Auf einen Blick
- Für Sicherheit und Komfort müssen Assistenzsysteme in Autos kalibriert werden
- Neukalibrierung nach Unfällen, Tieferlegung oder Scheibenwechsel zwingend
- Kalibriereinrichtungen kosten Garagen zwischen 10'000 und 40'000 Franken
Ab März 2025 ist es auch in der Schweiz erlaubt, in teilautonomen Autos die Hand vom Lenkrad zu nehmen. Und selbst ohne Autopilot assistieren moderne Autos heute bereits nach Kräften: Schon 2022 gab es einen ersten Pflichtassistenten-Schub, 2024 folgten weitere Systeme als Neuwagen-Pflicht – wie etwa Notfall-Spurhalter, Notbremsassistent oder Verkehrszeichen-Leser mit Tempowarner. Manchmal nervig? Ja, schon. Aber auch komfortabel und vor allem helfen sie Unfälle zu vermeiden. Allerdings müssen dazu die Systeme perfekt funktionieren.
Wie jede App auf dem Smartphone Updates benötigt, brauchen Assistenten im Auto eine Kalibrierung. Ob nach einem Unfallschaden, einer Tieferlegung oder nur dem Wechsel der Frontscheibe mit Kamera dahinter (u. a. für Spurassistenz): Danach taucht auf der Garagenrechnung stets der Posten «Kalibrierung» auf. Abzocke? Nein. Die Hersteller verlangen dies zwingend: «Assistenzsysteme schützen Menschenleben – aber nur, wenn sie einwandfrei arbeiten», sagt Markus Peter (46), Leiter Technik & Umwelt beim Schweizer Autogewerbeverband (AGVS). «Dazu müssen Sensoren wie Frontkamera, Radar oder Lidar nach gewissen Arbeiten neu kalibriert, also die Sensoren wieder korrekt ausgerichtet werden. Das Prozedere erinnert an Sehtests beim Optiker, nur dass statt der Augen des Menschen die Sensoren des Fahrzeugs geschärft werden.»
Garagen stehen für die Sicherheit ein
Was kostet das Kalibrieren? In der Regel gehts bei 200 bis 250 Franken los, je nach Aufwand kann es auch mehr sein. Wie wichtig das Thema ist, weiss zum Beispiel Fadel Bouhouch (46), Inhaber der Stadtzürcher Züri Garage AG und AGVS-Mitglied. «Wir kommunizieren das gegenüber unseren Kundinnen und Kunden aktiv – weil wir wissen, dass sonst die Frage auftaucht, was das soll», sagt Bouhouch. Und wenn ein Kunde keine Kalibrierung will? «Dann müssen wir ablehnen», sagt Bouhouch. «Wir sind an Vorgaben der Fahrzeughersteller gebunden und müssen rechtlich für die erfolgte korrekte Kalibrierung geradestehen. Wir tragen als Garage schliesslich die Verantwortung für die Sicherheit unserer Kundinnen und Kunden.»
Für Garagenbetriebe heisst das, wie so oft im sich wandelnden Autogewerbe: Hightech-Werkstattausrüstung muss her. Die Garage oder Karosserie braucht für eine Kalibriereinrichtung Platz, Schulung der Mitarbeitenden – und Budget. Ab knapp 10'000 Franken ist man dabei. Aber je nach System- und Arbeitsumfang können es auch über 40'000 Franken sein: Jede Automarke braucht andere analoge oder digitale Kalibriertafeln mit Mustern drauf. Und jedes Automodell wird anders kalibriert: mal stehend, mal fahrend oder beides.
Ohne Kalibrierung wirds gefährlich
Aber ist das wirklich immer nötig? Um beim Beispiel Wechsel einer Frontscheibe zu bleiben: Gleiche Scheibe, gleicher Kamerahalter, gleiches Auto – warum eine neue Kalibrierung? «Die neue Scheibe ist nie hundertprozentig identisch, selbst vom Originalhersteller nicht», weiss Lukas Flüeler (61). Er ist Regional Sales Manager und Produktmanager bei Hella Gutmann Schweiz, deren Kalibrierungssysteme vom grossen Aftermarket-Anbieter Derendinger an Garagen vertrieben werden. Flüeler begründet: «Die Rohmaterialien sind nie genau dieselben und die Glasoberfläche nutzt sich ab. Mitunter hat der Kamerahalter einen minimalen Winkelfehler. Mit dem blossen Auge sehen das selbst Fachleute nicht. Aber wenn der Fehler schon nur ein Grad beträgt, macht das in 100 Metern Entfernung über 1,7 Meter Abweichung aus.» Und schon verschätzt sich der Spurhalter eben mal.
Für die Experten ist klar: «Diese Systeme sind dazu da, Menschenleben zu schützen. Deshalb müssen sie in der Praxis funktionieren – und deshalb ist ihre Kalibrierung ein Muss.» Markus Peter vom AGVS resümiert: «Nur zuverlässige und korrekt kalibrierte Assistenzsysteme stossen auf Akzeptanz bei den Fahrzeugnutzenden und sorgen so für den gewünschten Sicherheits- und Komfortgewinn.»