Am Freitag droht Grossbritannien der grosse Kollaps. Den britischen Pensionskassen droht der Bankrott. Das Steuerprogramm der neuen Regierung hat verheerende Folgen. Um die Altersvorsorge der Bevölkerung zu sichern, kauft die Zentralbank täglich Staatsanleihen – aber nur bis Freitag. Blick beantwortet die wichtigsten Fragen.
Ist die Altersvorsorge bedroht?
Alles deutet darauf hin. Laut Gerhard Dannemann, Professor für britische Ökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin, geht es um die privaten Pensionskassen. «Die spielen aber wegen der sehr bescheidenen staatlichen Renten eine bedeutende Rolle.» Zwar erhalten Britinnen und Briten eine staatliche Rente, diese reicht aber in der Regel nicht. Sie sind auf die Gelder der Pensionskassen angewiesen. Sandra Holdsworth, bei Aegon Asset Management für festverzinsliche Produkte in Grossbritannien zuständig, sagt gegenüber der «Financial Times»: «Die Probleme der Pensionskassen und Rentenversicherungen sind viel grösser, als irgendjemand noch vor kurzer Zeit gedacht hätte.»
Für wie viel Geld kauft die Zentralbank Staatsanleihen?
Die Bank of England gibt jeden Tag rund zehn Milliarden Pfund aus. Das sind umgerechnet über elf Milliarden Franken. Dies, damit die Pensionskassen flüssig bleiben und ein Kollaps verhindert wird. Denn das Mini-Budget, wie die Medien das neue britische Haushaltsprogramm von Premierministerin Liz Truss (47) nennen, hat verheerende Auswirkungen (siehe unten). Mit dem Ankauf begonnen hat die Zentralbank bereits Ende September, diese Woche hat sie das Volumen verdoppelt.
Was genau ist das Mini-Budget?
Das Paket enthält unter anderem massive Steuersenkungen insbesondere für Spitzenverdiener, die über Schulden finanziert werden. Es führte zum Rückzug vor allem von ausländischen Investoren aus dem Vereinigten Königreich und schlägt ein gigantisches Loch in die britische Haushaltskasse. Auf den Finanzmärkten brach Panik aus: Kurzzeitig fiel das Pfund auf den tiefsten Stand, den es gegenüber dem US-Dollar je hatte. Auch die Kurse der britischen Staatsanleihen fielen, viele Investoren verkauften diese umgehend. Universitätsprofessor Dannemann kritisiert: «Sowohl der Sachverstand der Ministerialbürokratie als auch der Budgetverantwortlichen wurde umlaufen.»
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Zinszahlungen steigen. Das wiederum wird für die Pensionskassen zum existenziellen Problem. Denn sie versprechen ihren Kundinnen und Kunden einen bestimmten jährlichen Zins. Und um den zu erwirtschaften, investieren sie einen grossen Teil ihrer Gelder in verzinste Staatsanleihen. Die Pensionskassen mussten zudem wegen der Marktentwicklung zusätzliche Sicherheiten zahlen.
Wie schlimm ist die Situation?
Die «Financial Times» zitiert einen anonymen Pensionskassen-Manager. Der sagt, dass eine der Pensionskassen schon fast bankrott ging, was zu einer verheerenden Finanzkrise in Grossbritannien geführt hätte. Experte Dannemann sagt: «Grossbritannien wird von denselben wirtschaftlichen Krisen geschüttelt wie auch Deutschland, Frankreich oder die USA – insbesondere die Abfolge von Pandemie und Ukraine-Krieg mit den stark gestiegenen Energiepreisen.» Diese wirtschaftlich schwierige Situation würde durch die Folgen des Brexit noch verstärkt.
Was passiert am Freitag?
Das weiss niemand so genau. Während die britische Regierung laut der «Financial Times» sagt, dass die Bank of England ihre Massnahmen fortführen würde, dementiert diese klar in einem Statement. Die Rentnerinnen und Rentner auf der Insel müssen weiter um ihre Existenz zittern.