Mobilitätsvisionen für die letzte Meile
Rollende Sofas und autonom fahrende Hotelzimmer

Das Elektroauto kann nicht das alleinige Fortbewegungsmittel der Zukunft sein. Gerade für Innenstädte müssen weitere Ideen her, die zum Beispiel auch ältere Leute aktiv mobil halten. Hier einige mögliche Ansätze.
Publiziert: 19.09.2021 um 04:46 Uhr
1/18
Wäre es nicht bequem, wenn wir direkt aus dem Wohnzimmer auf unserer Sitzbank zum Treffen mit Freunden zwei Strassen weiter rollen könnten?
Foto: ZVG.
Wolfgang Gomoll

Aktuell ist es um die Zukunft der letzten Meile beim individuellen Verkehr eher still. Für kürzere Distanzen in Städten und Agglomerationen behelfen wir uns heute mit dem Velo, den boomenden E-Scootern und E-Bikes oder gehen zu Fuss. Doch bald schon könnte sich unser urbanes Leben tiefgreifender verändern, als viele heute glauben. Zumindest, wenn wir uns die folgenden Fortbewegungsmittel etwas genauer anschauen.

Rollende Sitzbank

Wäre es nicht bequem, wenn wir direkt aus dem Wohnzimmer zum Treffen mit Freunden rollen könnten – ohne dazu von unserer Sitzgelegenheit aufstehen zu müssen? Diese Idee verfolgt das Konzept der fahrbaren Sitzbank, die als Gewinner der Ford Smart Mobility Challenge mit einem Preisgeld von umgerechnet 15’000 Franken bedacht worden ist. Die Idee stammt von den beiden Designstudenten Corentin Janel und Guillaume Innocenti, die mit ihrer rollenden Sitzbank die nächste Stufe der Mobilitätshilfen zünden wollen.

Es geht dabei um eine neue Art der Individualmobilität, die dem Menschen Spontanität beim gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Vor allem, wenn die öffentlichen Verkehrsmittel überfüllt sind. «Die fahrbare Sitzbank ist ein gutes Beispiel dafür, wie innovatives Design das Stadtgefüge multifunktional und zugleich unterhaltsam bereichern kann. Ihr cleveres Konzept macht Mobilität zu einem Teil der Stadt und regt Menschen gleichzeitig zur Interaktion an, sodass sich urbane Räume völlig neu erleben lassen», erklärt Amko Leenarts, Designdirektor bei Ford Europa. Die Sitzbank bietet im «Normal»-Modus bis zu drei Personen Platz und kann mit ein paar Handgriffen in einen zweisitzigen Elektroroller mit einer Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h umgebaut werden.

Fahrendes Hotelzimmer

Ein weiterer Vorschlag, der das Reisen vereinfacht, ist die rollende Hotelsuite des Aprilli Design Studios. Sie treibt die Fantasie der beweglichen Möbel auf die Spitze, indem es autonomes Fahren mit der Idee eines beweglichen Hotelzimmers kombiniert. Das Prinzip ist eigentlich simpel, aber genial. Anstatt selbst von Hotel zu Hotel zu fahren, bezieht man die Robo-Suite, gibt den gewünschten Reiseplan ein, und die Robo-Suite fährt dann in der Nacht oder zu jeder beliebigen Tageszeit zum nächsten Ziel und dockt dort an. Diese runden Docking-Hotels haben mehrere Ebenen, sind ebenfalls speziell konstruiert und ermöglichen so dem mobilen Zimmer, jederzeit weiterzuziehen.

Wir werden immer älter und wollen immer länger mobil bleiben. Deshalb wird sich die Gesellschaft – und damit auch ihre Fortbewegungsmittel – anpassen (müssen). Ob zu zweit auf einem Tandem-Rollstuhl oder alleine, die Fortbewegung per Elektroantrieb hilft im Alter, Mobilitätsdefizite auszugleichen. Ähnlich wie bereits beim Auto spielt künftig auch bei kleineren Fortbewegungsmitteln immer mehr der Sharing-Gedanke eine wichtige Rolle.

Rollstuhl zum Anklipsen

Eine Erfindung, die diese Anforderungen erfüllt, kommt aus Österreich. Der Name «Klaxon Klick» ist Programm. Die Antriebseinheit besteht im Prinzip aus einem Akku, einem Rad, einem Lenker sowie einem Elektromotor und kann mit wenigen Handgriffen an einen konventionellen Rollstuhl angeklipst werden. Der auf diese Weise elektrifizierte Rollstuhl ist bis zu 15 km/h schnell, schafft mit einer Akkuladung bis zu 50 Kilometer Reichweite und nach 4,5 Stunden Ladedauer sind dessen Batterien wieder voll. Selbst Fahrten über Kieswege und kleinere Schwellen sollen problemlos machbar sein.

Das Anbausystem ist ruck, zuck wieder entkoppelt und kann so unterwegs – beispielsweise im Zug – schnell verstaut werden. Das System bietet aber noch mehr: Zusammen mit dem schwedischen E-Scooter-Verleiher Voi entwickeln die Österreicher gerade eine Variante, die für die «Shared Mobility» in urbanen Gegenden geeignet ist.

Huckepack-Rollstuhl

Wie sich Italdesign ein Seniorenmobil der Zukunft vorstellt, zeigt der Prototyp WheeM-i (Wheelchairs Mobility Interface). Der futuristisch entworfene Prototyp nutzt ein ganz einfaches Prinzip, um dem Rollstuhlfahrer den Wechsel seines Gefährts zu ersparen. Man bestellt via App den WheeM-i nach Hause, fährt dann mit dem eigenen Rollstuhl über eine Rampe ins Gestell und nutzt dieses dann quasi als Huckepack-Transporter. Der Rollstuhl-Transporter verfügt über Sensoren, die Kollisionen und ähnliche Unglücke bei dessen autonomer Fahrt vermeiden sollen. Ist das Ziel erreicht, verlässt der Rollstuhlfahrer über die Rampe den Transporter wieder, und ein nächster Kunde kann den Elektro-WheeM-i bestellen und nutzen.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?