Warschau wird zum Drift-Mekka
Der grösste Driftevent der Welt

Einmal im Jahr verwandelt sich die Hauptstadt Polens zum Epizentrum der Driftwelt. Wir waren dabei und schauten dem Schweizer Team Drift Force über die Schulter.
Publiziert: 22.09.2024 um 06:45 Uhr
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Auch dieses Jahr findet das Finale der Driftmasters im Warschauer Narodowy Stadion statt.
Foto: zVg

Auf einen Blick

  • Driftmaster Championship Finale fand in Warschau statt
  • Schweizer Team Drift Force mit dabei
  • Fast 55'000 Zuschauer im Stadion
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Denis FriedRedaktor Auto & Mobilität

Wenn sich in Polens Hauptstadt Warschau Menschenmassen in Richtung der Narodowy Arena bewegen, bedeutet das normalerweise der baldige Beginn eines Fussballspiels. Das riesige Stadion, das für die Fussball-EM 2012 gebaut wurde, ist kilometerweit zu sehen. Dieses Wochenende rollt aber kein rundes Leder über den Rasen, denn für zwei Tage im Jahr ist hier die Driftmaster Championship zu Gast. 

Die vielen Fans, die auf dem Weg ins Stadion sind, könnten locker mit Fussballfans verwechselt werden: Viele tragen das Trikot ihres Lokalmatadors und zweifachen Drift-Europameisters Piotr Wiecek (34). Der tritt im Final gegen rund 50 Fahrer an und kämpft um den letzten Titel der Saison – mit dabei ist auch das Schweizer Team Drift Force mit den Fahrern Joshua Reynolds (28) und Yves Meyer (33). 

Drift Force Team

Das Drift Force Team von Yves Meyer ist in Seelisberg UR zu Hause. Wenn sie nicht gerade an internationalen Driftevents teilnehmen, schrauben die Urner dort an ihren eigenen oder Autos von Kunden. Denn wer will, kann sich ebenfalls ein 1000-PS-Monster zusammenstellen lassen. In die massgeschneiderten Autos fliesst das Wissen von mehreren Jahren in der Formula Drift und der Driftmasters Championship. Der Preispunkt für ein Supra Topmodell: über 200'000 Franken!

DGP Media

Das Drift Force Team von Yves Meyer ist in Seelisberg UR zu Hause. Wenn sie nicht gerade an internationalen Driftevents teilnehmen, schrauben die Urner dort an ihren eigenen oder Autos von Kunden. Denn wer will, kann sich ebenfalls ein 1000-PS-Monster zusammenstellen lassen. In die massgeschneiderten Autos fliesst das Wissen von mehreren Jahren in der Formula Drift und der Driftmasters Championship. Der Preispunkt für ein Supra Topmodell: über 200'000 Franken!

1000-PS-Boliden

Die beiden Piloten des Schweizer Drift Force Teams fahren beide stark modifizierte Toyota Supras, die sie mit ihrem Team selbst in ihrer Garage in Seelisberg UR entworfen und umgebaut haben. Das Resultat: Über 1000 PS, Lachgaseinspritzung, Anti-Lag-System und massive Turbolader, mit denen die Boliden bestens fürs Driften ausgerüstet sind. Die riesige Leistung ist unverzichtbar, um die Hecktriebler in Querlage zu bringen – dort bleiben sie dann auch für den Grossteil der zu absolvierenden Strecke. 

Doch wie funktioniert dieser noch relativ unbekannte Motorsport? Auf den insgesamt sechs Strecken, die über ganz Europa verteilt sind, werden Zonen angezeichnet, welche die Fahrer entweder mit der Front oder dem Heck ihres Autos überqueren müssen. Diese Ideallinie ist das erste Kriterium, nach dem die Fahrer bewertet werden. Verlassen sie die Zone oder sind zu spät in ihr, gibts Abzug. Als Zweites zählt der Driftwinkel. Mehr ist hier immer besser und natürlich auch schwerer. Die starken Motoren helfen aber, die Rennwagen durchgehend schräg zu halten. Zuletzt wird auch der Style bewertet. Hier steigt die Bewertung, je schneller und näher man an den Absperrungen entlang driftet. Generell gilt: Es soll gefährlich aussehen, aber kontrolliert sein. 

Synchroner Tanz

Doch die Fahrer sind im Rennen nicht alleine unterwegs. Nach der Einzel-Qualifikation starten die sogenannten Battles, bei denen sich immer zwei Fahrer miteinander auf der Driftstrecke duellieren. Der «Lead» muss voraus und eine perfekte Linie fahren, während der «Chase» versucht, so nah wie möglich dranzubleiben. Da kanns schon mal zur einen oder anderen Berührung kommen. Doch wird dadurch keiner behindert, ist das erlaubt. So fliegen während den Battles immer wieder sogenannte Bodypanels der Autos weg – und schon zu Beginn der Rennen sind viele Autos mit Klebeband tapeziert, um so beschädigte Teile gerade noch am Fahrzeug zu halten.

Im Schweizer Paddock sieht es vor der Qualifikation noch nicht so arg aus. Beide Supras sind blitzblank und bereit für ihre Vorstellung. In diesem Jahr läufts für die Schweizer besser als noch 2023. Absolutes Highlight für Yves Meyer war der Driftmasters-Event in Riga, wo er sich für die Top 32 Battles qualifizierte. Dort traf er dann auch prompt auf den amtierenden Europameister Conor Shanahan (21) aus Irland, alles andere als ein einfacher Gegner. Trotzdem konnte Meyer mithalten und verlor nur knapp. 

Schwierige Streckenverhältnisse

In Polen reichts dagegen leider nicht für eine Finalqualifikation. Die Strecke im Narodowy-Stadion hat es aber auch in sich. Denn wie findet in einem Fussballstadion ein Driftevent statt? Ganz einfach, im Stadion wurde kurzerhand eine Strecke asphaltiert und präpariert. Ein skurriler Anblick, wenn man zum ersten Mal in die Arena kommt. Perfekt ist sie jedoch nicht und selbst die Topfahrer kommentieren, dass die unebene Piste extrem schwierig zu fahren sei. Erschwert wird das Ganze auch durch die «Wetterverhältnisse». Wegen der schlechten Prognose wurde das Stadiondach geschlossen und die Strecke zur Vermeidung übermässiger Rauchentwicklung künstlich benässt.

Eine nasse Strecke, die an vielen Stellen schon wieder abtrocknet, ist schwer einzuschätzen – und es kommt während den Battles daher immer wieder zu Crashes. Doch der rutschige Untergrund bringt auch einige Vorteile. Normalerweise entsteht beim Driften ein massiver Reifenqualm, der dem Verfolger oft komplett die Sicht nimmt. Nicht, wenns feucht ist. Und so kann im Final noch präziser gedriftet werden. In den Kurven kommen sich die Autos oft bis auf wenige Zentimeter nahe. Zudem wirkt die nasse Strecke auch reifenschonend, bei einem Saison-Verschleiss von mehreren Hundert Reifen sicher ganz willkommen.

Rückkehr 2025

Von den erschwerten Bedingungen spürt man bei den Finalläufen nichts mehr. Das Spektakel und die Präzision, die in Warschau den über 50'000 Zuschauern geboten werden, ist beeindruckend. Zuletzt setzt sich der Ire Duane McKeever (28) gegen seinen Landsmann James Deane (32) durch und gewinnt den Event. Der Titel des Europameisters wird allerdings schon früher am Abend vergeben. Dem Finnen Lauri Heinonen (32) reichte bereits sein fünfter Platz, den er nach einem Motorproblem belegte, für den Gewinn. Im nächsten Jahr wird der Finne versuchen, seinen Titel zu verteidigen. Mittendrin ist dann auch wieder Yves Meyer und sein Drift Force Team. Und mit der Erfahrung aus den ersten zwei Saisons richtet er seinen Blick langsam aber sicher weiter nach vorne.

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