Das Auto schaukelt wie ein Segelboot in rauer See. Die Gänge sind mit der hakeligen Handschaltung kaum zu finden. Trotzdem grinse ich breit, während ich nordwestlich von Paris durch die französische Landschaft gondele.
Ich sitze am Steuer eines Renault 5 TL von 1974 aus der Sammlung des französischen Herstellers. Seine knallgelbe Lackierung hebt sich an diesem schönen Sommertag stark von den grünen Wäldern und Wiesen sowie dem blauen Himmel ab. So knallige Farben waren damals en vogue, als der R5 1972 am Genfer Autosalon erstmals präsentiert wurde. Gleich im Anschluss an die Messe startete der Verkauf des Kleinwagens – in Orange, Himmelblau oder Giftgrün.
Trifft den Zeitgeist
Die fröhlichen Farben passten zur damaligen Hippie-Epoche und brachten Freude in ein von Krisen, Umbrüchen und dem Vietnamkrieg geprägtes Jahrzehnt. Gleichzeitig sollten sie Frauen ansprechen, die in den 1970er-Jahren vermehrt begannen, selbst zu arbeiten und fahren.
Mit seinen charmanten und neuen Formen erhielt der R5 den Franzosen die Joie de vivre, die Lebensfreude. Für frisches Design sorgten die erstmals die klassischen Stossstangen ersetzenden Kunststoffstossfänger. Weil sie praktischer waren, wurden sie schnell zum neuen Branchenstandard. Ebenfalls neu war die breite und weit nach unten gezogene Heckklappe für bequemen Zugang zum 215 bis 900 Liter fassenden Kofferraum.
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Aber nicht nur wegen seiner frischen Optik wurde der R5 in 22 Jahren über neun Millionen Mal verkauft. Der Kleinwagen punktete auch mit tiefen Unterhaltskosten. So hielt er die Grande Nation auch während der Ölkrise 1973 und der folgenden Rezession mobil. Gleichzeitig wuchs in den 1970er-Jahren der Mittelstand, der mit dem Auto neue Freiheiten ausleben konnte.
So fährt sich der 50-Jährige
Selbst heute noch vermittelt der R5 Freiheit. Er befreit mich für ein paar Stunden von der digitalen Welt. Hier gibts keine Bildschirme, und selbst das verbaute Radio war vor 50 Jahren nur eine aufpreispflichtige Option. Einige wenige Knöpfe, mechanische Schiebe-regler für die Lüftung sowie analoge Anzeigen – mehr gibts nicht im Cockpit.
Ich sitze auf schwarzen Stoffsitzen ohne Kopfstütze und schaue auf eine schwarze Gummiabdeckung im Armaturenbrett. Oft blitzt das gelbe Karosserieblech hervor, trotzdem wirkt alles stimmig. Der Renault 5 ist ein Winzling, dennoch passt das Raumgefühl. Im heutigen Clio habe ich nicht viel mehr Platz, dafür trennt mich die Mittelkonsole vom Beifahrer.
So viel Spass machen 44 PS
Ein Vierzylindermotörchen mit 956 ccm Hubraum sowie 44 PS (32 kW) und 69 Nm Leistung sorgt für mehr als genug Vortrieb. Auch weil der R5 nur 970 Kilogramm leicht ist. So knattere ich locker-flockig über die Landstrassen. Obwohl er sich in Kurven zur Seite neigt, überrascht er mit guter Strassenlage. In engen Kurven müssen wir am Lenkrad kurbeln (natürlich keine Servos), und die Pedale wollen kräftig getreten werden. Aber das tut dem Fahrspass keinen Abbruch.
Natürlich, punkto Sicherheit ist der R5 von 1974 hoffnungslos veraltet. Doch die kurze Zeitreise macht mir klar: Es braucht keine grossen oder starken Autos, um Fahrspass zu haben – und für den Alltag schon gar nicht.
Genau 20 Jahre nachdem Renault 1994 die Produktion des R5 eingestellt hat, soll der kleine Freund zurückkehren. Die Franzosen haben für 2024 einen rein elektrischen Nachfolger angekündigt. Die letztes Jahr vorgestellte Studie Renault 5 Prototype (Bild) weckt schon die Vorfreude auf das Serienmodell. Sie zitiert die Form des Kultmodells aus den 1970er- und 1980er-Jahren auf moderne Art. So dürfte die Neuauflage an die Erfolge des Ur-R5 anknüpfen und die breite Bevölkerung elektrisieren.
Genau 20 Jahre nachdem Renault 1994 die Produktion des R5 eingestellt hat, soll der kleine Freund zurückkehren. Die Franzosen haben für 2024 einen rein elektrischen Nachfolger angekündigt. Die letztes Jahr vorgestellte Studie Renault 5 Prototype (Bild) weckt schon die Vorfreude auf das Serienmodell. Sie zitiert die Form des Kultmodells aus den 1970er- und 1980er-Jahren auf moderne Art. So dürfte die Neuauflage an die Erfolge des Ur-R5 anknüpfen und die breite Bevölkerung elektrisieren.