Das zu Ende gehende Motorsportjahr 2023 war für Nico Müller (31) ein spezielles Jahr. Es bedeutete quasi ein Neuanfang in seiner Profi-Rennkarriere. Denn der Thuner Automobilrennfahrer und SRF-F1-Kommentator wechselte von Audi ins französische Team Peugeot TotalEnergies und von der deutschen Tourenwagen Meisterschaft DTM in die Langstrecken-Weltmeisterschaft. Wie für alle Langstrecken-Piloten galt auch für Müller der 24-Stunden-Klassiker in Le Mans als der Saisonhöhepunkt – zumal dieser heuer zum 100. Mal ausgetragen wurde.
Lange sah es dort für Nico Müller mit seinem neuen Peugeot-Hypercar 9X8 gut aus – in der Nacht führte der Schweizer das Rennen für vier Stunden souverän an. Doch weil nach dem obligatorischen Fahrerwechsel sein amerikanischer Teamkollege Gustavo Menezes (29) den Werks-Peugeot mit der Startnummer 94 in die Leitplanken setzte, wurde 2023 leider nichts aus dem erhofften Le-Mans-Sieg.
Auch der Flawiler Thomas Schmid (28) ist ein erfolgreicher Rennfahrer. Allerdings vor allem virtuell. Obwohl der Ostschweizer mit einem Peugeot 208 vor fünf Jahren die Schweizer Rallye-Meisterschaft bei den Junioren gewann, setzte er danach aus zeitlichen, vor allem aber auch aus finanziellen Gründen auf den günstigeren digitalen Simracing-Sport. Mit Erfolg: Inzwischen ist der Tiefbauingenieur fünffacher Schweizer Simracing-Meister und zählt zu den schnellsten virtuellen Rennfahrern der Schweiz.
Als Schmid im Stellantis-Motorsport-Hauptquartier in Paris die exklusive Möglichkeit erhält, Rennprofi Nico Müller auf dem dortigen Werkssimulator herauszufordern, sind wir daher gespannt: Wer dreht im Peugeot-WEC-Simulator die schnelleren Rennrunden und hat die Nase vorn – der fünffache Simracing-Meister oder der Peugeot-Rennprofi?
Am Schluss fehlten einige Zehntel
Während Nico Müller vor jedem Rennen zur Feinabstimmung ein bis zwei Tage im Pariser WEC-Simulator verbringt, legt Herausforderer Thomas Schmid einen Kaltstart hin. Nach seiner Ankunft in Paris und dem stündigen Transfer quer durch die französische Hauptstadt bleibt ihm kaum Zeit, sich nach der Ankunft im Stellantis-Hauptquartier auf den für ihn ungewohnten Peugeot-WEC-Simulator einzustellen. Schmid wird von Nico Müller herzlich empfangen, erhält ein kurzes Briefing – und schon rast der Sim-Meister im virtuellen Peugeot-Langstreckenboliden 9X8 über die digitale Rennstrecke von Bahrain.
Nach den ersten fünf Runden ist Schmid noch fast drei Sekunden von der zuvor von Nico Müller gefahrenen Referenzzeit von 1:47:08 entfernt. Er macht eine kurze Pause und grummelt selbstkritisch vor sich hin: «Bis jetzt hat noch keine einzige Runde gepasst.» Schmid tauscht sich kurz mit Profi Nico Müller aus, lässt sich von ihm einige Tipps geben, macht da und dort kleine Anpassungen beim Setting – und fährt in seinem virtuellen Cockpit wieder los.
Jetzt werden Schmids Zeiten mit jeder Runde schneller. «Regelmässig wie ein Schweizer Uhrwerk», zollt Nico Müller Respekt. Und auch die französischen Peugeot-Techniker, die im Nebenraum die Sim-Fahrten überwachen und auswerten, staunen über die Performance des «Petit Suisse» im Peugeot-WEC-Simulator. Nach rund 40 nonstop gefahrenen Runden fehlen Schmid nur noch wenige Zehntel auf Nico Müllers Bestzeit. Aber er bleibt realistisch: «Ich lasse Nico gerne den Vortritt – er ist schliesslich der Profi. Für mich wars jedoch ein unvergessliches Erlebnis. Und ich danke Peugeot, dass man mir dieses Duell ermöglicht hat.»