Inmitten der traurigen Berichte aus den Kriegsgebieten wie der Ukraine, dem Sudan und dem Jemen gab es diese Woche eine Nachricht, die hoffen lässt: Nach jahrzehntelangem Kampf um die Konfliktregion Berg-Karabach wollen die verfeindeten Ex-Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan ihren Streit beilegen.
Besonders der armenische Premierminister Nikol Paschinjan (47) will den Friedensprozess schnell vorantreiben. An einer Pressekonferenz diese Woche sagte er: «86’600 Quadratkilometer des Territoriums Aserbaidschans umfassen auch Berg-Karabach. Wenn wir einander richtig verstehen, dann erkennt Armenien die territoriale Integrität Aserbaidschans innerhalb der genannten Grenzen an, und Baku erkennt die territoriale Integrität Armeniens auf 29’800 Quadratkilometern an.»
Bedingung für die Anerkennung ist für Paschinjan, dass Aserbaidschan die Rechte der in der Region Berg-Karabach lebenden knapp 100’000 Armeniern garantieren müsse.
Paschinjan traf sich am Donnerstag in Moskau zu Friedensgesprächen mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew (61). Alijew sagte: «Ich denke, dass es die Möglichkeit eines Friedensabkommens gibt – insbesondere angesichts der Tatsache, dass Armenien offiziell Karabach als Teil Aserbaidschan anerkannt hat.»
Auch Russland vermittelt
Zu den Friedensvermittlern gehören sowohl Russland, die USA als auch die EU. Die beiden Staatsvertreter trafen sich in Moskau unter Vermittlung von Kreml-Chef Wladimir Putin (70), der bisher Armenien unterstützte. Russland hat ein Interesse an einem Frieden, weil es sich voll auf den Krieg in der Ukraine konzentrieren und seine Beziehungen zur Türkei – Aserbaidschans wichtigstem Verbündeten – nicht belasten will.
Die Region Berg-Karabach gehört völkerrechtlich zum islamisch-geprägten Aserbaidschan. Der Konflikt um die Region entbrannte nach dem Ende der Sowjetunion 1991, in der Berg-Karabach den Status einer autonomen Region der UdSSR innehatte. Schon 1992 brach zwischen Armenien und Aserbaidschan ein Krieg um das Gebiet aus, in dem etwa 30'000 Menschen getötet und Hunderttausende Menschen vertrieben wurden. 2020 entflammte erneut ein Krieg, der mit Hilfe russischer Vermittlung nach sechs Wochen in einer Waffenruhe endete.
Die Region Berg-Karabach gehört völkerrechtlich zum islamisch-geprägten Aserbaidschan. Der Konflikt um die Region entbrannte nach dem Ende der Sowjetunion 1991, in der Berg-Karabach den Status einer autonomen Region der UdSSR innehatte. Schon 1992 brach zwischen Armenien und Aserbaidschan ein Krieg um das Gebiet aus, in dem etwa 30'000 Menschen getötet und Hunderttausende Menschen vertrieben wurden. 2020 entflammte erneut ein Krieg, der mit Hilfe russischer Vermittlung nach sechs Wochen in einer Waffenruhe endete.
Anfang Mai hatte US-Aussenminister Antony Blinken (61) die beiden Staatsvertreter zu viertägigen Gesprächen empfangen, Mitte Mai waren sie bei EU-Ratspräsident Charles Michel (47) in Brüssel. Blinken sagte, dass beide Seiten «greifbare Fortschritte in Richtung eines dauerhaften Friedensabkommens» gemacht hätten.
Noch nie so nahe am Frieden dran
Noch nie waren die Chancen auf ein Friedensabkommen so gross. Stefan Meister (48), bis 2021 Direktor des Südkaukasus-Büros der Heinrich-Böll-Stiftung und heute bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik tätig, sagt auf spiegel.de: «Mit Paschinjan ist ein Friedensvertrag zum ersten Mal möglich.» Paschinjan ist nach der «samtenen Revolution» 2018 bei demokratischen Wahlen an die Macht gekommen, will sich von Russland entfernen und Richtung Europa entwickeln.
Dennoch ist Meister skeptisch. Paschinjans Schritt sei eher «eine Einsicht in die Realität». Armenien habe den Krieg 2020 verloren und sei militärisch zu schwach, die Situation zu ändern. Aus der Sicht Aserbaidschans sei die Karabach-Frage seit dem gewonnenen Krieg gelöst.
EU kann Druck aufsetzen
Für Armenien stehe generell die Zukunft des Landes auf dem Spiel. Meister: «Es geht längst um mehr als nur Berg-Karabach. Aserbaidschan stellt inzwischen auch die Grenzen von Armenien infrage. Es hat Angriffe auf armenisches Gebiet gegeben. Damit wächst die Einsicht, Karabach lieber aufzugeben, eine mögliche friedliche Lösung zu erreichen und gleichzeitig eine Anerkennung der Grenzen zu bekommen.»
Auch der deutsche Militärexperte Ralph D. Thiele (69) ist skeptisch: «Dieser Friedensplan trägt Trauerflor. Er wird den Konflikt nicht befrieden.» Eines der Probleme: Das armenische Volk steht nicht hinter dem Zugeständnis, das Premierminister Paschinjan mache. Immerhin: «Er vermeidet bis auf Weiteres den bewaffneten Konflikt.»
Mehr zum Konflikt
Laut Meister gebe es für die EU ein Druckmittel, um Aserbaidschan zum Einlenken zu bringen. «Aserbaidschan will sein Gas auf dem europäischen Markt verkaufen, das liesse sich bei den Verhandlungen nutzen.» Zudem benötige das Land Investitionen.
Solche Versprechungen könnten bei den Gesprächen am kommenden Mittwoch gemacht werden. Dann treffen sich die beiden verfeindeten Parteien zu Gesprächen mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz (64) und dem französische Präsidenten Emmanuel Macron (45).