Das Ende von Alpine war kläglich. Genau 40 Jahre nach dem Autohändler und Rennfahrer Jean Rédélé 1955 die Sportwagen-Manufaktur aus dem Taufbecken gehoben hatte, stellte Renault die Produktion des Alpine A 610 Turbo sang- und klanglos ein. Die leuchtenden Augen der erwachsen gewordenen Quartettspieler, die sich in den 1970er- und 80er-Jahren an Flundern wie dem Alpine A110 oder dem futuristisch aussehenden Alpine A310 (Spitzname: «der französische Porsche») ergötzt hatten, verwandelten sich in Sehnsucht nach einem Comeback.
Die Hoffnung wurde stetig geschürt – und dennoch immer wieder enttäuscht: Erst machte die Krise Renault bei der Alpine-Reanimation einen Strich durch die Rechnung, dann platzte die unglückliche Liaison mit dem englischen Sportwagen-Hersteller Caterham wie eine Seifenblase. Immerhin lebte die Sportwagen-Marke durch Auftritte in Computer-Rennspielen wie «Gran Turismo» in der virtuellen Welt fort – und letztes Jahr drehte die Studie «Alpine Celebration» eine Demorunde beim 24 Stundenrennen von Le Mans.
Jetzt nehmen die Franzosen einen weiteren Anlauf und präsentierten vergangene Woche mit der Studie Alpine Vision einen Prototypen, der laut Renault-Chef Carlos Ghosn «sehr, sehr nahe am Serien-Fahrzeug ist». Der Plan steht: Im zweiten Quartal 2017 sollen ausgewählte Händler die ersten neuen Alpine-Modelle verkaufen dürfen. Damit der neue Hoffnungsträger der Sportwagenmarke auch ins rechte Licht gerückt wird, wählten die Franzosen nicht etwa den Genfer Autosalon, sondern Monaco als Präsentations-Ort. Schliesslich gewann 1971 ein Alpine A110 die Rallye Monte Carlo.
Um den Neuanfang zu zelebrieren, hatte Renault eine ganze Armada «alter» Alpines mitgebracht. Ursprünglich sollten 110 der formschönen Klassiker den Platz füllen. Das klappte nicht ganz. Letztlich liessen 88 Alpine A110 das Herz jedes Auto-Fans höher schlagen. Selbst der Hausherr, Prinz Albert von Monaco, schaute kurz vorbei und inspizierte den Sportwagen-Vorboten ganz genau. Konzernchef Carlos Ghosn genoss seinen Auftritt sichtlich. Schliesslich ist Alpine sein Baby. Daher liess er es sich auch nicht nehmen, eine Runde im Konzeptfahrzeug zu drehen. «Ich bringe Alpine zurück», verkündete Ghosn danach napoleonesque.
Das Design des Alpine Vision orientiert sich an den klassischen Formen des Alpine A110 Berlinette: Leicht geschwungene Kotflügel, scharfe Kanten und eine flache Motorhaube zitieren den legendären Vorfahren. Die Technik unter dem schicken Blechkleid stammt von Renault: Ein Vierzylinder-Turbo beschleunigt die Flunder in weniger als 4,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Damit lässt der Franzose locker einen 420-PS-Porsche 911 Carrera S stehen, der diese Standard-Übung in 6,4 Sekunden schafft.
Mehr wollten die Franzosen vorerst nicht verraten, pochen aber darauf, dass auch ein Technik-Transfer vom Renault-F1-Team, das in dieser Saison wieder an den Start geht, stattfindet. Die Spurtstärke des neuen Alpine wird traditionsgemäss nicht mit PS, sondern durch Leichtbau erkauft. «Der historische Alpine wog nur 600 Kilo», sagt Carlos Ghosn. So leicht wird das neue Auto zwar nicht, aber trotzdem deutlich weniger wiegen als andere Sportwagen.
Um Gewicht zu sparen, liessen die Designer selbst Teile des Interieurs unverkleidet. «Wir setzen auf Agilität und Sinnlichkeit», sagt der frisch gekürte Alpine-Chef Michael van der Sande, der früher bei Bentley arbeitete. Voraussichtlich wird auch das Serien-Fahrzeug über einen Vierzylinder-Turbo mit rund 270 PS verfügen und rund 90'000 Franken kosten. Und falls der erste Alpine ein Erfolg wird, werden weitere Modelle folgen. «Eine Marke kann man nicht nur mit einem Auto schaffen», stellt Renault-Chef Ghosn klar.
Im Cockpit lässt sich die Serie bereits erahnen: Die Instrumente werden auf einen digitalen TFT-Bildschirm projiziert und in der Mittelkonsole dient ein Touchscreen als zentrales Eingabe-Gerät. Da wird die technische Verwandtschaft mit Renault sichtbar. Der Material-Mix aus schicken Alu-Schaltwippen, Karbon-Elementen und Lederverkleidungen gefällt. Bleibt nur zu hoffen, dass möglichst viel davon in die Serie einfliesst. Produziert wird das Auto am traditionellen Alpine-Standort Dieppe (FR).