Neuer Rolls-Royce Ghost: Wird jetzt Luxus ganz günstig?
Die neue Bescheidenheit

Wo soll das noch hinführen? Schon der kleine Rolls-Royce ist über 5,50 Meter lang. Dabei wollte die Luxusmarke beim neuen Ghost bewusst ein wenig tiefer stapeln.
Publiziert: 14.10.2020 um 01:04 Uhr
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Rolls-Royce lanciert die zweite Generation des Ghost.
Foto: Enes Kucevic
Wolfgang Hörner

Eines kann man Rolls-Royce nicht vorwerfen: Der britische Luxushersteller hört seinen Kunden genau zu. Viele von ihnen sind am Stammsitz im südenglischen Goodwood persönlich bekannt, alle anderen zumindest namentlich. «Wir sind der Hersteller mit dem engsten Kontakt zu seinen Kunden», erklärt Rolls-Royce-Chef Torsten Müller-Ötvös. Während andere mit klinischen Studien versuchen, den Geschmack der Kundschaft abzuschätzen, wählt man bei Rolls-Royce den direkten Weg – etwa beim Abendessen mit dem CEO. So erfuhr Müller-Ötvös zum Beispiel, wie sich Ghost-Besitzer den neuen Ghost vorstellen: Weniger wäre mehr, so die einhellige Meinung.

Post-Opulenz nennen sie das bei Rolls-Royce. Die Ghost-Grösse ist damit jedenfalls nicht gemeint: Die zweite Generation ist nämlich neun Zentimeter länger und drei breiter. Und man muss genau hinschauen, um die Modelle zu unterscheiden: Der Frontgrill fällt beim Neuen dezenter aus und die berühmte Kühlerfigur wurde etwas zurückversetzt. Technisch aufwändig, weil die Spirit of Ecstasy beim Öffnen der Motorhaube millimetergenau durch eine Aussparung passen muss. Reduktion à la «Keep it simple» sieht anders aus.

Post-Opulenz im Innenraum

Offenkundiger wird die Post-Opulenz im Innenraum. Edelholz und Leder, wohin man blickt, doch es wirkt im Vergleich zum Vorgänger reduzierter. Die lange Ziernaht quer über die gesamte Armaturentafel ist dabei der Stolz der Designer: Die längst Naht im Automobilbau setzt höchstes handwerkliches Können voraus – ein wichtiges Detail, wenn selbst Massenmarken schon ihre Modellen mit Sticheleien verzieren.

AUch bei Instrumenten und Tasten wurde aufgeräumt: Dass im neuen Ghost nun modernes Infotainment und viele Fahrerassistenzsysteme von Konzernmutter BMW Einzug hielten, ist den veränderten Nutzungsgewohnheiten geschuldet. «Inzwischen werden rund 80 Prozent aller Ghost vom Besitzer selbst gefahren», sagt Müller-Ötvös. «Selbst aus China hören wir, dass viele Kunden unter der Woche mit Chauffeur unterwegs sind, am Wochenende aber selbst am Steuer sitzen.» Trotzdem kommt der Luxus für die Fondpassagiere nicht zu kurz. Das zeigen die wie üblich gegenläufig angeschlagenen hinteren Türen, die sich nicht nur auf Tastendruck schliessen, sondern erstmals auch elektrisch öffnen.

571 PS, 4x4 und Allradlenkung

Wer aber selbst am Steuer Platz nimmt, erlebt den grössten Fortschritt. Rund 2,5 Tonnen Leergewicht und 3,3 Meter Radstand lassen eine eher schwerfällige Luxuslimousine erwarten. Nichts da, dank des 6,75 Liter grossen V12-Motors. Mit 571 PS und 850 Nm maximalem Drehmoment sorgt er dafür, dass der Ghost trotz seiner Masse nie untermotorisiert wirkt. Dazu kommen Allradantrieb und Allradlenkung. Gerade die mitlenkenden Hinterräder sind sowohl bei schneller Fahrt als auch beim Manövrieren ein Gewinn. Fast schon gespenstisch agil, der neue Ghost.

Revolutionäres Federungssystem

Der wohl verblüffendste Effekt kommt aber von der Vorderachse. Das sogenannte Planar-Federungssystem ist, vereinfacht formuliert, eine Federung des Federungssystems – und eine absolute Weltneuheit. Während elektronische Federungssysteme dem Fahrer oft ein künstliches Fahrgefühl vermitteln, wirkt der Ghost mit diesem mechanischen System stets ehrlich und lässt soviel von der Strasse spüren, wie man für Fahren auch wissen muss. Dass dabei die elektronisch einstellbaren Dämpfer mit einem Videosystem zusammenarbeiten, das die vorausliegende Strasse liest und sich so vorausschauend anpassen, ist ein weiteres Plus. Zumindest bei der Technik bleibt der Ghost opulent – und beim Preis von mindestens 300’000 Franken auch.

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