hochspannung bei der entscheidenden Ladepause

Ladepause vor Mailand.
Foto: Holger Alich

Dann kommt die entscheidende Phase: Trotz schonender Fahrweise schaffe ich die rund 430 Kilometer lange Strecke nicht mit einer Batterieladung. In der Schweiz zu laden, wäre zu einfach, hier gibt es fast an jeder Raststätte mittlerweile Schnelllader. Ich will den Wagen in Italien laden, so der Plan. Etwas Abenteuer muss sein.

Ich steuere die erste Raststätte nach der Grenze an, Lario Ovest. Und siehe da: Acht neue Schnelllader warten auf mich. Also gönn ich mir im klimatisierten Autogrill ein Schinkensandwich und einen italienischen Cappuccino; und der Audi zieht sich Strom mit weit über 100 Kilowatt Ladeleistung. Eine Pause von nicht einmal 15 Minuten reicht daher, und der E-Tron GT ist von knapp 30 wieder auf gut 70 Prozent Batteriestand.

Erst planen, dann Laden: Wo ist der schnellste Schnelllader – und gibts es überhaupt einen auf der Route gen Genua?
Foto: Tina Fischer / Handelszeitung

Die letzte Etappe von 178 Kilometer bis ans Meer in Genua sind vor allem heiss und stressig: Die Schilder mit Geschwindigkeitsbegrenzungen scheinen nur als Zierde gesehen zu werden. Als braver Schweizer Einwohner beteilige ich mich aber nicht an der Sauserei. Anders als in den Serpentinen des Gotthardpasses fühlt man sich im 5-Meter-Audi in den engen Strassen Genuas nicht so wohl. Ich bin daher froh und erleichtert, den E-Tron GT um kurz nach vier auf dem Parkplatz am Meer abstellen zu können. Und siehe da: Ich bin Erster, aber nur knapp, Tina kommt fast zeitgleich an.

Tina Fischer, Renault Trafic Diesel

Die Sonne knallt mit voller Wucht auf meine Kiste. Vor mir liegt die Po-Ebene, links und rechts ziehen sich Reisfelder bis zum Horizont. Keine Spur von einem Schattenspender, geschweige denn von einer möglichen Abkühlung oder einem temperierten Raum. Mir läuft der Schweiss aus allen Poren, die Wasserflasche ist längst leer, barfuss fahre ich schon länger.

Dabei hätte ich es besser wissen müssen. Bereits im vergangenen Herbst stieg die Klimaanlage auf der Fahrerseite aus. Flicken wäre eine Option gewesen, aber im Winter braucht es keine Kühlung und der bisherige Sommer drängte jetzt auch nicht zur Reparatur. Was sich nun auf dieser schnurgeraden Strecke zwischen Mailand und Alessandria rächt.

Dabei kam ich so gut vorwärts. Dank meinem Tankvolumen von 80 Litern, dem durchschnittlichen Verbrauch von rund 7 Litern pro 100 Kilometer, musste ich mir um Raststätten keine Sorgen machen. Die Tanknadel hatte sich über die Serpentinen des Gotthardpasses nur minimal bewegt und Fahrspass hatte ich in den engen Strassen auch mit meinem Diesler. Der zieht nämlich besser als so manch anderer Flitzer. Klar, mein Büssli kann nicht mit einem Audi E-Tron mithalten, trotzdem scheuchte ich ein paar langsamere Touristen die Schöllenenschlucht hoch.

Pause am Gotthardpass bei angenehmen Temperaturen und fast vollem Tank.
Foto: Tina Fischer / Handelszeitung

Unfreiwilliger Zwischenstopp an der Grenze

Den Pass wieder runter und durch das Tessin war auch noch alles okay. Lustig wurde es mit dem Büssli am Zoll: Jeder Zöllner hält einen weissen Lieferwagen an, bei dem man nicht auf den ersten Blick sieht, was er transportiert. So auch dieses Mal. Mit meinen Italienischkenntnissen informierte ich den jungen Herrn aber schnell, dass ich nur ein Bett dabei hätte und sonst nichts. Alles okay, ich durfte weiter.

Und ab da startete dann eigentlich das, was mit einem Renault-Büssli nicht so toll ist: die endlosen Weiten der Autobahn, die Sonne, die direkt auf den Fahrersitz scheint und leider Gottes kein Tempomat. Ich hebelte mich durch die Gänge, sang laut zur Musik der 90er-Jahre mit und versuchte, die Hitze zu ignorieren. Das klappte bis rund eine Stunde vor Genua, dann brauchte ich eine Pause. Also stoppte ich an der nächsten Raststätte. Autogrill, natürlich. Passend dazu empfiehlt sich auch das lyrische Glanzstück «Autogrill» von Euroteuro und Ninjare Di Angelo (Ironie off).

Ob so viel gestellter Italianità vergesse ich die Hitze, setze bald den Blinker und trinke im Anschluss die kühle Spremuta auf der Autogrill-Raststätte. Mit normaler Körpertemperatur fährt sich dann auch die letzte Stunde bis nach Genua angenehmer. Genauer: zur Spiagga di Pegli. Die ich zuerst schlichtweg ignorierte, daran vorbeifuhr und darauf hoffte, einen noch besseren Parkplatz mit Meersicht zu finden. Weshalb auch die Behauptung von Holger, er sei Erster gewesen, Quatsch ist. Aber ich gönne ihm den Triumph – so halb.

Vorgesorgt: 90er-Jahre-Musik wird von italienischer Hitze und der defekten Klimaanlage ablenken.
Foto: Tina Fischer / Handelszeitung

Mit dem Kleinbus durch Genua

Immerhin: Entgegen der Erwartung flitzte ich einiges angenehmer durch die engen Strassen von Genua. Erstens wichen mir alle anderen Autos aus, weil ich im Schnitt doppelt so hoch war wie sie. Zweitens kenne ich mein Büssli wirklich sehr gut, so dass ich praktisch überall durchkomme. Und drittens kostet mein Büssli auch nicht ganz so viel wie der elektrische Superwagen von Holger – der emotionale Wert hingegen ist mit dem Ausbau schon sehr hoch.

Und genau dieser Ausbau war dann auch ein Highlight für mich: Hoch oben über Genua stellte ich mein Büssli hin, auf der Mura delle Cappuccine. Der Blick nach links öffnet die Sicht auf die Stadt und rechts sichtet man das Meer. Der perfekte Ort, um eine Nacht stehenzubleiben. Und am nächsten Tag bei tieferen, angenehmeren Temperaturen die Heimreise anzutreten.

Fazit: In Sachen Fahrzeit ist der E-Audi mehr oder weniger gleichauf mit dem Verbrenner. Dank effizienter Klimaanlage und guten Sitzen und dem fast geräuschlosen Reisen ist der E-Tron sicher das komfortablere Fahrzeug, was bei einem Auto dieses Wertes auch erwartet werden darf. Ladepausen sollten geplant werden, das Navigationssystem hilft hier, denn es zeigt an, welche Station in der Nähe frei ist. Und: Unterwegs nicht voll laden, sondern nur so viel Strom tanken, dass es locker zum Ziel reicht – das spart Zeit.

Wer war schneller, wer günstiger?

Audi E-Tron GT

Gefahrene Strecke: 432 Kilometer
Fahrtzeit: 6 Stunden, 12 Minuten
Verbrauch: 84 Kilowattstunden, das entspricht einem Verbrauch von knapp 2 Litern Diesel auf 100 Kilometer.
Kosten: 65 Franken

Renault Trafic

Gefahrene Strecke: 446 Kilometer
Fahrzeit: 6 Stunden und 19 Minuten
Verbrauch: 32 Liter Diesel, das entspricht einem Verbrauch von 7,2 Litern Diesel auf 100 Kilometer.
Kosten: 63 Franken

Audi E-Tron GT

Gefahrene Strecke: 432 Kilometer
Fahrtzeit: 6 Stunden, 12 Minuten
Verbrauch: 84 Kilowattstunden, das entspricht einem Verbrauch von knapp 2 Litern Diesel auf 100 Kilometer.
Kosten: 65 Franken

Renault Trafic

Gefahrene Strecke: 446 Kilometer
Fahrzeit: 6 Stunden und 19 Minuten
Verbrauch: 32 Liter Diesel, das entspricht einem Verbrauch von 7,2 Litern Diesel auf 100 Kilometer.
Kosten: 63 Franken

Der Renault-Bus hingegen gehört zu den Fahrzeugen alter Schule. Ohne Tempomat und in diesem Fall defekter Klimaanlage leidet der Komfort. Dafür reicht der Tank locker nach Genua und zurück. Und: Die Suche nach einem sicheren Parkhaus sowie Hotel entfallen, denn das Büssli ist dank dem Umbau ein Zuhause auf Rädern.

Angekommen: Nach gut sechs Stunden sind der Diesel und das E-Auto fast zeitgleich am Mittelmeer eingetroffen.
Foto: Tina Fischer / Handelszeitung
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