Es ist der 29. Juli 2019, als Habte A.* (41) aus Wädenswil ZH eine Mutter (41), ihren Sohn (†8) und eine Rentnerin (79) vor einen einfahrenden ICE-Zug am Bahnhof in Frankfurt am Main (D) schubst. Der kleine Leo stirbt, In Frankfurt steht A. am Dienstag zum zweiten Prozesstag vor Gericht. Nun wird die Wahnsinnstat rekonstruiert, weitere Zeugen werden einvernommen.
Der Eritreer ist laut Ermittlungen bereits am 25. Juli 2019 um 21.15 Uhr mit dem ICE 272 aus der Schweiz in Frankfurt angekommen, berichtet die «Bild». Das zeigen Überwachungsaufnahmen. Fünf Tage später zeichnen dieselben Kameras auf, dass A. gegen 7 Uhr wieder am Bahnhof aufkreuzt.
Habte A. irrte stundenlang vor der Tat am Bahnhof herum
Mindestens drei Stunden vor der Tat irrt der Mann auf dem Gelände umher. «Er fiel uns durch seinen deutlich langsamen Schritt auf, ohne klares Ziel, ohne Gepäck, mit den Händen in den Hosentaschen, schlendernd, der Blick nach vorne gerichtet, aufrechter Gang», sagt eine Kriminaloberkommissarin vor Gericht. Bedrohliche Situationen gibt es dabei nicht.
Es ist 9.51 Uhr, als die Kameras A. zum letzten Mal aufzeichnen. «Er ging zu den Gleisen, bog auf Gleis 7 ab. Uns als Video-Sichter kam es so vor, als würde er jetzt schneller gehen», sagt die Polizistin weiter. A. ist nun ausser Sichtweite der Überwachungskameras.
Es ist 10 Uhr, als Habte A. zum Gleiskiller wird. Was geschehen ist, wird nicht aufgezeichnet, aber dennoch aus den Aufnahmen klar – wegen den Reaktionen der Augenzeugen. «Pures Erschrecken», kommentiert die Beamtin. «Eine Frau zog ihren Sohn an sich, hielt sich die Hand vor den Mund.»
Mutter schrie: «Mein Kind ist tot!»
Eine 62-Jährige sagt zu diesem Schreckensmoment aus: «Ich habe gesehen, wie die Frau in das Gleis fiel, ein Mann kam und dieses Kind schubste. Ich habe das noch ständig vor Augen.» Das Kind ist sofort tot. Ein weiterer Zeuge findet die Leiche: «Ich habe alle zehn Meter unter den Zug geschaut. An einer Stelle habe ich eine Hand gesehen. Dann war mir klar, dass tatsächlich etwas passiert ist.» Der schrecklichste Moment ist für ihn, als die Mutter schreit: «Mein Kind ist tot!»
Dem Täter ist er auf der Flucht begegnet. «Mir fiel sein Blick auf mit aufgerissenen Augen – eine Mischung aus befriedigt, erstaunt und verwirrt.» Nach einer Viertelstunde wird Habte A. verhaftet. «Er nahm die Hände nach oben und liess sich festnehmen», sagt eine weitere Polizistin aus. Auffällig: A. trägt viel Bargeld mit sich; etwa Bargeld 1500 US-Dollar, 796 Schweizer Franken und 500 Euro.
«Wirkte so, dass er realisiert hat, was passiert ist»
A. habe bei der anschliessenden Einvernahme «sehr zurückhaltend, teilnahmslos» und «ruhig» gewirkt. «Wäre besser, wenn ich tot wäre, als dass ich einen Jungen geschoben habe», soll der Gleiskiller gesagt haben. «Es wirkte schon so, dass er realisiert hat, was passiert ist.»
Doch Habte A. kann sich an nichts mehr erinnern, liess er am ersten Prozesstag von einem Sachverständigen verlauten. Der Killer selber liess seinen Anwalt ein Statement zur Tat verlesen: «Das, was ich getan haben soll, muss sich nach allen mir zugetragenen Informationen so zugetragen haben.» Und: «Es tut mir unendlich leid für die Familie.»
Mutter ist nicht vernehmungsfähig
Habte A. soll laut Staatsanwaltschaft in eine geschlossene Psychiatrie. Schuldfähig sei er wegen seiner psychischen Erkrankung nicht, aber er sei «eine Gefahr» für die Allgemeinheit.
Der Prozess erstreckt sich über sechs Verhandlungstage. Am Montag wird wohl die polizeiliche Aussage der überlebenden Mutter verlesen. Sie selbst sei «nicht vernehmungsfähig», so der vorsitzende Richter. (szm)