Zürcher Geschäftsmann in Singapur appelliert an Corona-Disziplin
«Ich beobachte die Entwicklung in der Schweiz mit Schrecken»

In Asien gibt es fast keine neuen Corona-Infektionen mehr. Der in Singapur lebende Winfried Mühling aus Glattfelden ZH berichtet über die Disziplin der Asiaten und appelliert an Skeptiker, für eine Weile eigene Bedürfnisse zurückzuschrauben.
Publiziert: 27.10.2020 um 12:47 Uhr
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Aktualisiert: 13.11.2020 um 14:46 Uhr
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Proteste gegen Corona-Massnahmen kann der in Singapur lebende Winfried Mühling – hier mit seiner Frau Gala dem Balkon ihrer Wohnung – nicht verstehen.
Foto: Zvg
Guido Felder

Die zweite Welle kommt mit voller Wucht – und trotzdem sind Covid-Skeptiker auf dem Vormarsch. Ob in Berlin, Zürich oder der Luzerner Vorortsgemeinde Ebikon: Lautstark demonstrieren sie gegen die von den Behörden verordneten Massnahmen.

Solche Proteste kann der in Singapur lebende Winfried Mühling (55) aus Glattfelden ZH überhaupt nicht verstehen. «Ich beobachte die Entwicklung in der Schweiz und auch andern Ländern mit Schrecken», sagt der Verkaufsdirektor der Verpackungsfirma Amcor am Telefon zu BLICK. Es erschrecke ihn vor allem, worüber sich die Leute Gedanken machten, statt sich auf die effektive Gefahr zu konzentrieren und das Problem an der Wurzel zu packen.

Für viele Skeptiker stehen die Einschränkung der Freiheit sowie der Datenschutz im Vordergrund. «Das ist auf jeden Fall hochzuhalten», sagt Mühling, «aber in dieser speziellen Situation muss jeder und jede dazu beitragen, dass die Pandemie möglichst schnell besiegt werden kann».

Praktisch null Neu-Ansteckungen

Asien hat dank Disziplin Corona ziemlich im Griff, die Wirtschaft in China wird dieses Jahr sogar ein Plus verzeichnen. In der 5,6 Millionen Einwohner zählenden Stadt Singapur gab es bisher 58'000 Infizierte und 28 Corona-Tote. Im Schnitt gibt es seit mehreren Wochen täglich nur rund zehn Neu-Ansteckungen. In der Schweiz werden zurzeit täglich rund 6000 Neu-Infizierte gezählt.

Im Unterschied zu Europa machten die Menschen in Singapur bewusst Abstriche – auch ohne grossen Druck der Regierung. Denn noch tief sitzt ihnen die Sars-Epidemie von 2002 und 2003 in den Knochen. «Sie haben aus den schmerzlichen Erfahrungen der Vergangenheit die richtigen Schlüsse gezogen», sagt Mühling.

Maske trotz Hitze

Die Maske sei auch auf der Strasse selbstverständlich – obwohl dies bei Tagestemperaturen von 32 Grad Temperatur und hoher Luftfeuchtigkeit nicht gerade angenehm sei. «Wer in ein Restaurant tritt, entfernt sie erst, wenn das Getränk auf dem Tisch steht», sagt Mühling. Auch die App habe jeder heruntergeladen. In jedem Geschäft checke man routinemässig ein und aus.

«Safe Distancing Ambassadors», erkenntlich an roten Westen, beobachten auf der Strasse, dass man sich an die Regeln hält. Restaurants, die um 22.30 Uhr geschlossen sein müssen, werden teilweise auch von zivilen Corona-Wächtern kontrolliert. Mühling: «Wer keine Maske trägt, zahlt umgerechnet rund 135 Franken Busse, Gastro-Betriebe können bis zu zwei Wochen geschlossen werden.»

Aber auch die gegenseitige Kontrolle funktioniere. Der Bus-Chauffeur massregelt die Passagiere. Oder wenns der nicht sieht, machen sich die Leute gegenseitig auf Versäumnisse aufmerksam.

Drei Monate in der Wohnung

In Singapur übt man sich konsequent im Social Distancing. «Wir haben von März bis Juni praktisch immer in der Wohnung gelebt und uns unsere Lebensmittel per Lieferservice bringen lassen», sagt Mühling. Auch das Desinfizieren von Händen 10 bis 15 Mal am Tag – alles normal.

In drei Wochen kehrt Mühling nach zwei Jahren Einsatz in Singapur wieder in die Schweiz zurück. Er ist besorgt und appelliert an die Disziplin der Leute. Mühling: «Man muss vorübergehend die persönlichen Grundrechte hinten anstellen zum Wohl der Allgemeinheit. Nur so können wir die Pandemie rasch besiegen.»

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