Unterwegs im allerersten Porsche
Lizenz zum Geldverdienen

Er entstand unter erschwerten Bedingungen und war auch noch nicht ganz ausgereift: Der Prototyp 356-001. Die «001» steht ganz am Anfang der Porsche-Geschichte. BLICK fuhr in diesem geschichtsträchtigen Vehikel von Bern nach Fribourg.
Publiziert: 07.07.2018 um 18:06 Uhr
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Aktualisiert: 26.11.2018 um 16:11 Uhr
Andreas Faust

Peter Kaiser war er peinlich. Porsche, das passte dem in Zürich lebenden deutschen Architekten anno 1948 nicht auf dem Heck seines neuen Sportwagens. Und Werbung für die komische Marke wollte er auf keinen Fall machen. Also änderte er den Schriftzug zu «Pesco». Das klang wenigstens stilvoll italienisch – auch wenn es nur Pfirsich bedeutete.

Im Laufe der Zeit wurde die 001 umgebaut. Dazu gehört beispielsweise eine zweigeteilte Heckklappe, mit dem Vorteil, dass der Boxer besser atmen kann.
Foto: Werk

Die 001-Historie

Alexander Klein nennt die Aluwanne auf Rädern dagegen «die 001», und zwar in besorgtem Ton. Er ist bei Porsche für den Museumsfuhrpark zuständig und der allererste je gebaute Sportwagen der Marke sein bestes Stück. Am 8. Juni 1948, vor 70 Jahren, wurde der in einem Holzschuppen im österreichischen Gmünd zusammengeschraubte Roadster erstmals eingelöst. Am 4. Juli durfte ihn ein Journalist der Automobil Revue – damals der Massstab unter den Auto-Gazetten – im Vorfeld des Grand Prix Bern in Bremgarten (siehe Box) über die Piste scheuchen. Zum runden Geburtstag der Marke Porsche rollen wir nun auf dem Beifahrersitz dieses geschichtsträchtigen Vehikels von Bern nach Fribourg.

Grand Prix vor der Haustür Zum legendären Klausenrennen musste das Publikum auf den Berg pilgern – den Grand Prix Bern konnte man quasi vom Wohnzimmerfenster aus verfolgen. Ab 1934 in Bremgarten ausgetragen, avanciert der rund 7,3 km lange Rundkurs zum Vorzeige-Rennen in der Schweiz. Rudolf Caracciola, Hermann Lang, Alberto Ascari und Juan Manuel Fangio gewinnen hier unter anderem, Porsche räumt 1952 bis 54 Drei- und Vierfach-Klassensiege ab und ab 1950 gehört der GP zum Formel-1-Kalender. Aber die Strecke mit ihren vielen Waldpassagen gilt als gefährlich; in der Eymattkurve II lassen zahlreiche Rennsport-Idole ihr Leben. Nach einem Crash in Le Mans 1955 mit 84 Toten, darunter vor allem Zuschauer, werden Rundstreckenrennen in der Schweiz verboten – das Ende für den GP. «Aber das war eher ein Vorwand», vermutet der Schweizer Motorsport-Historiker Adriano Cimarosti: «Es passte der Obrigkeit nicht, dass man den Sonntag beim GP verbrachte.» Von der Originalstrecke haben Städte- und Autobahnbau heute kaum mehr als einen Waldweg übrig gelassen.
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Pause für einen genaueren Blick

Aber erst, wenn es der 001 wieder gut geht. Vom Anstieg hoch nach Riggisberg BE ist ihr heiss geworden; Klein lässt sie abkühlen. Innert 23 Sekunden auf Tempo 100, Spitze 135 km/h – heute gilt man mit dem 35-PS-Auto als rollendes Hindernis. Vor 70 Jahren rangierte es unter den Sportwagen. Unternehmensgründer Ferry Porsche nutzte die Beziehungen zu VW – sein Vater Ferdinand hatte den Käfer mit erfunden – und verbaute dessen Technik in dem Prototypen. Nicht ohne dem 1,1-Liter-Boxermotor zehn Mehr-PS zu entlocken. Dazu Alukarosserie, rote Sitze, fingerdünnes Bakelit-Lenkrad, Krückstock-Handbremse und ein Schalthebel, den man sich kaum anzufassen traut. Die Türen zieht man per Kordel zu. Dach? Überflüssiger Luxus.

Als Zwölfjähriger 1948 an der Strecke in Bremgarten: Adriano Cimarosti (81).
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Erkenntnisse aus dem Prototypen

Wie auch die Heizung. Der luftgekühlte Boxer hinterm Rücken föhnt die Haare zu Berge; es ist so heiss im Cockpit, dass der Fahrtwind über der knappen Scheibe nichts dran ändern kann. Bei dem Gerassel aus dem Motorabteil versteht man sein eigenes Wort nicht. «Dass es so auf Dauer nicht gehen würde, war Ferry Porsche schnell klar», sagt Klein. Schon vier Wochen später waren die Zeichnungen für das Serienmodell 356 fertig. Mit Motor im Heck und einer Notsitzreihe, die für Abstand sorgte.

Das Cockpit des allerersten Porsche war noch ganz einfach, aber schon hier fand sich eine Uhr im Armaturenbrett. Die hat bis heute überlebt.
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Porsches Schweizer Wurzeln

Der erste Porsche-Testbericht in der Automobil Revue ist nicht der einzige Schweizer Bezug in der Geschichte des 001. Der Zürcher Rupprecht von Senger organisierte 100'000 Franken Startkapital und Schweizer Alubleche für die ersten Porsche-Karosserien. Letzteres erlaubte die Regierung in Wien nur, wenn die ersten Porsche ins Ausland gehen würden – man war auf Devisen aus. Das erste Serienauto wurde dann auch an die Zürcherin Jolantha Maria Tschudi verkauft.

Das bewegte Leben der 001

Und auch der 001 rollte in die Schweiz: Peter Kaiser war er nach einem Jahr zu lahm und die drei Folgebesitzer bis 1952 wussten nichts mit ihm anzufangen. Die nächste Eignerin, Rosemarie Muff, meckerte über die Scheinwerfer und verkaufte den Roadster an den Amateur-Rennfahrer Hermann Schulthess, der die Bremsen optimieren und den Motor durch einen stärkeren 1,5-Liter ersetzen liess. Nach einem Unfall wurde die Karosserie umgebaut – und 001 bald gegen einen Serien-356er eingetauscht. Der neue Besitzer handelte ebenfalls: mit Ferry Porsche, der mit dem 356 längst die mit dem 001 erteilte Lizenz zum Geldverdienen erfolgreich eingelöst hatte und sein Urmodell jetzt zurückerhielt.

Die Geschichte von Porsche ist mit der Schweiz verbunden. Gelder und Alubleche von hier ermöglichten erst die ersten Serienmodelle des 356.
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Im Wandel der Zeit

In der Altstadt von Fribourg ist der vollrestaurierte 001 der Star, dem Mercedes, Maserati & Co. ehrfürchtig Platz lassen. Original ist er eben nicht mehr, der zahlreichen Umbauten wegen und weil er nach zwei Unfällen am Gotthard und – viel später – an einer Oldtimerveranstaltung in der Schweiz neu aufgebaut wurde. Und weil die Heckklappe inzwischen zweigeteilt ist. Gut so, denn so kann die Hälfte über dem Motor auf dem Rückweg ins Begleitauto und der Boxer freier atmen. «Mitten in der Atmosphäre des sich mit Riesenschritten nähernden Grand Prix jagten wir die Maschine um die Rundstrecke von Bremgarten und fassten in kürzester Zeit volles Vertrauen zu ihr», schrieb der Kollege von der Automobil Revue 1948. Was würde er wohl zu einem aktuellen Porsche sagen.

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