Geht es um die Zukunft der Autobranche, balgen sich unzählige Experten um die Deutungshoheit. Der globale Beratungsriese KPMG fragt deshalb lieber gleich jene Kaderleute, die die Autozukunft gestalten. «Wir als KPMG interpretieren die Ergebnisse zwar natürlich auch», erläutert Roman Wenk (48), Sektorleiter Automotive KPMG Schweiz, die 22. jährliche KPMG-Studie zur internationalen Autoindustrie. «Aber die Aussagen der Studie sind nicht unsere Einschätzung der Autowelt 2030, sondern jene von über 1100 Führungskräften der Autobranche aus 31 Ländern.»
Mit dabei auch Schweizerinnen und Schweizer: Die Schweizer Autoindustrie baut zwar keine Autos, aber generiert als Zulieferer Zehntausende Jobs. Eine öffentlich stark unterschätzte Branche also, für die die Resultate der KPMG-Studie «Global Automotive Executive Survey» ergo relevant und sehr brisant sind.
Roman Wenk (48) ist Sektorleiter Automotive bei KPMG Schweiz, dem hiesigen Zweig (2100 Mitarbeitende, Sitz Zürich) des Beratungs- und Wirtschaftsprüfungs-Unternehmens KPMG (weltweit 236'000 Mitarbeitende). Blick spricht mit Wenk über die 22. jährliche KPMG-Studie «Global Automotive Executive Survey».
Laut Studie sorgen sich Europas Autohersteller um die Lieferketten – siehe Chipkrise. Wie stark ist das Autozulieferer-Land Schweiz davon betroffen?
Roman Wenk: Die Schweizer Autozulieferer sind 1:1 so betroffen wie jene in ganz Europa, schon weil die Schweiz besonders deutschen Autoherstellern zuarbeitet. Letztes Jahr wurden wegen der Chipkrise global etwa zehn Prozent weniger Autos verkauft, als man hätte verkaufen können – und hiesige Zulieferer hatten entsprechend weniger Umsatz generiert.
Ist die Schweiz also schlecht für künftige Autokrisen gerüstet?
Im Gegenteil, die Schweizer Autobranche vom Zulieferer bis Autoimporteur ist gut für Krisen gerüstet, denn sie ist krisenerprobt: Eurokrise, Finanzkrise, Coronakrise – da wird schnell und flexibel reagiert. In der Coronakrise sind gerade die Zulieferer gut durchgekommen. Die anhaltende Knappheit an Chips hat die Zuliefererbranche dazu veranlasst, neue Wege zu gehen. Manche Unternehmen haben sogar profitiert. Die gestiegenen Preise beispielsweise für Chips oder für Stahl konnten teilweise an die Abnehmer weitergegeben werden.
Welches ist aus Ihrer Sicht das überraschendste Ergebnis der Studie?
Gemäss Studie erwarten die Führungskräfte, dass 40 Prozent der Autoverkäufe 2030 online ohne Händler stattfinden. Mit entsprechenden Auswirkungen: Dies führt zu einem Überangebot an Garagen und wird deshalb global zu Restrukturierungen und einer Verkleinerung der Anzahl Garagen führen, auch in der Schweiz.
Hat dies auch damit zu tun, dass sich die Elektroautos nun schneller auf breiter Front durchzusetzen scheinen?
Ja. Gemäss Studie werden 2030 bereits 50 Prozent der Neuwagen voll elektrisch sein. Der Technologiewandel ist also Fakt und entwickelt sich schneller als ursprünglich erwartet. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, werden Zulieferer wie Händlernetze in Akquisitionen und Kooperationen investieren müssen. Meiner Meinung nach werden einige Player aussteigen, weil die Investitionen zu hoch sind. Beim Rest wird es zur Konzentration kommen mit weniger, grösseren Playern.
Was ist wichtig, um die Branche hierzulande zukunftsfit zu machen?
Wichtig ist sicher, dass die Schweizer Branchenplayer angesichts des Technologiewandels sehr rasch die richtigen Entscheide fällen – es gilt quasi: jetzt oder nie. Vor zwei Jahren waren Grossaufträge bei Elektroautos noch kein Thema, heute werden gerade die grossen Aufträge an Zulieferer für künftig gebaute E-Autos vergeben. Entscheidet man jetzt, hat man dann in zehn Jahren einen entsprechenden Umsatz mit E-Autos – oder man ist künftig eben nicht mehr dabei.
Roman Wenk (48) ist Sektorleiter Automotive bei KPMG Schweiz, dem hiesigen Zweig (2100 Mitarbeitende, Sitz Zürich) des Beratungs- und Wirtschaftsprüfungs-Unternehmens KPMG (weltweit 236'000 Mitarbeitende). Blick spricht mit Wenk über die 22. jährliche KPMG-Studie «Global Automotive Executive Survey».
Laut Studie sorgen sich Europas Autohersteller um die Lieferketten – siehe Chipkrise. Wie stark ist das Autozulieferer-Land Schweiz davon betroffen?
Roman Wenk: Die Schweizer Autozulieferer sind 1:1 so betroffen wie jene in ganz Europa, schon weil die Schweiz besonders deutschen Autoherstellern zuarbeitet. Letztes Jahr wurden wegen der Chipkrise global etwa zehn Prozent weniger Autos verkauft, als man hätte verkaufen können – und hiesige Zulieferer hatten entsprechend weniger Umsatz generiert.
Ist die Schweiz also schlecht für künftige Autokrisen gerüstet?
Im Gegenteil, die Schweizer Autobranche vom Zulieferer bis Autoimporteur ist gut für Krisen gerüstet, denn sie ist krisenerprobt: Eurokrise, Finanzkrise, Coronakrise – da wird schnell und flexibel reagiert. In der Coronakrise sind gerade die Zulieferer gut durchgekommen. Die anhaltende Knappheit an Chips hat die Zuliefererbranche dazu veranlasst, neue Wege zu gehen. Manche Unternehmen haben sogar profitiert. Die gestiegenen Preise beispielsweise für Chips oder für Stahl konnten teilweise an die Abnehmer weitergegeben werden.
Welches ist aus Ihrer Sicht das überraschendste Ergebnis der Studie?
Gemäss Studie erwarten die Führungskräfte, dass 40 Prozent der Autoverkäufe 2030 online ohne Händler stattfinden. Mit entsprechenden Auswirkungen: Dies führt zu einem Überangebot an Garagen und wird deshalb global zu Restrukturierungen und einer Verkleinerung der Anzahl Garagen führen, auch in der Schweiz.
Hat dies auch damit zu tun, dass sich die Elektroautos nun schneller auf breiter Front durchzusetzen scheinen?
Ja. Gemäss Studie werden 2030 bereits 50 Prozent der Neuwagen voll elektrisch sein. Der Technologiewandel ist also Fakt und entwickelt sich schneller als ursprünglich erwartet. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, werden Zulieferer wie Händlernetze in Akquisitionen und Kooperationen investieren müssen. Meiner Meinung nach werden einige Player aussteigen, weil die Investitionen zu hoch sind. Beim Rest wird es zur Konzentration kommen mit weniger, grösseren Playern.
Was ist wichtig, um die Branche hierzulande zukunftsfit zu machen?
Wichtig ist sicher, dass die Schweizer Branchenplayer angesichts des Technologiewandels sehr rasch die richtigen Entscheide fällen – es gilt quasi: jetzt oder nie. Vor zwei Jahren waren Grossaufträge bei Elektroautos noch kein Thema, heute werden gerade die grossen Aufträge an Zulieferer für künftig gebaute E-Autos vergeben. Entscheidet man jetzt, hat man dann in zehn Jahren einen entsprechenden Umsatz mit E-Autos – oder man ist künftig eben nicht mehr dabei.
Kunden wollen in 30 Minuten laden
In der letzten Studie waren die Führungskräfte erstmals komplett überzeugt, dass Elektro in zehn Jahren die dominierende Antriebsform sein wird. Nun sind die Kaderleute sicher: In acht Jahren liegt der Anteil rein elektrischer Autos an allen Neuwagen auf grossen Märkten mindestens bei der Hälfte. Nicht überraschend: Zwar ist man sich zu 77 Prozent einig, dass die E-Wende ohne staatliche Hilfe klappt – aber 91 Prozent hätten trotzdem nichts gegen Subventionen für Elektromobilität.
Wohl auch, weil die Befragten wissen: Die Lade-Infrastruktur muss funktionieren. 77 Prozent sind überzeugt, dass im Jahr 2030 Ladezeiten von maximal einer halben Stunde bis 80 Akkuprozent akzeptabel sind. Und die Zukunftsaussichten sind nicht einhellig rosa. Die Executives sorgen sich um Lieferketten-Probleme wie aktuell mit den Computerchips. Nur 48 Prozent der europäischen Autofirmen (zum Vergleich: USA 67, China 29) werden von den Befragten als fit für solche künftige Krisen betrachtet. Die Hälfte der europabasierten Führungskräfte hegt Sorgen, wie sich angesichts solcher Krisen und des anstehenden Wandels hin zu E-Mobilität und Digitalisierung künftig die Gewinne entwickeln.
Das grosse Händlersterben kommt
Laut der Aussagen der Branchenleute immer weniger gefragt sind Autohändler. Die Kaderleute erwarten, dass je nach Weltregion bis zu 88, selbst im diesbezüglich so traditionellen Europa bis zu 70 Prozent der Autos 2030 online gekauft werden – und 40 Prozent der Autos in Europa ganz und gar ohne Garagisten-Beteiligung.
«Dies führt zu einem Überangebot an Garagen», befürchtet Wenk. Es droht laut den befragten Automanagern also ein Garagensterben – global wie in der Schweiz. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müsse in Akquisitionen und Kooperationen investiert werden, so Wenk. Bei Schweizer Autozulieferern sieht der Experte eine krisenfeste Grundkonstitution, betont aber auch, jetzt müssten die Weichen gestellt werden, um in der E-Mobilität dabei zu sein.
Tesla führt laut Befragten autonom
Schliesslich mischen in der Autowelt inzwischen auch Player mit, die noch vor gut einem Jahrzehnt niemand auf dem Radar hatte. Die Befragten der KPMG-Studie sind sich sicher: Investitionen in autonomes Fahren sind dringend – und mit sehr weitem Vorsprung vor Techkonzernen wie Huawei oder Waymo (Google) und den anderen Autobauern sei Tesla hier führend. Fast zwei Drittel der Führungskräfte sind sogar sicher: 2030 werden wir Autos mit Namen wie Google, Apple oder Amazon sehen.
Auch Start-ups werden zunehmend die Branche beeinflussen und den Wandel noch schneller und unvorhersehbarer machen. Schon deshalb, so resümiert KPMG zu der Studie, gelte: Wer in der Zukunft mitspielen will, muss ganz neue Wege gehen – und etwa auf Software setzen – und wird kaum mehr um Kooperationen mit anderen herumkommen.