Corona-Krise
Autobranche hofft auf Lockerung der CO2-Grenzwerte

Das Coronavirus trifft auch die Autoindustrie knüppelhart. Die Branche kämpfte aber schon vor Ausbruch der Pandemie – mit dem seit Januar verschärften CO2-Grenzwert. Nun hofft sie auf Aufschub dieser Vorgabe, um drohende Milliarden-Strafzahlungen zu vermeiden.
Publiziert: 01.04.2020 um 01:13 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2020 um 15:39 Uhr
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Das dürfte Greta Thunberg und alle anderen Umweltbewussten kaum freuen. Die Autobranche hofft wegen des Coronavirus ...
Foto: Guardian / eyevine / laif
Raoul Schwinnen

Das dürfte zu Reden geben! Die durchs Coronavirus und die komplette Stilllegung der Produktionsanlagen bereits arg gebeutelte Autobranche möchte sich etwas Luft verschaffen: Seit Januar gelten verschärfte CO2-Grenzwerte für die Neuwagenflotten. Jetzt hofft die Industrie, dass die EU diese CO2-Ziele lockert. Hinter den Kulissen laufen offenbar bereits Gespräche und Verhandlungen. So möchten die Autohersteller bei noch länger anhaltender Corona-Krise die für 2021 vereinbarte Stufe der CO2-Regulierung verschieben und die vermutlich anfallenden CO2-Strafen in Milliardenhöhe aussetzen lassen.

VW-Konzernchef Herbert Diess meint zwar, dass er sehr wohl von Diskussionen um ein «milderes CO2-Strafregime» wisse, sein Konzern sich aber nicht daran beteilige. «Eine Aussetzung der CO2-Strafzahlungen wird derzeit bei Volkswagen nicht diskutiert», heissts vom VW-Konzernsprecher offiziell. Auch Daimler-CEO Ola Källenius erklärte öffentlich: «Wir gehören nicht zu denen, die sich um eine Veränderung der Emissionsrichtlinien bemüht haben.»

Ex-EU-Kommissar fordert Lockerung

Die Branche erhält aber prominente Unterstützung durch den ehemaligen deutschen EU-Kommissar, CDU-Mann und Politikberater Günther Oettinger, der sich gegenüber der deutschen «Automobilwoche» für eine Lockerung der CO2-Ziele stark macht. «Die Politik darf nicht auf Vorgaben beharren, die unter anderen Geschäftsgrundlagen beschlossen wurden.» Niemand könne vorhersehen, wie sich der Mix der Fahrzeuge und der Anteil an Elektroautos in diesem oder nächstem Jahr angesichts der Krise verändern werde. Deshalb schlägt Oettinger vor, die Hersteller sollten ihre Verkäufe und den CO2-Ausstoss transparent machen und das Gespräch mit der EU in Brüssel suchen, falls die Ziele wegen der Krise unerreichbar werden.

Es drohen bis zu 20 Milliarden Euro Strafe

Gemäss verschiedenen Studien drohen den europäischen Herstellern Strafen von 15 bis 20 Milliarden Euro, wenn der Flottengrenzwert von durchschnittlich 95 g CO2/km bis 2021 nicht erreicht wird. Oettinger betont: «Wir reden hier über eine Schlüsselindustrie mit vielen Millionen Arbeitsplätzen in ganz Europa, deren Wettbewerbsfähigkeit es unbedingt zu erhalten gilt.»

Man hofft auf unkomplizierte Lösungen

Natürlich blicken auch die Schweizer Autoimporteure gespannt nach Deutschland und Brüssel. So sagt Amag-Sprecher Dino Graf: «Das Erreichen der CO2-Vorgaben verlangt eine grosse Zahl rein oder teilweise elektrisch angetriebener Fahrzeuge.» Durch die Corona-Pandemie dürfte in den kommenden Monaten sowohl die Nachfrage nach E-Autos und Plug-in-Hybriden als auch deren Verfügbarkeit stark sinken. Graf: «Vor diesem Hintergrund rechnen wir für die Branche im schlimmsten Fall allein für die Flotte der neuen Personenwagen 2020 mit Strafzahlungen im dreistelligen Millionenbereich, deren Höhe wir durch die Coronakrise nicht selbst zu verantworten haben.» Deshalb hofft nicht nur die Amag auf unkomplizierte Lösungen, um die Schweizer Autobranche nicht nochmals unverschuldet über Gebühr zu belasten. «Dies könnte», so Graf, «beispielsweise durch eine Lockerung der CO2-Grenzwerte für 2020 oder auch andere Massnahmen in diese Richtung geschehen.»

Jetzt sind die CO2-Zielwerte utopisch

Ähnlich sieht es Andreas Burgener, Direktor der Importeursvereinigung Auto Schweiz: «Die CO2-Zielwerte wären schon in einer normalen Marktsituation nicht erreichbar. So werden sie aber zur völligen Utopie! Wir beobachten sehr genau, welche möglichen Anpassungen die EU nun an den CO2-Vorschriften für dieses und möglicherweise die kommenden Jahre vornimmt. Entsprechend werden wir unsere Vorschläge für die Schweiz vorbringen.» Noch sei es aber zu früh, um konkret zu werden. Denn die Vorgaben in der Schweiz orientieren sich grundsätzlich an jenen der EU. «Und dies dürfte», so Burgener, «bei nun absehbaren Anpassungen zu Krisenzeiten nicht viel anders sein.» Eine Sprecherin der EU-Kommission lässt auf Anfrage ausrichten: «Zum jetzigen Zeitpunkt können wir nicht über mögliche Auswirkungen in einzelnen Politikbereichen spekulieren.»

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