Die Ausbreitung der Corona-Mutationen aus Grossbritannien, Südafrika und Brasilien bereitet vielen Experten Sorgen. In Südafrika wurden geplante Impfungen mit dem Astrazeneca-Impfstoff wegen Zweifeln an dessen Wirksamkeit gegen die dort vorherrschende Variante gestoppt.
Gewährleisten die Impfungen auch gegen die neuen Corona-Mutationen ausreichend Schutz? Macht die Ausbreitung neuer Virusvarianten die bisher entwickelten Impfstoffe nutzlos? Diese Fragen beschäftigen auch Microsoft-Gründer Bill Gates (65), der sich als einer der grössten Geldgeber der Weltgesundheitsorganisation (WHO) an vorderster Front bei der Bereitstellung von Impfstoffen engagiert. Gates bringt nun im Zusammenhang mit den neuen Corona-Mutationen eine dritte Impfdosis ins Spiel, wie aus einem Interview mit dem TV-Sender CBS News hervorgeht.
Hersteller planen Anpassungen
Besondere Sorge bereiten Gates die Mutationen aus Südafrika und Brasilien. Eine dritte Dosis des Coronavirus-Impfstoffs könnte nötig werden, um schwere Fälle neuer Varianten der Krankheit zu verhindern, so Gates. «Die Diskussion ist jetzt, ob wir nur eine superhohe Abdeckung des aktuellen Impfstoffs brauchen oder eine dritte Dosis, die genauso wirksam ist, oder ob wir einen modifizierten Impfstoff brauchen.»
Die Firmen, welche die in den USA zugelassenen Impfstoffe herstellen, erwägen laut Gates, entsprechende Modifikationen vorzunehmen. Somit würden «Menschen, die bereits zwei Impfungen erhalten haben, vielleicht eine dritte Impfung bekommen müssen».
Dass eine dritte Impfdosis die Ausbreitung der Corona-Mutationen ausbremsen könnte, bestätigt Michael Hoelscher, Leiter der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin des LMU Klinikums in München, gegenüber dem «Spiegel». Doch mit den bisher zugelassenen Mitteln lässt sich das offenbar nicht ohne Weiteres umsetzen, wie Hoelscher am Beispiel von Deutschland erklärt.
Nachlassende Wirkung, zunehmende Nebenwirkungen
Die sogenannten mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna können laut Hoelscher zwar relativ problemlos an neue Virusvarianten angepasst werden. Dies treffe auch auf die sogenannten Vektor-Imfpstoffe wie von Astrazeneca zu. «Bei Vektor-Impfstoffen besteht allerdings das Risiko, dass sie bei der dritten Dosis ihre Wirksamkeit verlieren», sagt Hoelscher. «Bei den mRNA-Impfstoffen könnten die Impfreaktionen nach der dritten Dosis zu stark ausfallen», befürchtet er. Das müsse jetzt durch Studien ausgeschlossen werden.
Die Zulassungsstudien zeigen, dass bei mRNA-Impfstoffen schon nach der zweiten Dosis vergleichsweise starke Impfreaktionen auftreten, sagt Hoelscher: vorübergehende Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit. Warum die Nebenwirkungen von mRNA-Impfstoffen mit jeder Dosis zunehmen, ist noch weitgehend unklar.
Mögliche Lösung noch nicht zugelassen
Eine Lösung könnte eine dritte Art von Impfstoffen sein. Die Protein-Impfungen gegen Corona – wie jene der Firma Novavax – sind bisher zwar weder in der Schweiz noch in der EU zugelassen. Doch sie haben im Vergleich zu mRNA- und Vektor-Impfstoffen einen entscheidenden Vorteil: «Wir wissen, dass wir diese Impfstoffe beliebig oft verimpfen können. Eine dritte oder vierte Dosis wäre also kein Problem», sagt Hoelscher. Zudem könnten diese schnell und in grossen Mengen produziert werden. (noo)