Egal, ob in Aschheim (D), Dudenhofen (D), Ehra-Lessien (D), Arjeplog (S) oder Phoenix (USA) – auf den Testgeländen der internationalen Autohersteller gehts zu und her wie beim Geheimdienst. Tarnen und Täuschen sind das Wichtigste auf den streng bewachten Teststrecken. Zutritt für Journalisten? Nur ausnahmsweise und ganz bestimmt ohne Kamera. Schliesslich sollen die getarnten Fahrzeug-Prototypen im 24-Stunden-Testbetrieb unter Ausschluss der Öffentlichkeit ihre Runden drehen.
Beispiel Hyundai: Die Koreaner mit ihren Konzernmarken Hyundai, Kia und Genesis unterhalten nicht nur ein streng gesichertes Testcenter im südkoreanischen Namyang, sondern – mit Blick auf den wichtigen US-Markt – ein weiteres am Fusse der kalifornischen Mojave-Wüste. Dieses 2005 eröffnete Gelände rund eineinhalb Fahrstunden nordöstlich von Los Angeles ist mit mehr als 1700 Hektar Fläche riesig. Zum Vergleich: Das Areal des Flughafens Zürich-Kloten ist nur halb so gross. Neben zahlreichen On- und Offroadpisten gibts auf dem Hyundai-Gelände ein rund zehn Kilometer langes Highspeed-Oval, einen vier Kilometer langen Handlingparcours, Berg-und-Tal-Fahrten sowie Kopien von Fahrbahnen und Belägen aus der ganzen Welt.
50 Mitarbeiter für 1700 Hektar Fläche
«Unser Testgelände in den USA stellt sicher, dass wir weiterhin Fahrzeuge von höchster Qualität entwickeln können. Fahrzeuge, die sowohl Verbraucher auf diesem Markt als auch weltweit ansprechen», begründet der zweite Hyundai-Vorsitzende Kim die Aktivitäten in Amerika. Aber obwohl das weitab jeglicher Zivilisation gelegene Hyundai-Testareal gigantisch ist, arbeiten auf dem kalifornischen Gelände im Normalfall nicht mehr als 50 Personen.
Auch Nissan betreibt im Konzernverbund mit Renault, Infiniti und Mitsubishi ein vergleichbares Testzentrum in der Nähe von Phoenix im Bundesstaat Arizona. Während auf dem Handlingkurs getarnte Fahrzeuge der Japaner ihren fahrdynamischen Feinschliff erhalten, spulen auf dem Zehn-Kilometer-Rundkurs zeitgleich zwei Harley-Motorräder ihre Runden im Dauerlauf ab. Nissan vermietet sein Testcenter auch an die US-Töfffirma oder den Kooperationspartner Daimler, der hier in der Bullenhitze seine Mercedes-Prototypen grillt. Dass der Alltag von Testingenieuren nicht immer spannend oder glamourös ist, beweist jener bedauernswerte Techniker, der mit einem Prototypen des Nissan Pick-up stundenlang immer wieder besonders hohe Bordsteinkanten rauf- und runterfährt, die eigens für diesen Fahrwerkstest aufgebaut wurden.
Kurze Wege sparen Zeit und Geld
Apropos Daimler: Die Deutschen haben erst letztes Jahr ein neues Areal im Schwarzwald in Betrieb genommen. Einst probte dort in Immendingen die Bundeswehr – ebenfalls weitab der Zivilisation – den kriegerischen Ernstfall. Nachdem die Armeefahrzeuge verschwunden und die Altbestände sowie Munition aufgeräumt waren, baute Daimler das Areal mit grossem Aufwand um. Die Investition hat sich gelohnt. Denn nun können die Testingenieure von Mercedes und Smart zwölf Monate im Jahr einen Grossteil ihrer Fahrzeugtests nur eineinhalb Stunden südlich von der Zentrale in Stuttgart durchführen und dadurch die bisherigen Aufwendungen für Reisen und Logistik stark minimieren.
Wintertests auf zugefrorenen Seen
Wie die Konkurrenz betreibt auch BMW mehrere Testcenter. Während das kalifornische Oxnard mehr eine Station für Testfahrten auf öffentlichen Strassen ist, siehts auf den abgesicherten Geländen in Aschheim bei München oder im südfranzösischen Miramas ganz anders aus. Dort fahren streng geheime Prototypen rund um die Uhr, an sieben Tagen in der Woche – geschützt vor den Blicken und Kameras der Öffentlichkeit. Zudem betreibt BMW seit einigen Jahren ein Wintertest-Areal in der Nähe des nordschwedischen Arjeplog, wo zwischen Dezember und Februar fast alle Autohersteller ihre Wintertests auf Schnee und Eis fahren. Dazu werden die im Winter zugefrorenen Seen zu Quadratkilometer grossen Testarealen umgewandelt – insbesondere für Tests von Fahrdynamik und Assistenzsystemen. Nachts gehts dann mit Tarnfolie raus auf die öffentlichen skandinavischen Strassen, um weitere Testkilometer in klirrender Kälte abzuspulen. Und weils fast alle tun, vervielfacht sich so in den Wintermonaten die Einwohnerzahl des sonst eher verschlafenen Städtchens.
Porsche bleibt gerne in der Heimat
Porsche ist wie die anderen Marken des Volkswagen-Konzerns (Audi, Seat, Skoda und VW) gleich auf mehreren Konzern-Testgeländen unterwegs. Am liebsten testen sie jedoch in heimischen Gefilden, in Weissach unweit von Stuttgart (D). Da können die Fahrzeuge gleich neben dem Entwicklungszentrum mal kurz ein paar Testrunden drehen, bevor an den einzelnen Komponenten weiter experimentiert wird. Reicht das nicht oder ist die ebenfalls beliebte Hochgeschwindigkeitsstrecke im süditalienischen Nardo nicht frei, gehts auch mal nach Ehra-Lessien nördlich von Hannover, wo VW ein gigantisches Testareal betreibt.
200 Millionen Testkilometer in Dudenhofen
Opel – mittlerweile zum französischen PSA-Verbund gehörend – betreibt schon seit den 60er-Jahren ein zentrales Testzentrum in Dudenhofen (D) im Grossraum Rhein-Main. Auf diesem Areal gibts mehr als 70 Kilometer Strecke, inklusive Hochgeschwindigkeits-Rundbahn, Skid Pads – unter anderem zum Abstimmen der Fahrassistenten bei Querbeschleunigung, Airbag-Labor und Klimakammer. Über mehr als fünf Jahrzehnte haben dort sämtliche Opel-Modelle auf dem Weg zur Serienreife über 200 Millionen Testkilometer zurückgelegt.
Kein Zutritt für Unbefugte
Zutritt zu all den erwähnten Testzentren gibts für Nicht-Mitarbeiter keinen. Und wenn, dann höchstens auf Einladung mit Besucherbadge und erst nach einem scharfen Sicherheitscheck am Eingang, wo dann auch Geräte wie Handy, Laptop oder Fotokamera zu deponieren sind. Denn welcher der Hersteller will schon, dass seine geheimen Neuheiten der nächsten Jahre aufgedeckt werden?