Zorn unter Palästinensern auf die Hamas wächst
«Wir müssen sie loswerden»

Es scheint nicht mehr nur israelische Propaganda zu sein: Immer mehr Palästinenser sprechen sich gegen die Hamas aus. Die langjährigen Machthaber im Gazastreifen seien «Verrückte», die «Gaza zerstören», sagt jetzt ein Ex-Minister der Hamas.
Publiziert: 11.12.2023 um 01:04 Uhr
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Aktualisiert: 11.12.2023 um 09:24 Uhr
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Israel hat Jahia Sinwar, den Hamas-Führer im Gazastreifen, zum «lebenden Toten» erklärt. Sinwar ist auf der Flucht. Womöglich hat er sich längst ins sichere Ausland abgesetzt.
Foto: IMAGO/ZUMA Wire
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Daniel KestenholzRedaktor Nachtdienst

Nach mehr als zwei Monaten Krieg im Gazastreifen «gibt es Anzeichen dafür, dass das System der Hamas auseinanderfällt», sagte der israelische Generalstabschef Herzi Halewi (55). «Ergebt euch – jetzt», appellierte am Sonntag Israels Premier Benjamin Netanyahu (74) an Hamas-Terroristen.

Fotos zeigen, wie sich in den letzten Tagen Dutzende der militanten Palästinenser Israels Streitkräften ergeben haben und ihre Waffen niederlegen. Nun mehren sich auch Anzeichen, dass sich Palästinenser gegen ihre Hamas-Machthaber wenden.

In einem Verhör äussert ein früherer Hamas-Minister Kritik an Hamas-Führer Jahia Sinwar (61) und der Führung der Radikalislamisten. Sinwar (61), der untergetauchte Führer der Terrorgruppe im Gazastreifen, wird von Israel als «dead man walking» gejagt, als «lebender Toter», dessen Tage gezählt seien. Der ehemalige Hamas-Kommunikationsminister Yousef al-Mansi bezeichnet seine ehemaligen Weggefährten jetzt als «verrückte Leute», die «Gaza zerstören».

«Wir müssen sie loswerden»

Der israelische Inlandsgeheimdienst Schin Bet hat am Sonntag Videomaterial zum Verhör von al-Mansi veröffentlicht. «Sie zerstörten den Gazastreifen», sagt al-Mansi über die Hamas. «Sie werfen den Gazastreifen um 200 Jahre zurück.» Palästinenser im Gazastreifen sagen heute offen, so al-Mansi in dem 14-minütigen Video, «dass Sinwar und seine Gruppe uns zerstört haben, wir müssen sie loswerden».

Israelische Propaganda? Al-Mansi macht nicht den Eindruck, dass er zu den Aussagen gezwungen wird. Mit ruhiger Stimme sagt er: «Ich habe im Gazastreifen niemanden gesehen, der Sinwar unterstützt. Niemand mag Sinwar. Es gibt Menschen, die Tag und Nacht dafür beten, dass Gott uns von ihm befreit.»

Die Hamas-Anschläge vom 7. Oktober seien «das Gegenteil des Islam», so der ehemalige Minister. «Das ist Ketzerei, Wahnsinn. Was sie getan haben, ist nach der Logik, der Religion oder dem Verstand inakzeptabel. Verantwortlich dafür sind Sinwar und seine Gruppe.»

«Ich schwöre bei Gott, wir bekommen keine Hilfe»

Auch arabische Medien, die bislang stramm die Hamas-Linie vertraten, bringen unbequeme Wahrheiten ans Licht. Am Freitag riskierte eine ältere Frau in Gaza ihr Leben, um einem Reporter von Al Jazeera zu erzählen, dass die Hamas ihre Hilfspakete in Tunneln transportieren würde. «Alles geht zu ihren Häusern», so die erboste Frau.

Eine junge palästinensische Mutter, die ihr Baby in den Armen hält, sagte einem Journalisten: «Die Welt schickt uns humanitäre Hilfe, aber ich schwöre bei Gott, dass wir nichts bekommen.»

Die britische «Mail on Sunday» berichtet zudem aus dem Gazastreifen, dass Palästinenser die Hamas beschuldigen, ganze Stadtviertel zu plündern, die seit Kriegsausbruch evakuiert worden seien.

«Hunderte Terroranschläge in Europa vereitelt»

Israels Verteidigungsminister Yoaw Galant (65) wirft der Hamas vor, aus der humanitären Krise im Gazastreifen «Kapital zu schlagen». Auch er verweist auf Berichte von in Gaza eingeschlossenen Menschen, wonach die Hamas Lebensmittel und Hilfsgüter stehle.

«Dies ist ein Kollisionskurs zwischen Zivilisationen», sagte der Verteidigungsminister der «Daily Mail». Die Hamas-Propaganda, die sich weltweit über Universitäten und Intellektuelle ausbreite, nennt er «ein mittelalterliches Phänomen». Israel «kämpft an der Front der freien Welt», so Galant. Damit habe Israel «in den letzten Jahren Hunderte von Terroranschlägen in Europa vereitelt».

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