Das Coronavirus hat die Autobranche fest im Griff und sorgt für massive Absatzrückgänge. François Launaz, Präsident des Importeursverbands Auto-Schweiz, hofft für die Zeit nach der Krise auf positive Grundstimmung – und ein Entgegenkommen des Bundes bei den CO2-Grenzwerten.
Minus 40 Prozent im März, minus 67 im April – die Corona-Krise sorgt für verheerende Absatzzahlen im Neuwagenmarkt. Haben Sie das in dieser Schärfe erwartet?
François Launaz: Ich habe schon ein Riesen-Minus erwartet, aber dieser April hat meine Befürchtungen noch übertroffen.
Was sind die Gründe dafür?
Seit Mitte März sind die Verkaufsräume geschlossen. Es ist eine einfache Rechnung: Mit jedem Tag im Lockdown verlieren wir 800 Fahrzeuge, die nicht verkauft werden.
Sind die Mitarbeitenden in Kurzarbeit?
Das muss man je nach Betrieb sehen. Manche Garage hat Verkauf und Werkstatt geschlossen, andere haben versucht, per Telefon oder online noch Autos zu verkaufen. Rund 80 Prozent des Verkaufspersonals sind in Kurzarbeit.
Fühlen Sie sich als Branche in der Öffentlichkeit ernst genommen?
Die Autobranche hat 225'000 Arbeitsplätze und erbringt 13 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Allein die Ems-Chemie macht 80 Prozent ihres Umsatzes mit der Autoindustrie; hinzu kommen die zahlreichen Zulieferer. Wir diskutieren über jede Branche – nur nicht über unsere. Es frustriert mich.
Wie sehen Sie die bundesrätlichen Lockdown-Massnahmen?
In solch einer Krise muss man schnell reagieren, und das hat der Bundesrat getan. Wichtig war dabei die Balance zwischen Gesundheitsschutz und den Bedürfnissen der Wirtschaft. Ob die Massnahmen richtig waren, werden wir erst in einigen Monaten beurteilen können. Sie haben sicher viele Leben gerettet.
Ab dem 11. Mai können Sie wieder öffnen. Ist die Branche dann parat?
Ich verstehe die Lockerungsstrategie nicht. Die Coiffeure dürfen seit dem 27. April arbeiten – aber die Hundecoiffeure nicht. Wieso diese Unterscheidung? Das ist mir nicht klar. Wir haben in Zusammenarbeit mit dem Garagistenverband AGVS dem Bundesrat und Seco ein Konzept geschickt, das alle Anforderungen an Hygiene und Social Distancing erfüllt. Einzige Antwort: ein standardisiertes E-Mail. Die Betriebe wären längst bereit, um wieder zu öffnen.
Wie wollen Sie das Ansteckungsrisiko minimieren?
Kunden kommen einzeln und nicht gleich im Dutzend, und meist nach Terminvereinbarung. So lassen sich die notwendigen und richtigen Abstandsregeln und Hygienemassnahmen problemlos einhalten. Das wäre auch in den vergangenen Wochen möglich gewesen.
Ein Auto kauft man nach reiflicher Überlegung. Machen zwei Wochen früher oder später wirklich einen Unterschied?
Normalerweise verkaufen wir zur Hochsaison zwischen März und Mitte Juni etwa 1500 Autos pro Tag. Während des Lockdowns gingen uns bisher 1,2 Milliarden Franken Umsatz, dem Staat rund 100 Millionen an Mehrwertsteuer und dem Strassenfonds rund 40 Millionen verloren. Nicht nur die Branche hat hier den Schaden. Und nach unserer Erfahrung werden wir nicht aufholen können, was im Frühling verloren geht.
Erwarten Sie nach der Öffnung wirklich einen Ansturm? Viele beschäftigt jetzt anderes als ein neues Auto.
Wir hoffen auf eine positive Grundstimmung. Natürlich werden manche jetzt andere Prioritäten setzen. Aber viele werden 2020 auch weniger Geld für Ferien ausgeben. Vielleicht werden dann Autokäufe vorgezogen.
Die Branche steht weltweit still. Erwarten Sie Lieferschwierigkeiten?
Das werden wir erst abschätzen können, wenn Werke und Lieferketten wieder voll in Funktion sind. Aber: Wenn etwa in Deutschland massive Kaufprämien kommen, dann werden grosse Fahrzeugkontingente dort abgesetzt. Möglicherweise bleiben dann kaum Autos für die Schweiz. Oder sie werden nach sechs Monaten als spottbillige Occasionen aus dem Ausland eingeführt. Zu Lasten der Schweizer Garagisten.
Würden Sie Kaufanreize für die Schweiz befürworten?
Bis vor der Krise war die Position von Auto-Schweiz klar: keine Subventionen, keine Zahlungen, sondern gute Rahmenbedingungen für die Branche. Nach der Krise müssen wir das vielleicht revidieren. Die Kunden brauchen einen Motivationsschub, und den könnte eine Prämie geben. Um Marktverzerrungen zu vermeiden, brauchen wir ähnliche Bedingungen wie im nahen EU-Ausland. Eine staatliche Förderung umweltfreundlicher Modelle wäre die richtige Richtung.
Gerade Stromer und Plug-in-Hybride haben im ersten Quartal 2020 sowieso zugelegt.
Auto-Schweiz hat sich für 2020 das Ziel eines zehnprozentigen Anteils von Steckerfahrzeugen gesetzt. Aber wir wissen nicht, wie viele Stromer wir bekommen werden. Und sie sind etwa 10'000 bis 15'000 Franken teurer. Wer jetzt sein Geld zusammenhält, kauft heute einen günstigeren Verbrenner und dann erst in fünf Jahren ein E-Auto.
François Launaz (65) amtiert seit 2014 als Präsident des Auto-Importeursverband Auto Schweiz. Nach einem Ingenieurs- und Wirtschaftsstudium und zwei Jahren in Pakistan für Escher-Wyss arbeitete er unter anderem in der väterlichen Garage und für Mercedes-Benz Schweiz. Ab 1989 verbrachte er seine weitere Laufbahn bei der Schweizer Honda-Dependance – als Verkaufsdirektor, General Manager und zuletzt als Vice President. Launaz ist zudem Vizepräsident des Stiftungsrats des Automobilsalons Genf und Stiftungsratsmitglied bei Auto Recycling Schweiz und lebt in Fribourg.
François Launaz (65) amtiert seit 2014 als Präsident des Auto-Importeursverband Auto Schweiz. Nach einem Ingenieurs- und Wirtschaftsstudium und zwei Jahren in Pakistan für Escher-Wyss arbeitete er unter anderem in der väterlichen Garage und für Mercedes-Benz Schweiz. Ab 1989 verbrachte er seine weitere Laufbahn bei der Schweizer Honda-Dependance – als Verkaufsdirektor, General Manager und zuletzt als Vice President. Launaz ist zudem Vizepräsident des Stiftungsrats des Automobilsalons Genf und Stiftungsratsmitglied bei Auto Recycling Schweiz und lebt in Fribourg.
Sie brauchen Stromer zur Einhaltung des für 2020 verschärften CO2-Grenzwerts. Schaffen Sie den nach der Krise?
Wir haben immer gesagt: Wir kämpfen für die Erreichung der Zielwerte. Aber selbst vor der Corona-Krise war das Erreichen von 95 g/km über die ganze Neuwagenflotte für 2020 nie möglich. Vor der Krise habe ich realistisch erst 2024 damit gerechnet. Mit der Krise dürfte es nun 2025 werden.
Warum?
Das Ziel 95 g/km wurde so kalkuliert, dass die Hersteller europaweit Druck verspüren, aber mit entsprechenden Anstrengungen es doch erreichen können. In der Schweiz war von vornherein klar, dass das Erreichen des Ziels bis 2020 unmöglich sein wird. Wir haben die EU-Regeln übernommen, wir haben dieselben Produkte, aber die realen Marktbedingungen hier sind völlig anders als im EU-Raum.
Was fordern Sie nun vom Bundesrat?
Wir brauchen eine Lösung, die uns nach der Corona-Krise nicht benachteiligt. Also eine Anpassung der CO2-Regeln an die neuen Bedingungen. Zusätzlich zum Umsatzverlust noch Belastungen durch CO2-Strafen zu haben, ist für uns nicht akzeptabel. Wir werden unsere Argumente vorbringen und hoffen auf Einsicht in Bern.
Das setzt Sie dem Vorwurf aus, die Krise als Vorwand für eine Aufweichung der CO2-Ziele zu benutzen.
Aber die Schliessung der Werke oder die Pandemie-Massnahmen liegen nicht in unserem Verantwortungsbereich. Natürlich rechne ich mit Widerstand und dem üblichen Lobbyismus-Vorwurf. Wir akzeptieren prinzipiell die Ziele – aber wenn umweltfreundliche neue Modelle nicht geliefert werden können, können wir keine Wunder vollbringen.
Im Jahr 2018 lagen wir in der Schweiz bei rund 138 g/km CO2. Versuchen Sie nicht nur, Zeit zu gewinnen?
Die CO2-Vorschriften wurden in der EU gemeinsam mit den Herstellern konzipiert, um erreichbare Regelungen zu haben. Und das finde ich auch richtig. Die Schweiz hat diese Regeln übernommen, aber wir als Adressaten sind Importeure, nicht Hersteller. Wir haben keinen Einfluss auf die Entwicklung umweltfreundlicher Technologien, sondern verkaufen das, was die Industrie uns liefert. Ich bin gespannt, was bei einer Einigung zwischen der EU und den Herstellern passieren wird: Wird die Schweiz diese dann auch übernehmen?
Was hören Sie dazu aus Bern?
Im Moment wird in Bundesbern diskutiert, das Phasing-in – also die schrittweise Einbeziehung der gross motorisierten Modelle – nur noch in diesem Jahr zu ermöglichen, statt wie bisher geplant bis einschliesslich 2022. Das bedeutet: Wir müssten von heute an in acht Monaten ohne Übergangsregelung den 95-Gramm-Wert erreichen. Die Folge wären Preiserhöhungen für 2021 wegen Strafzahlungen, die dann fällig werden. Das ist keine Lösung für wirtschaftlichen Aufschwung, es verlangsamt die Erneuerung des Fahrzeugparks und damit auch die CO2-Reduktion.
Mit welchen CO2-Strafen haben Sie vor Corona gerechnet?
Zwischen 200 und 300 Millionen Franken für 2020 bei den PW. Hinzu kommen die leichten Nutzfahrzeuge, für die in diesem Jahr erstmals ein CO2-Zielwert von 147 g/km gilt.
Und nach der Krise?
Es ist noch zu früh, um das abschätzen zu können.
Verändert Corona die Wahrnehmung des Autos?
Es gibt zwei Trends: In Genf sollen Strassen zu Veloflächen umgenutzt werden, weil der Verkehr jetzt stark zurückgegangen ist. Gleichzeitig setzen viele wegen des Ansteckungsrisikos im ÖV wieder aufs Auto. Diese Krise hat das Auto wieder neu ins Bewusstsein gerückt. Wenn alle wieder an die Arbeitsplätze zurückkehren, wird sich das Social Distancing in Zug und Tram kaum realisieren lassen.
Vor Corona bestimmte der Klimawandel die Diskussion. Und künftig?
Wir sollten die Corona-Krise nicht politisch und ideologisch instrumentalisieren, um Auto gegen ÖV auszuspielen. Sondern sie als Anlass nehmen, um vernünftige Konzepte gegenseitiger Ergänzung zu entwickeln. Für ÖV und Auto wird der Platz in der Schweiz gleichermassen knapp. Wieso nehmen wir nicht die gute Erfahrung des Homeoffice mit in die Nachkrisenzeit und reduzieren so die Pendlerströme? Zwei oder drei Tage pro Woche zu Hause arbeiten, wenn das möglich und sinnvoll ist, könnte die Infrastruktur massiv entlasten. Ich hoffe, dass wir uns das erhalten.
Stichwort Nachkrisenzeit: Wo wird der Neuwagenmarkt Ende Jahr stehen?
Letztes Jahr lagen wir bei 311'000 Autos. Wenn wir schaffen, was wir jetzt erwarten, werden wir das schlechteste Resultat seit den 1970er-Jahren erzielen: 240'000 Fahrzeuge.
Am 16. April informierte der Bundesrat, wie er den Lockdown schrittweise beenden will. In drei Phasen soll die Schweiz wieder zurück zur Normalität finden:
- Erste Etappe: Ab 27. April dürfen Spitäler und Zahnarztpraxen den Normalbetrieb wiederaufnehmen. Coiffeur-, Massage-, Kosmetik- und Tattoo-Studios können wieder Kunden bedienen. Baumärkte, Gartencenter, aber auch Blumenläden und Gärtnereien können zudem wieder öffnen.
Die Grossverteiler dürfen ab dann das gesamte Sortiment verkaufen. Und an Beerdigungen ist die weitere Familie des Verstorbenen und nicht nur der engste Familienkreis zugelassen. - Zweite Etappe: Am 11. Mai können die obligatorischen Schulen ihre Schulzimmer wieder öffnen. Zudem sollen alle Läden und Märkte ihre Waren wieder verkaufen dürfen.
- Dritte Etappe: Ab 8. Juni sollen Mittelschulen sowie Berufs- und Hochschulen wieder Präsenzveranstaltungen durchführen. Museen und Bibliotheken, botanische Gärten sowie Zoos sollen öffnen. Das bis dahin geltende Verbot von Menschengruppen mit mehr als fünf Personen könnte gelockert werden.
Wie geht es weiter für Restaurants? Was ist mit Open-Airs? In vielen Bereichen bestehen noch Unsicherheiten. BLICK beantwortet die aktuell wichtigsten Fragen zur Lockerung der Corona-Massnahmen.
Am 16. April informierte der Bundesrat, wie er den Lockdown schrittweise beenden will. In drei Phasen soll die Schweiz wieder zurück zur Normalität finden:
- Erste Etappe: Ab 27. April dürfen Spitäler und Zahnarztpraxen den Normalbetrieb wiederaufnehmen. Coiffeur-, Massage-, Kosmetik- und Tattoo-Studios können wieder Kunden bedienen. Baumärkte, Gartencenter, aber auch Blumenläden und Gärtnereien können zudem wieder öffnen.
Die Grossverteiler dürfen ab dann das gesamte Sortiment verkaufen. Und an Beerdigungen ist die weitere Familie des Verstorbenen und nicht nur der engste Familienkreis zugelassen. - Zweite Etappe: Am 11. Mai können die obligatorischen Schulen ihre Schulzimmer wieder öffnen. Zudem sollen alle Läden und Märkte ihre Waren wieder verkaufen dürfen.
- Dritte Etappe: Ab 8. Juni sollen Mittelschulen sowie Berufs- und Hochschulen wieder Präsenzveranstaltungen durchführen. Museen und Bibliotheken, botanische Gärten sowie Zoos sollen öffnen. Das bis dahin geltende Verbot von Menschengruppen mit mehr als fünf Personen könnte gelockert werden.
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