Er hatte den Machtkampf gegen seinen einstigen Ziehsohn, VW-Konzernchef Martin Winterkorn (67), angezettelt – und hat ihn verloren: Nach dem Rücktritt von Aufsichtsratsboss Ferdinand Piëch (78) stellen sich nun folgende Fragen: Wer folgt an die Aufsichtsratsspitze? Verkauft Piëch seine VW-Anteile, und was passiert mit dem VW-Konzern?
Noch ist alles Spekulation. Fakt ist: Derzeit übernimmt das VW-Aufsichtsrats-Präsidiumsmitglied Berthold Huber (65) kommissarisch den Vorsitz. Als Übergangslösung, weil man sich für die Suche nach dem Piëch-Nachfolger Zeit lassen will. Der VW-Aufsichtsrat wartet ab, ob Piëch, nachdem er an Einfluss verloren hat, wohl seine VW-Anteile verkauft (siehe Box unten). Die Familien Porsche und Piëch haben ein Vorkaufsrecht, falls ein Familienmitglied seine Anteile versilbert. Als Favoriten für den VW-Aufsichtsratsvorstand werden neben Martin Winterkorn und dem früheren BMW-Manager und Holcim-Verwaltungsratspräsident Wolfgang Reitzle (66) auch Namen aus dem Porsche-Piëch-Clan genannt. Wie Wolfgang Porsche (71), ein Cousin Piëchs und derzeit Chef der Porsche Holding PSE, über welche die Familien Piëch und Porsche ihre Anteile an VW halten. Oder Florian Piëch (52), Sohn von Piëchs älterem Bruder Ernst (86). Wir wagen mal die Prognose, dass Winterkorn als neuer VW-Aufsichtsratschef ausgerufen wird – falls sich alle auf den Porsche-Chef Matthias Müller (61) als künftigen VW-Konzern-Chef einigen. Das könnte Piëch besänftigen, dessen Wunschkandidat Müller gewesen wäre – und die hinter Winterkorn stehende Porsche-Familie ebenfalls befrieden.
Das Ende der Piëch-Ära muss VW dringend auch für neue Konzernstrukturen nutzen, fordert unter anderem Betriebsratschef Bernd Osterloh (58). Bislang wurde der Konzern mit den zwölf Marken zentralistisch mit eiserner Hand aus Wolfsburg regiert. Besser wäre ein dezentrales System. «So, wie die Nutzfahrzeuge eine eigene Sparte bilden, um optimal arbeiten zu können», so Osterloh, «müssen wir auch andere Potenziale in Sparten bündeln.»
Denkbar wäre etwa die Bündelung der Premiummarken Audi, Bentley und Porsche oder der Volumenmarken Seat, Skoda und VW. Ob Winterkorn das als Konzernlenker noch wagt, bleibt abzuwarten. Wie sagte Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg einst über den Technokraten Winterkorn? «Seine Stärke ist es, auch die letzte Schraube an der Sitzverstellung zu optimieren – aber nicht die Strategie des Unternehmens.»
Ferdinand Piëch, Enkel des legendären Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche, ist eine der schillerndsten Figuren der Autobranche. Als unanfechtbarer Patriarch machte der gebürtige Wiener, der in einem Schweizer Internat zur Schule ging und an der ETH Zürich Maschinenbau studierte, Volkswagen zum Weltkonzern. Nun tritt der in Salzburg residierende Piëch den Vorstandsvorsitz ab, behält aber Einfluss, indem er weiter 6,7 Prozent der VW-Stammaktien mit einem Börsenwert von gegenwärtig knapp 1,8 Milliarden Franken hält.
Nach dem Studium stieg Piëch einst bei seinem Onkel Ferry Porsche ein, wo er ab 1965 die Entwicklung leitete. Wegen Familienstreitereien musste er gehen und wechselte zu Audi. Dort wurde er Leiter der Entwicklung, dann Vorstandschef. 1993 stieg er zum VW-Konzernboss auf und trat dieses Amt 2002 an Bernd Pischetsrieder ab, den er fünf Jahre später durch Winterkorn ersetzte. Piëch selbst behielt die Macht und zog im Aufsichtsrat weiter die Fäden. Ein Journalistenkollege erklärt das so: «Wäre VW eine Religionsgemeinschaft, erfüllte Winterkorn die Rolle des obersten Apostels. Piëch aber war der Gott.»
In Mitarbeiterkreisen kursieren Legenden über den «Alten», wie sie ihn bei VW nennen. Er galt als detailversessener Stratege, der sich nach aussen reserviert gab, nach innen aber kräftig austeilen konnte und keinen Konflikt scheute. So gewann Piëch vor drei Jahren auch die Übernahmeschlacht gegen Porsche, servierte dort Wendelin Wiedeking ab und integrierte die Marke – wie zuvor Seat, Skoda, Bentley, Lamborghini, Bugatti, Ducati oder Scania und MAN. Piëchs Wort war das Mass der Dinge. Bis vor einer Woche. Der «Alte» hatte sich verrechnet, als er trotz der Stärkung von Winterkorn durch das Aufsichtsratspräsidium offenbar Porsche-Chef Müller anfragte, ob er übernehme. Das war zuviel.
Raoul Schwinnen
Ferdinand Piëch, Enkel des legendären Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche, ist eine der schillerndsten Figuren der Autobranche. Als unanfechtbarer Patriarch machte der gebürtige Wiener, der in einem Schweizer Internat zur Schule ging und an der ETH Zürich Maschinenbau studierte, Volkswagen zum Weltkonzern. Nun tritt der in Salzburg residierende Piëch den Vorstandsvorsitz ab, behält aber Einfluss, indem er weiter 6,7 Prozent der VW-Stammaktien mit einem Börsenwert von gegenwärtig knapp 1,8 Milliarden Franken hält.
Nach dem Studium stieg Piëch einst bei seinem Onkel Ferry Porsche ein, wo er ab 1965 die Entwicklung leitete. Wegen Familienstreitereien musste er gehen und wechselte zu Audi. Dort wurde er Leiter der Entwicklung, dann Vorstandschef. 1993 stieg er zum VW-Konzernboss auf und trat dieses Amt 2002 an Bernd Pischetsrieder ab, den er fünf Jahre später durch Winterkorn ersetzte. Piëch selbst behielt die Macht und zog im Aufsichtsrat weiter die Fäden. Ein Journalistenkollege erklärt das so: «Wäre VW eine Religionsgemeinschaft, erfüllte Winterkorn die Rolle des obersten Apostels. Piëch aber war der Gott.»
In Mitarbeiterkreisen kursieren Legenden über den «Alten», wie sie ihn bei VW nennen. Er galt als detailversessener Stratege, der sich nach aussen reserviert gab, nach innen aber kräftig austeilen konnte und keinen Konflikt scheute. So gewann Piëch vor drei Jahren auch die Übernahmeschlacht gegen Porsche, servierte dort Wendelin Wiedeking ab und integrierte die Marke – wie zuvor Seat, Skoda, Bentley, Lamborghini, Bugatti, Ducati oder Scania und MAN. Piëchs Wort war das Mass der Dinge. Bis vor einer Woche. Der «Alte» hatte sich verrechnet, als er trotz der Stärkung von Winterkorn durch das Aufsichtsratspräsidium offenbar Porsche-Chef Müller anfragte, ob er übernehme. Das war zuviel.
Raoul Schwinnen