Sie werden breiter, länger, wuchtiger – und bewegen sich auf allen Vieren. Fast jede zweite Autokäuferin, jeder zweite Autokäufer in der Schweiz kauft sie heute: Allradfahrzeuge, Sport Utility Vehicles, abgekürzt SUVs. 48,4 Prozent der in den ersten sechs Monaten 2018 eingelösten Neuwagen sind fit für Stock und Stein, Schnee und Matsch – aber fahren meistens nur auf den aufgeräumten Strassen des Mittellandes.
«Ja, das ist der Trend», bestätigt Rudolf Blessing, Hüter aller Verkaufsstatistiken bei Auto-Schweiz, der Vereinigung der Schweizer Autoimporteure. Dahinter stecke der Wunsch nach mehr Sicherheit und Komfort. Gewinner bei den Marken ist der italienisch-amerikanische Hersteller Jeep: Von Januar bis Juni 2018 verkaufte er 55 Prozent mehr Fahrzeuge.
Parkfelder wachsen nicht mit
Wie weit Autos in die Breite gegangen sind, zeigt der ursprünglich schmale VW Golf besonders deutlich. Die Radiosendung «Espresso» hat nachgemessen: War der erste Golf 1974 ohne Rückspiegel gerade mal 1,61 Meter breit, hat er in den letzten 40 Jahren um volle 17 Zentimeter zugelegt. Ein Porsche Cayenne oder BMW X5 bringt es auf rund zwei Meter Breite.
Dumm nur: Während die neuen Autos auseinandergehen, wachsen die Parkplätze nicht mit. Problematisch ist das besonders in Parkhäusern; viele stammen noch aus den 60er- und 70er-Jahren und weisen heute noch Parkfelder auf, die im Schnitt 2,35 Meter breit sind.
Notwendig wären heute in einem Parkhaus mindestens 2,50 Meter, meint der Verband der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS), der praktisch alle Normen im Zusammenhang mit Verkehr festlegt, beispielsweise Fahrbahnbreiten, Tunnelmasse und eben: Parkplatzgrössen.
Noch keine Anpassung der Normen
Verbindlich für Bauherren sind die Normen des VSS nicht – vernünftigerweise dienen sie jedoch als Richtlinien. Wie stehen die Chancen, dass sich Parkplätze und -normen den erhöhten Komfortanforderungen anpassen, den längeren und breiteren Autos? «Es sind Bestrebungen im Gange», sagt man beim VSS, eine interne Kommission tagt. Ein Entscheid könnte nach den Sommerferien fallen.
Selbst bei Neuplanungen sind Änderungen nicht problemlos: Breitere Parkfelder entlang der Trottoirs schmälern die Fahrbahn – benachteiligt sind hier vor allem Velofahrer. Auch bestehende Parkhäuser lassen sich nur schwer anpassen. «In der Regel kann man nichts machen», sagt David Leuthard, Geschäftsleitungsmitglied der Parking AG Zürich.
Zürichs Parkplatzkompromiss
In der grössten Stadt der Schweiz mit dem dichtesten Verkehr betreibt sein Unternehmen zehn Parkhäuser der öffentlichen Hand: «Die meisten sind vor über 40 Jahren nach den damaligen Normen gebaut worden, mit einer durchschnittlichen Parkplatzbreite von 2,30 Metern.»
Selbst wenn der Wille für mehr Platz da wäre – gerade in Zürich ist der Weg versperrt. Der sogenannte historische Parkplatzkompromiss aus dem Jahr 1996 legte nach einem zähen politischen Streit zwischen Autogegnern und Autofans zwingend fest, dass die Anzahl der Parkplätze in der City und in citynahen Gebieten auf dem Stand von 1990 eingefroren wurde.
Bis heute sind 7622 Parkplätze vorgeschrieben, nicht mehr und nicht weniger. Ein Umbau auf breitere Parkplätze würde automatisch die Gesamtzahl reduzieren.
Mehr Platz für SUVs
Doch siehe da: Es gibt Ausnahmen! David Leuthard berichtet, dass die Stadtpolizei Zürich, die bis anhin im Parkhaus Hohe Promenade eine Etage mit beschlagnahmten Autos belegte, im Jahr 2012 neue Lokalitäten fand. Der Parkhausmanager: «Diese Parkfelder waren im Kompromiss nicht registriert und zum Ausbau frei.» So kommt es, dass in der obersten Parketage des städtischen Parkhauses beim Zürcher Bellevue statt 95 schmale Parkplätze seit einigen Jahren nunmehr 60 mit einer luxuriösen Breite von 2,70 Metern zur Verfügung stehen – reichlich Platz für fette SUVs.
Mehr Breite als üblich bietet auch das neue Opernhaus-Parkhaus: Dort respektierte man zwar eine Beschränkung auf die im Kompromiss vorgeschriebenen 299 Parkplätze. Dennoch sind die Parkfelder mit 2,60 Metern luxuriös breit. «Es war ein Bauherren-Entscheid», sagt Architekt Marc Zünd. «Man wollte, dass es das anspruchsvolle Opernhaus-Publikum bequemer hat.»