Eifrig wird in einer Industriehalle am Bodensee noch geschraubt und geklebt. Stolz präsentieren die Brüder Patrik (28) und David Koller (30) sowie David Pröschel (31) der Presse ihr in drei Jahren selbst umgebautes Expeditionsfahrzeug. In Eigenregie haben sie den Mehrzweck-Transporter von Aebi zum Solarmobil umgebaut. Im Januar solls losgehen: Dann will das Trio den 6893 Meter über Meer gelegenen Kraterrand des höchsten Vulkans in Chile, den Ojos del Salado, erreichen. Das wäre der neue Höhen-Weltrekord für Fahrzeuge aller Art.
Was nach einer Bieridee von drei jungen Spinnern klingt, hat einen seriösen Hintergrund. Das Projekt Peak Evolution soll beweisen, dass auch die Landwirtschaft verstärkt auf autarke Energieproduktion (Solar) und elektrische Mobilität setzen kann. Nicht zuletzt dafür gründete das Trio auch ihr Start-up DDP Innovation, mit dem sie Landwirtschafts-Elektrofahrzeuge für den Einsatz in den Bergen entwickeln und produzieren.
Nachhaltigkeit als Botschaft
«Unser Fahrzeug ist nach dem Rekordversuch mit wenigen Adaptionen für einen kommerziellen Einsatz in unseren Bergen bereit», sagt David Pröschel, der fürs Lademanagement und die Software des Fahrzeugs verantwortlich ist. «Es wird ein grosses Abenteuer mit einer klaren nachhaltigen Botschaft, nämlich mutig neue Wege zu gehen, um unsere Umwelt zu retten.»
Nach drei Jahren Entwicklungs- und Umbauzeit und einigen Rückschlägen sind die drei Jugendfreunde wieder auf Kurs und eine erste Etappe ist geschafft: Ihr umgebautes Expeditionsfahrzeug ist fertig. Es heisst Terren – Erde auf rätoromanisch, denn die drei kommen aus dem Engadin. Nach letzten Testfahrten in den Schweizer Alpen wird das Fahrzeug Mitte Oktober nach Chile verschifft, wo es im Dezember ankommen soll. Nach einer Akklimatisierungsphase von rund fünf Wochen im Camp Atacama auf 5200 Meter ü. M. soll Anfang Januar 2023 der neue Höhenweltrekord für Fahrzeuge aller Art in Angriff genommen werden. Derzeit steht er bei 6688 Metern.
Stärker als ein Sattelschlepper
Maschinenbau-Ingenieur David Koller, verantwortlich für den Fahrzeugumbau, ist zuversichtlich, dass er und seine Freunde den auf 6893 Meter gelegenen Kraterrand des Vulkans mit dem allradgetriebenen und -gelenkten Elektrofahrzeug erreichen werden. «Ich habe vollstes Vertrauen in unseren Terren. Und wir werden beweisen, dass umweltfreundliche Elektroantriebe auch unter extremen Bedingungen Höchstleistung bringen und Dieselmotoren überlegen sind.»
Die drei innovativen Tüftler ersetzten beim Mehrzweck-Transporter VT450 von Aebi den Dieselantrieb durch zwei E-Motoren mit total 380 PS (280 kW). Damit ist der fünf Meter lange und 2,15 Meter breite Terren mehr als doppelt so stark als das Basisfahrzeug. Mit 35’000 Newtonmetern Drehmoment und extra-grossen 42-Zoll-Rädern soll er Steigungen von 100 Prozent bei einem Gesamtgewicht von zehn Tonnen (Leergewicht 4 t, Zuladung 6 t) erklimmen können. Damit hat der Terren mehr Zugkraft als ein durchschnittlicher 40-Tonnen-Sattelschlepper.
Strom aus mobiler Solaranlage
«Im Unterschied zu Verbrennern sind Elektromotoren in grosser Höhe nicht auf Sauerstoff angewiesen», weiss Patrik Koller. «Niedriger Luftdruck und tiefe Temperaturen stellen aber ans Batteriemanagement und die Elektronik hohe Ansprüche.» Und wie wird die 90 kWh Ecovolta-Batterie des Fahrzeugs bei der Rekordfahrt mit Strom versorgt? «Unterwegs über ein mobiles Solarladesystem», erklärt Patricks Bruder David. «1,4 Kilowatt werden laufend auf dem Dach unserer Camperbox produziert. Zusätzlich können wir stationär 28 Quadratmeter Solarpanels am Boden auslegen und insgesamt so bis zu sieben Kilowatt Solarstrom produzieren.»
Natürlich ist ein solches Projekt nur dank vieler Sponsoren und Partnern möglich. Unternehmen wie Ecovolta, Bosch, 3A Composites, Sika, VDS, Studer, Brusa, Nokian, Megasol oder Kyburz unterstützen die Gipfelstürmer. Und Dokumentarfilmer Claudio von Planta (59) begleitet das Team während der Expedition. «Weitere Sponsoren und Gönner sind aber gerne willkommen – und auch nötig», sagt der für die Finanzen zuständige Patrik Koller und verweist auf das Crowdfunding via www.peakevolution.ch.
Das Trio und ihr Aebi-Klettermaxe sind parat – jetzt kommt es vor allem auf das passende Wetter für den Seetransport und den Aufstieg zum Vulkankrater an.