Auf einen Blick
- China baut derzeit an einem neuartigen Flugzeugträger im Süden des Landes
- Chinas Schiff könnte militärisch und zivil genutzt werden, mutmassen Fachleute
- China soll nach Einschätzung des US-Verteidigungsministeriums, wohl derzeit die grösste Kriegsmarine der Welt besitzen
Die US-amerikanische Armee gilt als schlagkräftigstes Heer der Welt. Das widerspiegelt sich auch in den Militärausgaben. Satte 916 Milliarden US-Dollar betrugen diese für das Jahr 2023. An zweiter Stelle folgt China, das im vergangenen Jahr 296 Milliarden US-Dollar in seine Truppen investiert hat – Tendenz steigend.
Auch wenn bei den Militärausgaben also noch eine ziemliche Lücke zwischen Supermacht Nummer 1 und Supermacht Nummer 2 klafft, so ist die Differenz bei der effektiven Ausrüstung längst nicht so eklatant. Besonders die Marine der Volksbefreiungsarmee (PLAN) wurde in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut. So sehr, dass China mit mutmasslich 350 Schiffen und Unterseebooten die USA diesbezüglich bereits übertroffen hat.
Gerade im Pazifik verfolgt China ein grosses Ziel: Peking will die maritime Hegemonie brechen, die sich Washington seit dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut hat. Das Land ist auf dem besten Weg, dies zu erreichen. Denn ein abruptes Ende des Aufrüstens hat Chinas Präsident Xi Jinping (71) ganz sicher nicht im Sinn. Erst kürzlich wieder haben Satellitenaufnahmen Gerüchte um chinesische Neuentwicklungen befeuert.
Hinwendung zu «Strategie der militärisch-zivilen Fusion»
Die Bilder zeigen ein Schiff mit einem grossen, offenen Flachdach, das derzeit bei Guangzhou Shipyard International auf der Insel Longxue in der südlichen Provinz Guangdong gebaut wird. Dieser potenzielle neue Flugzeugträger «hat eine eher ungewöhnliche Form und Grösse – viel kleiner als Chinas bisherige Flugzeugträger», sagt Thomas Shugart, ein ehemaliger U-Boot-Kommandant der US-Marine und heute Fellow am Center for a New American Security, gegenüber «The War Zone».
Zu welchem Zweck genau das mit 200 Metern Länge und 40 Metern Breite geschätzte Schiff gebaut wird und wofür es dereinst eingesetzt werden soll, ist nicht klar. Immerhin sind die Grenzen zwischen zivilen und militärischen Ressourcen in China, insbesondere im maritimen Bereich, oftmals verschwommen.
Das Schiff weist einerseits Merkmale auf, die auf einen leichten Flugzeugträger oder ein amphibisches Angriffsschiff mit grossem Deck deuten. Andererseits gibt es einige Hinweise darauf, dass es sich um das erste zivile Meeresforschungsschiff seiner Art handeln könnte. Dies deute darauf hin, dass China möglicherweise den weltweit ersten «angeblich zivilen ‹Flugzeugträger› als eine Art ozeanografisches Forschungsschiff baut», so Shugart.
Der Bau des mutmasslich neuartigen Flugzeugträgerschiffs in Südchina könnte ein Zeichen für eine weitere Hinwendung zu Pekings erklärter «Strategie der militärisch-zivilen Fusion sein, die unter anderem zivil-militärisch nutzbare Schiffe mit doppeltem Verwendungszweck vorsieht».
Kostengünstige Ergänzung der operativen Fähigkeiten
Laut Carl Schuster, einem ehemaligen Einsatzleiter des Joint Intelligence Center des US-Pazifikkommandos, könnte das Schiff möglicherweise «eine kostengünstige Ergänzung der operativen Fähigkeiten der Marine der Volksbefreiungsarmee in einem Umfeld geringer Bedrohung und ihrer logistischen Kapazitäten darstellen.»
Aufgrund seiner Leichtbauweise könne das Schiff etwa als Helikopter- oder Drohnenträger für die chinesische Küstenwache dienen, die zunehmend als quasi-militärische Truppe eingesetzt werde, meint Schuster. «Der Besitz einer Luftfahrtplattform würde die Überwachungsmöglichkeiten der Küstenwache in den entfernten Gewässern des südlichen südchinesischen Meeres und möglicherweise östlich von Taiwan erweitern», so Schuster weiter.
«Es könnte auch als Logistikunterstützungs- und Reparaturschiff bei einer amphibischen Operation dienen, sobald der Strand gesichert ist», fügt der Experte hinzu. Eine weitere These: Bei dem, was gerade in Guangzhou gebaut wird, bringen Fachleute auch eine Art massgeschneiderte militärische Trainings- oder Testplattform ins Spiel.
Peking tritt selbstbewusster auf
Die Chinesen verfügen bereits über mehrere ungewöhnliche Marineplattformen, darunter solche, die senkrecht startende und landende Drohnen starten und bergen können und die primär für solche Aufgaben konzipiert sind.
Peking tritt in seiner Heimatregion immer selbstbewusster auf, um seine Ansprüche im südchinesischen Meer durchzusetzen und Taiwan einzuschüchtern. Wie und ob das sich derzeit noch im Bau befindende neue Schiff dazu beitragen wird, ist noch offen.