Foto: Philippe Rossier

Interview mit Jürgen Schmidhuber, Professor für künstliche Intelligenz
«KI wird die Autobranche revolutionieren»

Jürgen Schmidhuber gilt als Vater der künstlichen Intelligenz (KI). BLICK traf den Professor der TU München sowie Mitgründer und Chefwissenschaftler der Nnaisense SA am Genfer Autosalon.
Publiziert: 08.03.2019 um 18:28 Uhr
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Aktualisiert: 08.03.2022 um 09:08 Uhr
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BLICK traf KI-Professor Jürgen Schmidhuber im neu gestalteten Blick Café am Autosalon Genf.
Foto: Philippe Rossier
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Raoul SchwinnenRedaktor Auto & Mobilität

Herr Schmidhuber, Sie wollten schon als Kind einen Roboter entwickeln, der intelligenter als der Mensch ist. Warum?
Jürgen Schmidhuber:
Damit er all die Probleme löst, die ich selber nicht lösen kann.

Auch wenn Sie sich damit selber überflüssig machen?
Klar.

Wie erklären Sie einem Laien in wenigen Worten KI?
KI ist die Wissenschaft vom automatischen Problemlösen. Insbesondere vom automatischen Lernen des Problemlösens.

Wir sitzen hier am Autosalon. Wird KI die Autobranche revolutionieren?
Ja.

Was können autonome Fahrzeuge der nahen Zukunft?
Sie werden wohl in absehbarer Zeit sicherer fahren als Menschen.

Wird KI unser Mobilitätsverhalten und Strassenbild beeinflussen?
Die meisten PWs stehen heute noch 23 von 24 Stunden herum. Flotten von Robotertaxis, zunächst vor allem in Städten, werden weit effizienter ständig unterwegs sein. Von Kunde zu Kunde, das Angebot automatisch angepasst an die lokale Smartphone-basierte Nachfrage. Die häufigsten Fahrten werden kurz sein. Daher wird man aus Kostengründen die meisten Taxis elektrisch antreiben, und mit recht kleinen Batterien ausstatten. Wobei ein Taxi eben zur nächsten Ladestation fährt, wenn es Hunger hat. Dies umgeht das Hauptproblem heutiger E-Mobile, nämlich ihre trotz schweren Batterien geringe maximale Reichweite. Die seltenen langen Taxifahrten werden von den relativ wenigen autonomen Benzinern der Flotte durchgeführt. E-Mobile sind viel einfacher konstruiert als Benziner, und daher fast doppelt so langlebig. Deswegen wird man nur noch halb so viele Autos bauen müssen. Was drastisch schrumpfen wird, ist nicht die Zahl gleichzeitig fahrender Autos, sondern die Nachfrage nach Parkplätzen. Dies könnte den Städtebau revolutionieren.

Wird KI die Autobranche verändern – wird es künftig noch reine Autohersteller geben?
Schon, aber ein bedeutsamer Teil des Wertes eines Autos wird in seiner KI-Software liegen.

Sie forschen und entwickelten in München und in Lugano in der Schweiz. Haben Sie gegen die Datenkraken aus USA und China überhaupt eine Chance?
Manche behaupten, es ginge bei KI vor allem um Daten, daher würden grosse chinesische und amerikanische Plattformunternehmen mit Zugang zu vielen Nutzerdaten bald die KI dominieren. Das ist in vieler Hinsicht abwegig. Wie lernt denn ein Baby, intelligent zu werden? Nicht durchs Herunterladen vieler Daten von einer Suchmaschine oder einem sozialen Netz. Nein, es lernt, indem es aktiv seine eigenen Daten erschafft durch selbst erfundene Experimente mit Spielzeug usw. Es lernt dabei, die Folgen seiner Handlungen vorherzusagen. Es nutzt sein sich stets verbesserndes prädiktives Modell der Welt und der Physik, um ein immer besserer Problemlöser zu werden. Wir wissen bereits, wie man KIs baut, die auch ein wenig wie Babys lernen, durch das, was ich vor Jahrzehnten schon «künstliche Neugier» genannt habe. Dies wird von zentraler Bedeutung sein für die nächste Welle der KI, manchmal auch als «vierte industrielle Revolution» bezeichnet. Dabei gehts um intelligente Roboter und andere Maschinen, die ihre Daten durch eigenes Handeln gestalten. Die nächste, viel mächtigere KI-Welle wird die gesamte industrielle Produktion umwälzen. Und wenn man es jetzt richtig anstellt, wird Europa dabei die zentrale Rolle spielen.

Was machen Sie in Ihrem 2014 gegründeten Unternehmen Nnaisense in Lugano – basteln Sie da am neuen Superhirn?
Ja. Wir wollen die erste Allzweck-KI schaffen, die schnell all das lernen kann, was sie noch nicht kann. Auf dem Weg dahin haben wir Kontrakte mit einigen der berühmtesten Firmen der Welt geschlossen, u.a. im Smartphone-Bereich. Vor einiger Zeit gewann Nnaisense gegen mehr als 400 Konkurrenten weltweit den «Learning to run»-Wettbewerb. Anwendungen unserer KI finden sich auch beim automatischen Portfoliomanagement und bei der Steuerung industrieller Prozesse. Wir bauen übrigens keine Hardware – unsere KI-Software lernt stattdessen, die Hardware unserer Partner zu steuern. In einem Demo-Projekt lernte unser Kunsthirn beispielsweise ohne Lehrer, Modellautos von Audi einzuparken. In einem weiteren jüngsten Demo-Projekt lernt die KI von Nnaisense, raffinierte pneumatische Roboterhände der Firma Festo zu steuern.

Sie behaupten, KI kann Menschen ersetzen. War das folglich unser letztes Interview?
(lächelt) Nein, es wird ja noch Monate, wenn nicht Jahre dauern, bis KIs den Menschen in jeder nennenswerten Hinsicht übertreffen.

Persönlich

Jürgen Schmidhuber (56), in München geboren, ist wissenschaftlicher Direktor des Dalle Molle Institute for Research in Artificial Intelligence (IDSIA) in Manno TI, Professor für künstliche Intelligenz (KI) an der Universität Lugano, Professor am Supsi sowie Mitgründer und Chefwissenschaftler der Nnaisense SA in Lugano.

Jürgen Schmidhuber (56), in München geboren, ist wissenschaftlicher Direktor des Dalle Molle Institute for Research in Artificial Intelligence (IDSIA) in Manno TI, Professor für künstliche Intelligenz (KI) an der Universität Lugano, Professor am Supsi sowie Mitgründer und Chefwissenschaftler der Nnaisense SA in Lugano.

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