«Jeder, mit dem ich gesprochen habe, ist begeistert von der Idee»
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Trump will Gaza übernehmen:«Jeder, mit dem ich gesprochen habe, ist begeistert»

«Wenn notwendig» mit Truppen
Trump will Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen

Donald Trump will den Gazastreifen unter US-Kontrolle bringen und zu einer «Riviera des Nahen Ostens» umgestalten. Der umstrittene Plan sieht vor, die palästinensische Bevölkerung umzusiedeln und das Gebiet neu zu entwickeln.
Publiziert: 05:22 Uhr
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Aktualisiert: 13:46 Uhr
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Donald Trump und Benjamin Netanyahu traten am Dienstag (Ortszeit) im Weissen Haus vor die Medien.
Foto: AFP

Auf einen Blick

  • USA wollen den Gazastreifen übernehmen und wirtschaftlich entwickeln
  • Palästinenser sollen in benachbarte arabische Staaten umgesiedelt werden
  • Präsident Donald Trump schliesst auch den Einsatz von Truppen nicht aus
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US-Präsident Donald Trump (78) schockt mit einem neuen Vorstoss zum Nahostkonflikt. Der Republikaner will, dass die Vereinigten Staaten die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen und das vom Krieg zerstörte palästinensische Küstengebiet wirtschaftlich entwickeln. «Die USA werden den Gazastreifen übernehmen», sagte Trump nach einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu (75) im Weissen Haus in Washington. «Wir werden ihn besitzen», betonte er – und schloss nicht aus, zur Absicherung dieser Pläne im Zweifel auch US-Truppen dorthin zu schicken.

Aus dem Gazastreifen könne so eine «Riviera des Nahen Ostens» werden, sagte Trump. Die rund zwei Millionen Palästinenser, für die der Gazastreifen ihre Heimat ist, sollen nach Trumps Willen künftig in anderen arabischen Staaten der Region leben. Diesen Vorschlag vertritt der Republikaner bereits seit einer Weile und stösst damit auf viel Kritik. Dass er dies nun zu einer Geschäftsidee weiterdreht, dürfte grosse Proteste auslösen. Ebenso wie die Drohung, im Zweifel auch das Militär einzuschalten. Auf die Frage, ob er US-Truppen in den Küstenstreifen entsenden würde, um das Sicherheitsvakuum zu füllen, sagte Trump: «Wenn es notwendig ist, werden wir das tun.»

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Nur noch ein Trümmerfeld

Der Gazastreifen ist ein 365 Quadratkilometer grosses Gebiet am Mittelmeer zwischen Israel und Ägypten. Das abgeriegelte Küstengebiet, in dem schon vorher äusserst schwierige Lebensbedingungen für die Zivilbevölkerung herrschten, wurde im Krieg zwischen Israel und der Hamas in ein Trümmerfeld verwandelt. Auslöser des Krieges war ein verheerendes Massaker der Hamas, bei dem am 7. Oktober 2023 rund 1200 Menschen in Israel getötet und mehr als 250 nach Gaza verschleppt wurden. Israels Armee reagierte mit Angriffen auf die Terrorgruppe, die den Gazastreifen in Schutt und Asche legten.

Nach Uno-Angaben wurden dort während des Krieges rund zwei Drittel aller Gebäude zerstört oder beschädigt. 90 Prozent der rund 2,1 Millionen Menschen im Gazastreifen wurden zu Binnenflüchtlingen. Nach palästinensischen Angaben, die von den Vereinten Nationen als glaubhaft eingestuft werden, wurden mehr als 47'000 Menschen getötet.

«Grossartige» Bau-Visionen

Nun schwärmt der US-Präsident und ehemalige Immobilienunternehmer Trump öffentlich, dass ausgerechnet dieses Gebiet immenses Potenzial für Wirtschafts- und Immobilienentwicklung habe. «Ich denke, das Potenzial des Gazastreifens ist unglaublich», sagte er. Dort könnten künftig Menschen aus aller Welt leben. Das Ganze könne einfach «phänomenal» und «grossartig» werden – und auch «für die Palästinenser wunderbar».

Man werde sich darum kümmern, «alle gefährlichen, nicht explodierten Bomben und andere Waffen auf dem Gelände zu beseitigen» und es «einebnen», um es dann wieder aufzubauen, führte Trump aus. Auf diese Weise sollten «eine unbegrenzte Anzahl von Arbeitsplätzen und Wohnraum für die Menschen in diesem Gebiet» geschaffen werden.

Idee einer Total-Zwangsumsiedlung

Trump spricht sich schon länger dafür aus, den Gazastreifen komplett zu räumen und die dort lebenden Palästinenser in arabische Länder «umzusiedeln»: etwa nach Ägypten oder Jordanien. Die Umsiedlung von Menschen gegen ihren Willen gilt als Zwangsumsiedlung oder Vertreibung.

Der US-Präsident bemüht sich, es so darzustellen, als sorge er sich allein um das Wohlbefinden der Palästinenser. Er beschreibt das Küstengebiet als schlicht unbewohnbar. Alles dort sei zerstört. «Es ist unsicher, es ist unhygienisch. Es ist kein Ort, an dem Menschen leben wollen.» Alles gleiche einem «Abrissgebiet», sagte er. «Diese Gaza-Sache hat nie funktioniert.» Der Gazastreifen sei nach gut 15 Monaten Krieg ein «elendes Loch».

«Sie müssen uns erst umbringen»

Die Idee einer Zwangsumsiedlung der Palästinenser sorgte bereits vor der denkwürdigen Pressekonferenz für viel Empörung. Jordanien und Ägypten lehnten den Vorstoss ab, weil sie ihn als Ende der langen Bemühungen um einen Palästinenserstaat betrachten. Die islamistische Hamas, die 2007 die Kontrolle über den Gazastreifen übernommen hatte, warf Trump «Rassismus» vor und einen unverhohlenen Versuch, den Palästinensern ihre unveräusserlichen nationalen Rechte zu verweigern.

Vor allem aber die Menschen im Gazastreifen reagierten wütend auf Trumps Ansinnen, sie von dort zu vertreiben. Abdel Aziz Hana, ein Palästinenser aus Gaza, sagte: «15 Monate lang habe ich die Bombardierungen und Zerstörungen in Gaza-Stadt ertragen.» Er habe Dutzende Verwandte und geliebte Menschen verloren, weil sie den Gazastreifen nicht hätten verlassen dürfen, erzählte der 49-jährige Vater von sieben Kindern, der in einem Zelt neben den Trümmern seines Hauses lebt. «Also wie kann so ein dummer Mann denken, dass wir unser Land verlassen werden?»

Ein anderer Einwohner namens Abu Mahmoud sagte, wenn Trump glaube, dass die Palästinenser ihr Land verliessen, dann habe er Wahnvorstellungen. «Sie müssen uns erst umbringen», sagte er, «weder unsere Füsse noch unsere Herzen werden Gaza verlassen, selbst wenn wir darin getötet werden». Die Wut dieser Männer war schon gross, bevor Trump seine Idee weitertrieb und Gaza öffentlich quasi als Badeort der Zukunft anpries. Nun dürfte sie noch wachsen.

Schwiegersohn mit finanziellen Interessen?

Trumps Vorstoss erinnert an eine Äusserung seines Schwiegersohnes Jared Kushner, der das Küstengebiet des Gazastreifens vor einem Jahr als «sehr wertvoll» bezeichnete. Der Ehemann Ivanka Trumps schlug vor, palästinensische Zivilisten vorübergehend umzusiedeln, um dort «aufzuräumen». Kushner war während Trumps erster Amtszeit dessen Nahost-Berater und knüpfte enge Bünde zu wichtigen Akteuren in der Region. Kritiker weisen darauf hin, dass Kushner, der in der Immobilienbranche tätig ist, wirtschaftliche Ambitionen im Nahen Osten hat – und zugleich weiter eine einflussreiche Stimme in Trumps Umfeld ist.

Unterstützung für seine Gaza-Pläne bekommt Trump vom israelischen Ministerpräsidenten. «Er sieht eine andere Zukunft für dieses Stück Land, das der Ursprung von so viel Terrorismus war», sagte Netanyahu bei dem gemeinsamen Auftritt mit Trump im Weissen Haus. «Das ist etwas, das die Geschichte verändern könnte.» Netanyahu schwärmte generell über Trumps Abkehr von «konventionellen Denkweisen» und dessen «frische Ideen».

Segen für Netanyahu

Für Netanyahu, der wegen der Kriegsführung im Gazastreifen international massiv kritisiert wird, ist Trumps Rückkehr ein Segen. Der Republikaner empfing ihn als ersten ausländischen Gast seit seinem Amtsantritt. Eine solche Einladung direkt zu Beginn der Amtszeit ist eine starke Geste der Unterstützung für den in Bedrängnis geratenen Ministerpräsidenten.

Die USA sind der wichtigste Verbündete Israels. Trumps Vorgänger Joe Biden (82) hatte zwar trotz der zunehmenden Kritik am Vorgehen in Gaza zu Israel gehalten, gegenüber Netanyahus Regierung aber deutlich schärfere Töne angeschlagen. Das Verhältnis zwischen Biden und Netanyahu war angespannt und der demokratische US-Präsident ging zeitweise auffallend auf Distanz zu dem Israeli. Trump dagegen ist als enger Verbündeter Netanyahus bekannt.

Bereits in seiner ersten Amtszeit (2017–2021) hatte Trump eine Reihe einseitig proisraelischer Entscheidungen getroffen und damit die Palästinenser gegen sich aufgebracht. Seine Positionierung in der Nahost-Politik war bislang vorhersehbar. Doch Trumps neuen Vorstoss haben selbst seine grössten Kritiker nicht kommen sehen.

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