Die Ukraine hat mit ihrer Widerstandskraft gegen das militärisch klar überlegene Russland die ganze Welt überrascht. Doch die Verteidiger haben eine grosse Schwachstelle: das Schwarze Meer. Schon früh konnten die Russen dort eine Seeblockade errichten.
Weil die ukrainische Marine eher schwach aufgestellt ist, dürften die Invasoren noch lange die Herrschaft über den Meereszugang behalten. Damit verpasst Putin der Wirtschaft in der Ukraine einen harten Schlag. Vor dem Krieg fand nämlich ein Grossteil des ukrainischen Exports über das Schwarze Meer statt, wie die «Welt» berichtet. Vor allem landwirtschaftliche Produkte wie Getreide waren wichtig.
Umgehen der Seeblockade gescheitert
Doch nicht nur die Ukraine, sondern Nationen auf der ganzen Welt haben wegen der russischen Seeblockade jetzt ein Problem. Die Ukraine war vor dem Krieg mit 60 Millionen Tonnen nämlich der zweitgrösste Getreideexporteur weltweit, hinter den USA. Da dieses Getreide nun blockiert ist, droht bei gleichbleibender Situation eine globale Nahrungsmittelkrise.
Bereits Ende April hat Kiew versucht, die russische Seeblockade zu umgehen. Per Zug brachte man Getreide nach Rumänien, und von den dortigen Häfen aus verschiffte man es in die Welt. Die Russen erkannten das Manöver aber schnell und unterbanden es, indem sie gezielt eine wichtige Verbindungsbrücke in Odessa bombardierten.
Westliche Länder schicken Anti-Schiffsraketen
Um den Getreideexport komplett auf die Schienen zu verlagern, und etwa über die polnische Grenze zu transportieren, fehlen der Ukraine die Güterzüge. Zudem hat die EU andere Gleisabstände als die Ukraine. Somit müsste das gesamte Transportgut umgeladen werden.
Für die Ukraine gibt es somit wohl keinen Weg, das Getreide zu exportieren. Viele westlichen Länder haben deswegen jetzt Massnahmen ergriffen, da sie auf das Korn aus der Ukraine angewiesen sind. So haben die Briten moderne Anti-Schiffsraketen geschickt, die gegen die russischen Kampfschiffe eingesetzt werden können. Auch Dänemark hat kürzlich die Lieferung eines landgestützten Harpoon-Systems angekündigt.
Ex-Oberbefehlshaber hat Lösung
Diese Waffenlieferungen dürften aber nicht reichen, um die Freiheit der ukrainischen Schifffahrt wiederherzustellen. Deshalb könnte bald sogar die Nato intervenieren. Denn etliche Nato-Mitgliedstaaten haben ein Interesse daran, dass die Handelsschiffe aus der Ukraine wieder fahren.
Damit würde sich das Verteidigungsbündnis auch nicht direkt am Krieg beteiligen. Der ehemalige Oberbefehlshaber der Nato, James Stavridis (67), erklärte in einem Kommentar beim Informationsportal «Bloomberg»: «Das Schwarze Meer besteht zum grössten Teil aus internationalen Gewässern. Nato-Kriegsschiffe haben deshalb das Recht, fast überall zu fahren, wo sie wollen, die Territorialgewässer der Ukraine eingeschlossen.»
Nato will Russland nicht provozieren
Auch Uno-Generalsekretär Antonio Guterres (73) äusserte vor Kurzem die Idee, einen humanitären Korridor im Schwarzen Meer zu schaffen. So könne man eine Lebensmittelkrise in der Dritten Welt verhindern, ohne in den Krieg einzugreifen.
Bisher verzichtete die Nato auf das Entsenden von Kriegsschiffen ins Schwarze Meer, um Russland nicht zu provozieren. Doch mit jedem Tag steigt die Wahrscheinlichkeit einer Nahrungsmittelkrise. Schon bald könnten Kriegsschiffe der Nato somit ukrainische Handelsschiffe eskortieren, um sie so vor den russischen Kreuzern zu schützen. (obf)