Noch vor drei Jahrzehnten gabs bei Mercedes im Wesentlichen C-, E- und S-Klasse, bei BMW vor allem 3er, 5er und 7er und bei VW kaum mehr als Polo, Golf und Passat. Heute überfordert die Vielfalt der Marken mit all ihren verschiedenen Karosserie- und Antriebsvarianten, Ablegern und Kürzeln als Modellnamen nicht nur Kunden, sondern auch Händler – und uns Auto-Journalisten.
Die Probleme der Modellvielfalt
Doch immer strengere gesetzliche Rahmenbedingungen (CO2-Vorschriften, Umstellung auf neuen Messzyklus WLTP) verunmöglichen es den Herstellern, diese breitgefächerten Mega-Portfolios länger aufrechtzuerhalten. Alleine die laufend steigenden Entwicklungskosten für E-Autos verunmöglichen es, parallel dazu unzählige Verbrenner-Varianten und Modelle zu finanzieren – vor allem dann, wenn sichs um wenig Marge einfahrende Nischenmodelle handelt. Denn das laufende Geschäft muss ja schliesslich die Investitionen in die Stromzukunft finanzieren.
Der Fall Mercedes
Deshalb kündigte schon vor Monaten der designierte Mercedes-CEO und aktuelle Daimler-Entwicklungsvorstand Ola Källenius an, dass das vielfältige Modellangebot schrumpfen wird. Kein Wunder: Kaum ein Konzern hat seine Palette in den letzten Jahren so stark aufgefächert wie Daimler. Ein Beispiel: Anno 1989 gabs genau zwei Cabrios – E-Klasse und SL. Zählt man den offenen Cityfloh Smart Fortwo dazu, bietet der Konzern derzeit sieben Cabrios: Smart, Mercedes C, E, S, SLC, SL, AMG GT – eine breite Auswahl für ein rückläufiges Nischensegment.
Nische in der Nische
Daher dürfte es beschlossen sein, dass es von der nächsten C- und S-Klasse-Generation kein Cabrio mehr gibt. Auch der nicht mehr besonders gefragte SLC (1996 erfolgreich als SLK mit Klappdach gestartet) könnte gestrichen werden. Dafür soll der nächste SL nach den beiden zuletzt wenig erfolgreichen Generationen auf der Plattform des kommenden AMG GT als 2+2-Sitzer neu aufleben. Ebenfalls auf dem Prüfstand dürften die Coupés der C- und E-Klasse sein sowie nach Lancierung des AMG GT 4-Türers der CLS. Und einige der inzwischen auf acht Derivate angewachsenen Familie rund um die aktuelle A-Klasse könnten bald verschwinden.
Auch BMW räumt auf
Eine ähnliche Schrumpfkur dürfte Rivale BMW bevorstehen. Bereits jetzt steht fest, dass es vom neuen 3er keine GT-Variante mehr geben wird, obwohl diese erst vor zwei Jahren aufgefrischt wurde. Ein ähnliches Schicksal blüht dem 6er GT als Nachfolger des glücklosen 5er GT. Das Doppelpack aus 2er Active Tourer und Gran Tourer wird auf einen grösseren 2er Active Tourer reduziert. Und selbst das beliebte 2er Cabrio soll auf der Kippe sein. Mit Blick auf die ab Mitte 2020 kommenden E-Modelle i4 und iNext dürften längerfristig eng beieinanderliegende Typen wie 3er Limousine und 4er Gran Coupé oder X1 und X2 auch wieder zusammengefasst werden.
Hier streicht der VW-Konzern
Die «Modellbereinigungsprogramme» bei Daimler und BMW sind nur zwei Beispiele. Bei vielen weiteren Herstellern laufen ähnliche Bestrebungen. So will Audi entgegen früheren Überlegungen nun zwar doch am TT als bezahlbaren Imageträger festhalten. Was aber wiederum das Aus für den Supersportler R8 bedeuten könnte. Und Konzernmutter Volkswagen dürfte den Rotstift beim wenig Rendite abwerfenden Kleinstwagen-Trio VW Up, Seat Mii und Skoda Citigo ansetzen. Für den Konsumenten hats positive Aspekte: Das Modellangebot wird wieder übersichtlicher – und bis es soweit ist, dürfte es zum einen oder anderen Preis-Schnäppchen kommen.