Nutzfahrzeuge und Elektrifizierung – das war bisher keine Liebesbeziehung. Zu hoch die Kosten für den E-Antrieb, zu gering der Nutzen im Vergleich zu einem Dieselmotor. Jetzt bröckelt auch diese Front: Ford setzt den Kastenwagen Transit Custom und den Kleinbus Tourneo Custom unter Strom. Letzteren konnte BLICK in einem ersten Test auf die Probe stellen.
Dabei geht Ford einen ganz eigenen Antriebsweg und setzt bei seinem leichten Nutzfahrzeug auf einen seriellen Hybrid-Antriebsstrang – ähnlich wie das Opel vor Jahren schon beim ersten Ampera gemacht hat. Im Gegensatz zu einem heute weit verbreiteten parallelen Plug-in-Hybrid-System (wie etwa im neuen Skoda Octavia RS) arbeitet der Einliter-Dreizylinder unter der Haube nicht, um den Tourneo zu beschleunigen, sondern dient lediglich als Range Extender, sprich Reichweitenverlängerer, um bei Bedarf die Batterie wieder aufzufüllen. Dieser 13,6-kWh-Akku sitzt im Unterboden und soll den Tourneo bis zu 40 Kilometer (nach WLTP-Zyklus) weit bringen.
Stolzes Gewicht, wenig Zuladung
Der Start in das Elektroabenteuer Kleinbus beginnt angenehm: Dank des Drehmoments von 355 Newtonmetern und der Kraft des Elektromotors mit 92 kW (126 PS) tritt der Fronttriebler geschmeidig-kräftig an und kann im Stadtverkehr entspannt mithalten. Gerade für Personentransport-Unternehmen bietet sich dieser Einsatzzweck an, da der Tourneo Custom bis zu acht Sitzplätze bietet. Allerdings beläuft sich das Gewicht der Plug-in-Version auf 2600 Kilo! Bei der Zuladung stehen deshalb nur 566 Kilo im Datenblatt. Beim Kastenwagen Transit sinds deutlich mehr.
Das Fahren an sich gibt wenig Rätsel auf: Vom erhöhten Fahrersitz aus hat man die Umgebung bestens im Blick und das Rangieren fällt dank einer Rückfahrkamera ebenfalls leicht. Nur die Lenksäule ist nicht ganz optimal platziert, so dass grössere Fahrer mit den Beinen ab und an hängen bleiben. Schiebt man den Automatikhebel auf «L», rekuperiert der Tourneo beim Gaswegnehmen so gut, dass auch One-Pedal-Fahren möglich ist. Das Stromern macht mit dem Tourneo Spass, zumal wir uns wegen der erhabenen Sitzposition ohnehin wie der König der Landstrasse fühlen. Als Höchstgeschwindigkeit gibt Ford für die Schweiz Autobahngerechte 120 km/h an – höhere Geschwindigkeiten würden den Akku ohnehin noch schneller leer saugen.
Mit oder ohne Verbrenner
Insgesamt vier Fahrprogramme stehen zur Verfügung. Der Fahrmodus «EV-Auto» ist die Standardeinstellung: Das System entscheidet, ob der Verbrennungsmotor seiner Lade-Aufgabe nachkommen soll oder nicht. Bei «EV Jetzt» bewegt sich der Kleinbus rein elektrisch, während bei «EV Später» der Ladezustand der Batterie für späteres Stromern durch den Dreizylinder-Motor gehalten wird. Ausserdem kann mit «EV Aufladen» die Batterie während der Fahrt durch den Verbrenner wieder aufgeladen werden – was dann allerdings auch entsprechend Sprit braucht. Praktisch: Auf Wunsch bietet Ford jetzt auch eine nachrüstbare Geofencing-Funktion, mit der ein Bereich definiert werden kann, in dem der Tourneo Custom nur rein elektrisch fährt.
Der Dreizylindermotor ist kein klassischer Generator, der unermüdlich mit gleichbleibender Geschwindigkeit Saft in die Batteriezellen schaufel. Der Benziner koppelt seinen Einsatz an den rechten Fuss des Fahrers: Drückt der aufs Gas, schnellt auch die Drehzahl des Benziners nach oben, was dann zu einem deutlichen Aufheulen führt und den Durst erhöht. Die Konsequenz: Während Ford für die ersten 100 Kilometer einen Verbrauch von 3,6 Liter plus Strom für den Akku angibt, standen im Test am Ende 6,1 Liter im Display. Und auch punkto Reichweite waren wir unterhalb der Katalogangabe: Lediglich 34 rein elektrische Kilometer schafften wir, wobei wir den Bus nicht einmal über die Autobahn gescheucht haben.
Nur für die Stadt sinnvoll
Beim Laden gibt sich der Tourneo Custom Plug-in-Hybrid unkompliziert. An einer handelsüblichen Haushaltssteckdose dauert es knapp viereinhalb Stunden, bis die Batterie wieder voll ist. Da der Onboard-Lader auch dreiphasiges Laden mit 3,6 kW ermöglicht, verkürzt sich die Standzeit dann auf etwas mehr als zweieinhalb Stunden. Damit ist auch der ideale Einsatzzweck des Stecker-Tourneo hinreichend definiert: innerstädtische Strecken mit Lademöglichkeiten – am besten sowohl am Ausgangs- als auch am Zielort. Denn sonst ist die Plug-in-Hybridversion mit einem Basispreis von wohl mindestens 65'000 Franken ein ziemlich teurer Spass. Vor allem, wenn man den Grundpreis des Diesels mit 130 PS betrachtet, der ab 47'400 Franken deutlich tiefer startet.