Gestern Abend feierte im Kosovo eine gewöhnungsbedürftige Allianz ihren Wahlsieg. Angeführt werden die drei Parteien von ehemaligen Kommandanten der Kosovarischen Unabhängigkeitsarmee UCK. Und: Mit Ramush Haradinaj und Kadri Veseli übernehmen die sogenannten Schweizer innerhalb der UCK wieder die Macht im Kleinstaat im Kosovo.
Die Demokratische Partei des Kosovo (PDK), die Allianz für die Zukunft Kosovos (AAK) und die Initiative für Kosovo (Nisma) errangen zusammen 34,7 Prozent und stehen unangefochten an der Spitze.
Den Übernamen «Schweizer» erhielten Haradinaj und Veseli, weil sie in den 90er-Jahren vor den Serben in die Schweiz geflüchtet waren. Von hier aus organisierten sie den Unabhängigkeitkampf.
Zusammen mit dem späteren ersten Premierminister nach der Unabhängigkeit, Hashim Thaci. Dieser regierte den jungen Staat bis 2014. 2016 stieg Thaci dann zum Staatspräsidenten auf. Die neue Allianz ist mit Thaci zerstritten.
Helden des Unabhängigkeitskampfes
Haradinaj, Veseli und der Chef von Nisma, Fatmir Limaj, sind im Kosovo Helden des Unabhängigkeitskampfes. Dabei waren auch sie in Kriegsverbrechen verstrickt. Veseli etwa wirkte im Kosovo-Krieg als Chef des berüchtigten UCK-Geheimdienstes. Danach mutierte dieser zum Geheimdienst der Regierung Thaci.
Der Geheimdienstler tauchte im Bericht des Schweizer Europarat-Berichterstatters Dick Marty zu möglichem Organhandel auf. Marty beschuldigte Veseli direkt, 1999 in den mutmasslichen Handel mit Organen gefangener und ermordeter Gegner verwickelt gewesen zu sein. Vom deutschen Geheimdienst BND wurde Veseli 2005 sogar als wichtige Figur der organisierten Kriminalität im Kosovo eingestuft. In Nato-Dokumenten wird er als Drogenhändler und Auftragsmörder beschrieben.
Bis 2011 verfügte Kadri Veseli über eine C-Bewilligung in einem Nordwestschweizer Kanton. Dies, obschon er schon vor der Unabhängigkeit des Kosovos von 2008 offizielle Funktionen in der Regierung ausübte.
Ex-Türsteher als neuer Ministerpräsident?
Ramush Haradinaj kandidierte als Ministerpräsident für die Allianz. Auch Haradinaj, der in seiner Zeit in der Schweiz als Rausschmeisser in einem Nachtclub in Lausanne gearbeitet hat, war für Kriegsvebrechen verantwortlich. Er sass deswegen eine Zeit lang beim internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag in Untersuchungshaft. Dumm nur, dass ein Belastungszeuge nach dem anderen bei zweifelhaften Unfällen ums Leben kam oder tot aufgefunden wurde. Danach stürzte die Anklage in sich zusammen.
IMAGE-ERROR (inline_image_9045299984353549509)Aus gleichen Gründen platzte auch der Kriegsverbrecherprozess gegen Fatmir Limaj. Gegen ihn sind zurzeit zwei Prozesse wegen Korruption und organisierter Kriminalität hängig.
Für die EU ist der Wahlausgang nicht nur wegen der zweifelhaften Verstrickungen der drei Ex-Guerilla-Kommandanten keine gute Nachricht: Die drei radikalen Parteien wollen zentrale Kompromisse zwischen dem fast nur noch von Albanern bewohnten Kosovo und dem Nachbarn Serbien wieder rückgängig machen. Die EU hatte diese Abmachungen in jahrelanger Vermittlung mühsam erzielt.