Das plant AutoScout24: Mobilitätsservices, neue Tools und Finanzierung
«Jetzt kommt unser Auto-Abo!»

AutoScout 24 ist der grösste Schweizer Online-Marktplatz für Neuwagen und Occasionen. Managing Director Pierre-Alain Regali erklärt, mit welchen digitalen Innovationen er die Nummer eins bleiben will.
Publiziert: 20.10.2020 um 11:49 Uhr
|
Aktualisiert: 28.12.2020 um 22:06 Uhr
1/6
CEO Pierre-Alain Regali (54) will die digitalen Services von AutoScout24 weiter ausbauen.
Foto: Philippe Rossier
Interview: Andreas Faust

Pierre-Alain Regali (54) befasst sich als Managing Director von AutoScout24 mit rund 80 Prozent aller Fahrzeuge – neue und Occasionen –, die in der Schweiz zum Verkauf stehen. Keine einfache Aufgabe; erst recht nicht unter den aktuellen Corona-Bedingungen. Was ihn inspiriert zu innovativen Lösungen im digitalen Umbruch der Automobilbranche ist die Emotionalität, die ein Auto noch immer ausstrahlt. «Ein bisschen davon steckt selbst in diesen verkleinerten Modellen», findet Regali.

BLICK: AutoScout24 versteht sich als digitales Unternehmen. Wie haben Sie die Corona-Zeit bisher erlebt, in der wir ja alle digitaler wurden?
Pierre-Alain Regali:
AutoScout24 ist digital unterwegs – aber die Automobilbranche funktioniert noch immer zu einem grossen Teil analog. Wir knüpfen mit digitalen Mitteln die Verbindung vom Verkäufer zum Kunden. Das klappt schon ganz gut, aber wir müssen sicher noch digitaler dabei werden. Corona forciert diese Entwicklung.

Oder deckt die Pandemie unsere Schwächen bei der Digitalisierung auf?
Das Virus hat unsere fundamentale Strategie aus der Zeit vor der Pandemie nicht geändert: In den kommenden drei bis fünf Jahren werden wir einen kompletten Umbruch in der Automobilbranche sehen. Diesen Prozess wollen wir mit vielen digitalen Innovationen begleiten.

Importeure und Garagisten klagen über Umsatzeinbrüche – wie entwickelte sich AutoScout24 während der Pandemie?
Zu Beginn des sogenannten Lockdowns sanken die Userzahlen ab, aber die Werte haben sich bereits ab April wieder erholt. Jetzt sind die Werte sogar leicht höher als im vergangenen Jahr. Einen deutlichen Negativ-Effekt hatten die Einbrüche auf dem Werbemarkt. Noch sind wir dort nicht wieder auf dem Stand vor der Pandemie.

Wie haben Sie sich auf die neuen Bedingungen eingestellt?
Die Gesellschaft hat sich neu orientiert. Da den Menschen während des Lockdowns nicht viel anders übrig geblieben ist, als online zu sein, ist die Schwelle zur Nutzung digitaler Tools deutlich gesunken. Die Kontaktaufnahme per Whats-App wird deutlich häufiger genutzt; auch die Möglichkeit, sich ein Auto per Videotelefonie aus der Ferne im Showroom anschauen zu können. Wir haben diese Tools auf unserem Marktplatz integriert und unsere User haben gelernt, sie zu nutzen. Wir werden das künftig noch ausbauen.

Ihr Marktplatz steht in Grundzügen seit Jahren unverändert dar. Ist eine Weiterentwicklung möglich?
Wir treiben jeden Tag die Weiterentwicklung des Marktplatzes voran! Von den rund 100 Mitarbeitenden bei AutoScout24 arbeitet rund die Hälfte in der Entwicklung und an der kontinuierlichen Verbesserung der Technik hinter der Suchmaske. Davon sieht man von aussen nur wenig, aber man merkt es an den immer besser auf die Kundenerwartungen zugeschnittenen Suchergebnissen. Gerade in diesem Jahr konnten wir einige Funktionalitäten wie die Videobesichtigung, die What’s App-Kontaktaufnahme oder optimierte Analyse-Tools für Händler lancieren. Zudem bieten wir Privatverkäufern mit dem DirektVerkauf eine neue Möglichkeit, ihre Autos noch schneller und einfacher zu verkaufen. Mehr wird in den nächsten Monaten folgen.

Welche neuen Funktionen planen Sie?
Seit Juli kann man beispielsweise ein Auto unlimitiert auf der Webseite platzieren, bis es auch wirklich verkauft ist. Wir haben ausserdem Grosses vor mit unserem neuen Schwesterunternehmen FinanceScout24. Mit den integrierten Funktionen von FinanceScout24 können User auf AutoScout24 das beste Versicherungsangebot und die günstigste Möglichkeit finden, um ihr Fahrzeug zu finanzieren. Immer mehr Autos werden im Leasing gekauft – aktuell sind es bei einigen Händlern teilweise bis 50 Prozent der Neuwagen.. Ab dem kommenden Jahr wird man daher Leasingangebote direkt auf unserer Webseite vergleichen können. Bald werden wir online die Buchung einer Probefahrt ermöglichen. Und wir bieten mit unserem Auto-Abo seit Sommer einen neuen Mobilitätsservice an.

Auto-Abos haben an Bedeutung gewonnen. Ist der Markt schon so gross, dass sich der Einstieg lohnt?
Vieles entwickeln wir für die nahe Zukunft – mit dem Auto-Abo denken wir langfristiger, wollen Appetit machen auf eine neue Form von Mobilität. Unsere Kunden werden vielfältiger: Viele Junge wollen ihr Auto nicht mehr kaufen. Kauf, Leasing, Abo – wir möchten diese Möglichkeiten in Zukunft gleichwertig anbieten können. Dazu müssen wir uns jetzt schon vorbereiten und Erfahrungen sammeln, um jederzeit durchstarten zu können.

Beim Kauf wird den Kunden vieles abgenommen. Welche Vorteile bringt dann noch ein Abo?
Der grösste Vorteil ist die Flexibilität. Ich kann einen SUV für sechs Monate buchen. Ändert sich meine Lebenssituation, steige ich für sechs oder zwölf Monate um auf ein anderes Modell, das besser passt. Zweiter Vorteil ist die einfache Kontrolle des Haushaltsbudgets. In Autokauf und -unterhalt stecken versteckte Kosten, die uns oft nicht bewusst sind. Beim Abo ist es transparent und offensichtlich, wie viel das Auto den Kunden monatlich kostet. Das gibt Planungssicherheit.

Wie wickeln Sie die Abos ab? Wer ist Ansprechpartner für den Kunden?
Unser Kerngeschäft ist die Verbindung von Verkäufer und Käufer – so funktioniert auch das Abo-Modell. Wir bringen beide zusammen, die Garagisten kümmern sich um die Abwicklung, um Pneuwechsel oder Service. Wir werden proaktiv von Händlern angesprochen, die mit uns solche Abos anbieten wollen.

Pierre-Alain Regali

Pierre-Alain Regali wurde am 6. Juni 1966 in Genf geboren. Der sportbegeisterte einstige Eishockeyspieler ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Er lebt mit der Familie in Genf und unter der Woche in Bern, der Nähe zum AutoScout24-Hauptsitz in Flamatt FR wegen. Bevor er im November 2018 als Direktor von AutoScout24 startete, fungierte er als CCO beim Reiseportal ebookers.

Pierre-Alain Regali wurde am 6. Juni 1966 in Genf geboren. Der sportbegeisterte einstige Eishockeyspieler ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Er lebt mit der Familie in Genf und unter der Woche in Bern, der Nähe zum AutoScout24-Hauptsitz in Flamatt FR wegen. Bevor er im November 2018 als Direktor von AutoScout24 startete, fungierte er als CCO beim Reiseportal ebookers.

Hilft dabei die Marktposition von AutoScout24?
AutoScout24 generiert die grösste Nachfrage für Autos in der Schweiz. Seit 2016 sind unsere Userzahlen um rund 30 Prozent angestiegen und wachsen von Jahr zu Jahr weiter. Auch im wegen Covid-19 umkämpften Jahr 2020 sind die Besuche (Visits) auf AutoScout24 von Juni bis August im Vergleich zum Vorjahr um rund 20 Prozent gestiegen. Von dieser Reichweite profitieren auch unsere Geschäftskunden. Wir arbeiten mit rund 90 Prozent der Schweizer Garagisten zusammen. Sie kennen uns, haben bisher gute Erfahrungen mit uns gemacht und wissen, dass Qualität und Kundennutzen stimmen, wenn wir ein neues Produkt lancieren.

Hat der aktuelle Abo-Boom auch mit dem in der Pandemie veränderten Mobilitätsverhalten zu tun?
Corona wird vieles ändern, aber das ist schwierig zu sagen. Die letzten Monate können dies verstärkt haben. Wir beobachten das Autoabo-Modell jedoch schon seit längerer Zeit und hätten das Angebot auch ohne Covid lanciert. Noch kennen wir das Bedürfnis trotzdem noch zu wenig. Deshalb testen wir momentan, wie hoch die Nachfrage für Auto-Abos in der Schweiz ist.

Das Auto gilt vielen als eine Art Burg – ist die Schweiz schon reif fürs Auto-Abo?
Abo-Kunden denken anders als klassische Autokäufer – sonst würden sie ja kaufen statt zu abonnieren. Während wir früher CDs und DVDs kauften, setzen wir heute auf Flexibilität, grosse Auswahl und Nachhaltigkeit. Nutzen statt besitzen, heisst die Devise. Dies zeigt sich auch beim Thema Mobilität. Auto-Abos gewinnen weltweit an Bedeutung. Wie hoch die Nachfrage in der Schweiz ist, testen wir momentan.

Wo bleibt beim Auto-Abo die Emotionalität?
Im Auto zu sitzen ist immer emotional. Aber mit dem Abo-Modell können wir unsere Kunden auf eine Reise zu ihrem idealen Fahrzeug mitnehmen. Welches Modell möchte ich? Kompaktwagen, Sportwagen oder ein SUV? Vor allem junge Kunden können per Abo zunächst ausprobieren, ob das Modell zu ihnen passt – und es später dann vielleicht kaufen. Darin steckt für die Garagisten eine grosse Chance auf neue Kunden.

Niemand kennt die Schweizer Autofahrer besser als AutoScout24. Welche Trends erwarten Sie für die kommenden Jahre?
Wir werden einen starken Umbruch hin zur Elektromobilität erleben. In drei Jahren erwarten wir, dass ein Drittel aller Suchen auf der Webseite sich auf Steckerfahrzeuge beziehen werden.

Sehen Sie diesen Wandel im Kaufverhalten schon jetzt und auch bei den Occasionen?
Der Trend zu Elektro wird jeden Trend, der bisher auf dem Markt zu beobachten war, völlig in den Schatten stellen. Derzeit richten sich etwa 15 Prozent aller Suchen auf elektrifizierte Modelle. Die Stromer-Nachfrage ist gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen.

Öffnet die Elektromobilität Ihnen neue Möglichkeiten?
Die Kunden entscheiden, ob sie auf einen Stromer setzen möchten. Wir wollen sie künftig noch besser in die Lage versetzen, diese Entscheidung rational treffen zu können. Vor allem junge Kunden kaufen nur dann ein Auto, wenn sie wirklich überzeugt sind. Die nötigen Informationen zu Antrieben, zu Laden und Ladeinfrastruktur, zum Leben mit dem Elektroauto werden sie bei uns finden – mit verbesserten Fotos, Videos und optimaler Anpassung an die Bedienung auf dem Smartphone. Heute schon kommen 60 Prozent aller Suchanfragen übers Mobile.

Welche neuen Geschäftsfelder wollen Sie erschliessen?
Der nächste grosse Schritt wird der Online-Verkauf von Autos sein. Tesla macht es vor – die Marke setzt hunderte Autos am Tag online ab. Aber wir wollen dabei – wie immer – die Händler einbeziehen.

Spüren Sie den Druck neuer, agiler Start-ups?
Der Wandel der Autobranche vollzieht sich sehr schnell und wir müssen mit unserem Marktplatz dort nicht nur Schritt halten, sondern sogar vorausdenken. Wir haben das Glück einer guten Marktposition. Aber wir setzen diese aufs Spiel, wenn wir nicht auch innovativ und agil denken und handeln. Sind wir nicht innovativ, werden uns andere überholen.

Sehen Sie auch Entwicklungspotenziale im Bereich der allgemeinen Mobilität?
Wir bleiben dem Auto treu und wollen unsere Beziehungen zu Händlern und Importeuren noch ausbauen. Sie sind der Kern unseres Erfolges. Rund 80 Prozent aller in der Schweiz angebotenen Autos sind auf unserer Webseite vertreten. Da bleiben noch 20 Prozent Potenzial...

Bei aller Digitalisierung: Was möchten Sie sich auf jeden Fall analog erhalten?
Die Emotion beim Auto! Die Inspiration zum Autokauf wird sicher zunehmend digital erfolgen. Aber die Emotionalität des Autos lässt sich nur analog erleben.

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?