«Welche Freiheit haben wir noch?»
Mit diesen perfiden Tricks geht China gegen Protestler vor

Chinas strikte Null-Covid-Politik und die damit verbundenen Lockdowns haben eine landesweite Protestwelle ausgelöst. Mittlerweile richtet sich diese auch gegen Staatschef Xi Jinping. Die Regierung versucht mit perfiden Tricks, die Demonstrationen niederzuschlagen.
Publiziert: 02.12.2022 um 17:04 Uhr
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China geht hart gegen Demonstranten vor.
Foto: keystone-sda.ch
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Johannes HilligRedaktor News

Im Kampf gegen die landesweiten Proteste setzt China auf Hightech und Härte. Die Polizei nutze offenbar Gesichtserkennungssoftware und Handydaten, um deren Teilnehmer und Teilnehmerinnen aufzuspüren und festzunehmen, sagt die Menschenrechtsanwältin Wang Shengsheng aus der Stadt Zhengzhou, die den Demonstranten kostenlose Rechtsberatung anbietet. Auslöser der Proteste ist die strenge Corona-Politik mit ihren knallharten, wiederkehrenden Lockdowns. Inzwischen richten sie sich jedoch allgemein gegen die kommunistische Führung.

In der Hauptstadt Peking könnte die Polizei die Standortdaten von Telefonen verwendet haben, die entweder von Scannern vor Ort erfasst wurden oder von Taxifahrern beim Überprüfen der Corona-App, vermutet die Juristin. «Viele Anrufer aus Peking waren verwirrt, weil sie von der Polizei kontaktiert wurden, obwohl sie nur an einer Demonstration vorbeigelaufen waren. Wir haben keine Ahnung, wie genau sie das gemacht haben», sagt Wang. In anderen Städten scheine die Polizei Aufnahmen von Überwachungskameras und Gesichtserkennung genutzt zu haben.

Mehr als 20 Menschen suchten in den vergangenen Tagen Rat bei der Anwältin. Einige von ihnen hatten selbst demonstriert, andere sorgten sich um festgenommene Freunde und Verwandte. Die meisten Festgenommenen seien jedoch innerhalb eines Tages wieder freigelassen worden, sagt Wang.

Telegram-Konten werden missbraucht

In Shanghai beschlagnahmte die Polizei der Anwältin zufolge die Handys aller Verhörten. «Vielleicht, um alle ihre Daten herunterzuladen», vermutet sie. Anrufer aus dem südchinesischen Guangdong erzählten Wang, dass ihre Konten im verschlüsselten Messengerdienst Telegram gehackt worden seien, nachdem die Polizei auf dem Weg zu den Kundgebungen ihre Ausweise registriert hatte.

Freunde von festgenommenen Pekinger Demonstranten erzählten, dass die Telegram-Konten ihrer Freunde genutzt wurden, während diese in Haft sassen – was darauf hinweist, dass die Polizei darauf zugriff. In verschlüsselten Chat-Gruppen von Demonstranten, die in China nur mit verbotener VPN-Software zugänglich sind, kursieren Berichte von Festnahmen und Einschüchterungen – weshalb alle Teilnehmer aufgefordert werden, Chatverläufe, Videos und Fotos von den Demos zu löschen.

In den in China stark überwachten Online-Netzwerken können Nutzer, die etwas zu den Protesten posten, leicht ausfindig gemacht werden, da sie sich mit ihrem echten Namen registrieren müssen.

«Sie haben keine Privatsphäre»

Journalisten der Nachrichtenagentur AFP beobachteten mehrere Polizisten, die am Sonntag in Peking Demonstranten und Demonstrantinnen filmten. Sie und ihre fünf Freunde seien nach dem Protestzug im Botschaftsviertel von der Polizei angerufen worden, berichtete eine Demonstrantin der AFP. Am Dienstag sei sie auf die Wache bestellt worden, aber dann mangels aktuellem Corona-Test wieder weggeschickt worden.

In Shanghai wurde ein AFP-Reporter Zeuge mehrerer Festnahmen. Die Polizei nahm einem Demonstranten gewaltsam das Telefon ab, um es auf Apps der in China gesperrten ausländischen Online-Netzwerke zu überprüfen. Diese werden zur Organisation der Proteste genutzt. «Sie haben keine Privatsphäre», sagt ein Beamter zu einem 17-jährigen Demonstranten in Shanghai.

«Bei gewöhnlichen Kriminalfällen, wenn Menschen verschwinden oder getötet werden, nutzen sie die Hightech-Überwachungstechnologien nicht», sagt Wang. «Aber bei öffentlichen Protesten werden offenbar hochentwickelte digitale Technologien eingesetzt», beklagt die Anwältin. «Wenn unsere Handys beschlagnahmt und nach Belieben manipuliert werden können – welche Freiheit haben wir dann noch?» (AFP/jmh)

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