Blick fährt den 50-jährigen Porsche 911 Turbo
Zwischen Mensch und Maschine

Mit dem 930er läutete Porsche vor 50 Jahren die Turbo-Ära ein. Auch wenn manche diesen 911er hämisch als sportlichen VW Käfer verspotten; eine Fahrt in diesem Auto belehrt jeden eines Besseren.
Publiziert: 05.09.2024 um 16:13 Uhr
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Blick-Redaktor Wolfgang Gomoll durfte einen der ersten Porsche 911 Turbo anlässlich des 50. Geburtstags der Turbo-Reihe fahren.
Foto: Zvg

Auf einen Blick

  • Porsche 930 Turbo: Legende mit Rennsportgenen und Alltagstauglichkeit
  • Beeindruckende Agilität und klare Kommunikation zwischen Mensch und Maschine
  • 260 PS, 0-100 km/h in 5,5 Sekunden, 250 km/h Spitze
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Wolfgang Gomoll

Erst hechelt der Sechszylinder vernehmlich und brummt basslastig vor sich hin. Sobald der Zeiger des Drehzahlmessers die 4000er-Marke überschreitet, ändern sich jedoch die Tonlage und der Muskeltonus. Das Sägen der sechs Töpfe wird kehliger, rauer. Begleitet vom Pfeifen des Turboladers, schiebt der 1140 Kilogramm leichte Bolide an, als ob es kein Morgen gäbe. Kroch der Drehzahlzeiger eben noch nach oben, schnellt die orange Nadel im Uhrzeigersinn weiter, wie ein Speed-Kletterer bei den Olympischen Spielen die Wand hoch.

Auf Aktion folgt Reaktion

Der Vortriebs-Hammer kommt urplötzlich und dann gibts kein Halten mehr. Der Speed, mit dem die ungefilterte brachiale PS-Wut über den Asphalt hereinbricht, hat Suchtpotenzial. Aber der Porsche 930 Turbo kann auch anders. Beeindruckend, wie präzise sich der 1975 gebaute 911er bewegen lässt. Schon bei dieser Baureihe spürt man die Elemente des Sportwagenfahrens, die einen Porsche bis heute definieren: klare Kommunikation zwischen Mensch und Maschine. Bei diesem Sportler hat noch der Fahrer das Kommando, es gilt Action gleich Reaction.

Alles, was der Fahrer macht, hat Auswirkungen. Nichts mit weichgespülter Lenkradhydraulik und auch die Bremse ist abhängig vom Oberschenkelmuskel des Fahrers. Schliesslich sitzen wir in einem frühen 930er, die Nummer 25 von 30 gebauten Exemplaren. Gut zu erkennen am im Vergleich zu späteren Modellen kleineren Heckspoiler. Die ersten Modelle davon wurden bereits 1974 gebaut – also vor 50 Jahren.

Alltagstauglicher Sportler

Die Kombination aus geringem Gewicht und dem 260 PS (191 kW) starken Dreiliter-Boxermotor katapultierte den 930er auf Anhieb in die Liga der Supersportwagen. Die Fahrleistungen sind dementsprechend: Nach 5,5 Sekunden fliegt der Tachozeiger an der 100-km/h-Marke vorbei und die Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h machte den Porsche damals zum deutschen Alphatier. Damalige Konkurrenten wie der Ferrari 365 GT/4 oder der Lamborghini Countach LP 400 haben dank der Zwölfzylinder-Power oben heraus zwar etwas mehr Punch, schleppen aber auch mehr Gewicht mit sich.

Bei kurvigen Strecken und im Antritt zeigte der leichtfüssige Zuffenhausener den Sportlern, die südlich der Alpen beheimatet waren, wo es lang geht. Nicht reine Kraft ist entscheidend, sondern die Agilität gepaart mit einem Komfort, der auch lange Strecken nicht zur Tortur werden lässt. Das fängt bei der Sitzposition an und hört bei der Fahrwerksabstimmung auf. Kurz: Alltagstauglichkeit.

Vorsichtiger Umgang mit der Kraft

Auch ans monströse Turboloch gewöhnt man sich. Nein, man muss nicht am Scheitelpunkt einer Kurve Gas geben, um den Schub am Kurvenausgang zu geniessen. Besser ist es, den Dreiliter-Boxer-Motor mithilfe der Viergang-Handschaltung bei Laune, sprich Drehzahlen zu halten. Wenn im Kurvenscheitelpunkt 3500 Umdrehungen anliegen und man nicht wie ein Berserker aufs Gaspedal stampft, ist alles wunderbar. Schliesslich erreicht der Dreiliter-Boxer erst bei 5500 Umdrehungen sein Leistungszenit. Lupft man den rechten Fuss, knallt der Sechszylinder derart knochentrockene Schüsse durch die Auspuffrohre, dass man zunächst an einen Reifenplatzer glaubt. Wehe, man lässt sich vom Rausch der Akustik und der Geschwindigkeit mitreissen, dann zeigt sich der 930 von seiner harten, unberechenbaren Seite. 

Dann mutiert der kultivierte 911er zum Biest und das Heck entwickelt schlagartig ein Eigenleben, dass einem Hören und Sehen vergeht. Gerade im zweiten Gang, der so wunderbar zu vielen Strassenpassagen passt, ist Feingefühl gefragt – beim Gaspedal und beim Lenkrad. Egal, wie zickig oder nicht: Der Porsche 930 ist eine Legende, der Urvater der Zuffenhausener Top-Modelle. Mit Rennsportgenen ausgestattet, lief dieser 911er von 1974 bis 1989 vom Band. Andere mögen mehr Power haben, aber bei diesem Porsche 911 Turbo stand seit jeher die Alltagsfahrbarkeit im Vordergrund und nicht möglichst viel Power. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

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