Diese Woche wurde das Autojahr 2020 neu gestartet. Nach zwei Monaten Corona-Lockdown durften die Schweizer Autohändler am Montag endlich wieder die Showrooms aufsperren. Die Vorfreude war gross, sagt Sener Gürler (37), VW-Verkaufsleiter bei der Amag Autowelt in Dübendorf ZH. «Das ganze Team brannte auf den Start. Es ist ein super Feeling, wieder direkten Kontakt mit unseren Kunden zu haben.»
Die Betriebe haben sich auf die Wiedereröffnung vorbereitet und für diese Woche vorab schon Kundentermine für Kaufberatungen vereinbart. Aber schon eine Viertelstunde nach Eröffnung stand um 8.15 Uhr der erste Kunde im VW-Showroom – ohne Termin! Auch bei der Emil-Frey-Garage Luzern-Littau freuten sich die Kunden auf die Wiedereröffnung, sagt Geschäftsführer Martin Oppliger (50). «Einige mussten wir sogar etwas bremsen und an die Abstandsregeln erinnern.»
Massnahmen kosten 6000 Franken
Die Schauräume durften nur unter Einhaltung von Hygiene- und Schutzmassnahmen geöffnet werden. Der Autogewerbeverband der Schweiz (AGVS) hatte dazu extra ein Konzept erarbeitet. So sorgen Plexiglasscheiben am Empfang oder am Arbeitsplatz des Verkäufers für ein sicheres Kundengespräch. Alle Autos im Showroom sind abgeschlossen und werden nach jedem Probesitzen desinfiziert. «Dafür haben wir Extra-Kleber auf dem Türspalt», erzählt Oppliger. «Ein fehlender oder beschädigter Kleber heisst: Das Auto muss noch gereinigt werden.» Laut Oppliger haben die Massnahmen die eher kleine Niederlassung Luzern-Littau zwischen 5000 und 6000 Franken gekostet. René Reymond (48), Leiter des Betriebsverbunds Amag Zürich Ost, kann noch nicht abschätzen, was die Massnahmen in der Autowelt Dübendorf, dem grössten Amag-Betrieb der Schweiz, gekostet haben.
Eines ist aber klar: Nicht zu öffnen, wäre teurer gekommen. Alleine im April sind die Neuzulassungen um 67 Prozent eingebrochen. Die Verluste der zwei Lockdown-Monate werden sich nicht aufholen lassen. Schliesslich sind März und April zwei der wichtigsten Verkaufsmonate des Jahres für die Autobranche. Ausserdem ist ein Auto nach dem Haus die zweitgrösste Anschaffung eines Schweizers. Wegen Kurzarbeit oder Angst vor Entlassungen könnte mancher vorerst auf einen Autokauf verzichten.
Camper sind gefragt
Umso wichtiger ist jeder Kunde. Dabei gibts unterschiedliche Gründe, meist dieselben wie vor dem Lockdown. Alessandro Giardina (22) liess sich vom neuen VW Golf zur Amag Dübendorf locken: «Er ist ein Kultauto, und ich habe mich vorher schon online informiert. Aber beim Auto bevorzuge ich das direkte Gespräch und schätze die Beratung.» Die Lancierung des im März gestarteten Golf ist wegen des Lockdowns ziemlich verhalten ausgefallen. Aber im Moment zieht sowieso ein anderes VW-Modell: der Camper California. «Einige Kunden suchen explizit Camper, um die Sommerferien in der Schweiz zu verbringen», erzählt René Reymond. «Am Dienstag verkauften wir sechs Stück davon. Das ist natürlich erfreulich, aber für ein einzelnes Modell auch aussergewöhnlich.»
Sonst sehen die Kaufgründe nicht anders als vor Corona aus: Der Leasingvertrag läuft aus, oder die Familienverhältnisse haben sich geändert, weshalb ein grösseres oder kleineres Auto nötig wird. Neukunden, die den öffentlichen Verkehrsmitteln den Rücken kehren, gab es bisher nicht. Allerdings kommt die Laufkundschaft auch eher samstags in die Showrooms.
Als schwierig stellt sich auch das Flottengeschäft heraus. Doch auch hier hoffen die Autohändler, dass Neuanschaffungen nur aufgeschoben sind und Geschäfts- wie Privatkunden zurückkehren, sobald die Zukunftsaussichten klarer sind.