Eine tobende Masse, Tränengas, Schüsse, zerbrochene Fenster. Die Bilder vom Angriff auf das US-Kapitol am 6. Januar vergangenen Jahres haben sich in die Gedächtnisse der Menschheit eingebrannt. Der damalige US-Präsident Donald Trump (74) heizte die Massen wochenlang auf, sprach von gefälschten Wahlen. Er gilt bis heute als Hauptverantwortlicher für den Sturm. Noch immer laufen Untersuchungen, werden Menschen wegen des Sturms verurteilt.
Auch auf die Schweiz hatten die Ereignisse einen Einfluss. Denn bis zum 6. Januar galten die USA als längst bestehende Demokratie der Welt. «Mit dem Sturm auf das Kapitol wurden die USA zum ersten Mal seit dem Jahr 1800 zur Anokratie, einem Land mit unklaren Machtverhältnissen, heruntergestuft», erklärt Politwissenschaftlerin Barbara F. Walter von der University of California in einem Podcast des «New York Public Radio».
Diese Herabstufung kosteten die USA auch den Platz als längst bestehende Demokratie weltweit. «Dieser Platz gehört nun der Schweiz», erklärt Walter. Diese gilt seit der Einführung der Bundesverfassung im Jahre 1848 als Demokratie.
«USA können schnell in einen Bürgerkrieg abrutschen»
Das Ranking wurde vom Center for Systemic Peace erstellt und Ende Dezember aktualisiert. Seither hält die Schweiz offiziell den Spitzenplatz. Viele Geheimdienste, darunter auch die amerikanische CIA, würden sich bei der Beurteilung der Stabilität eines Landes auf dieses Ranking stützen, sagt Walters, die jahrelang bei der CIA arbeitete.
Jedes Land erhalte dabei ein Ranking zwischen +10 und -10. «Die Schweiz, Neuseeland und Kanada liegen alle mit einem +10-Ranking an der Spitze. Aber die Schweiz hat dieses Ranking am längsten inne», so Walters.
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Die USA hingegen seien im Laufe der Regierungszeit Trumps von +10 auf +5 Punkte gefallen und gelten damit als Anokratie, einem Land mit unklaren Machtverhältnissen und dem Potenzial für politische Unruhen. «Ein Land mit dem Ranking der USA kann durch eine Kombination von schlechter Regierungsführung und weiteren undemokratischen Ereignissen schnell in den Bürgerkrieg abrutschen», sagt Walters weiter.
Gefahr von Bürgerkrieg «real»
Im vergangenen Jahr habe sich die Situation aber trotz des Kapitolsturms etwas stabilisiert. Die USA liegen Ende 2021 daher wieder bei +8 Punkten und gelten damit als «aktuell stabile Demokratie». Das könne sich aber sehr schnell wieder ändern, fürchtet Walters. «Die Gefahr von politischen Unruhen oder sogar einem Bürgerkrieg ist derzeit sehr real.»
Auch das Stockholmer Internationale Institut für Demokratie setzte die USA auf die Liste «potenziell gefährdeter Demokratien». Als Begründung gab das Institut an, die USA als «ehemalige Bastion der Demokratie» sei «Opfer von autoritären Tendenzen» geworden. So würden mehr als 17 Prozent aller Hardcore-Republikaner Gewalt unterstützen, um Donald Trump wieder an die Macht zu bringen. (zis)