Wahlkampf mal anders
Hier wird Merkel von Papageien überfallen

Auf ihrer Abschiedstour besuchte Angela Merkel (67) im Norden Deutschlands einen Vogelpark. Die Bundeskanzlerin zeigte dabei keinerlei Berührungsängste – ausser bei einem Uhu.
Publiziert: 24.09.2021 um 10:45 Uhr
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Aktualisiert: 24.09.2021 um 11:18 Uhr
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Sie haben sie zum Fressen gern: Angela Merkel hat bei einem Besuch in einem Vogelpark in Norddeutschland mehrere Lori-Papageien gefüttert.
Foto: keystone-sda.ch

Sie hat sichtlich ihre Freude. Zahlreiche Sittiche sitzen auf Angela Merkel, fressen ihr aus der Hand. Die Bundeskanzlerin im Vogel-Glück.

Die Politikerin hat am Donnerstag ihren Wahlkreis im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern besucht. Ein letztes Mal als Bundeskanzlerin. Und die 67-Jährige genoss ihren Auftritt. Hielt hier und da einen kurzen Schwatz, machte mit Passanten Fotos.

Und nicht nur das: Sie stattete auch dem Vogelpark Marlow einen Besuch ab. Nicht zum ersten Mal. Es war bereits ihr dritter Abstecher.

Und die Lori-Papageien freuten sich. Die Vögel flatterten um die Kanzlerin, und als sie zwei Becher mit Futter in den Händen hielt, gab es kein Halten mehr. Die bunten Tiere stürzten sich auf die Kanzlerin und frassen ihr aus der Hand. Ein Papagei traute sich sogar, auf dem Kopf von Merkel zu landen. Im Anschluss bekamen einige Sittichen etwas zu fressen. Für sie gab es Hirse, wie «Focus» berichtet.

Kampf um Nachfolge von Merkel

So schön die Politikerin das Intermezzo mit den Vögeln auch fand. Einen Uhu wollte sie danach dann doch nicht halten. «Ne, ne. Ich habe das bei den Sittichen gut gemacht», sagte sie dankend, wie «Focus» berichtet.

Während Merkel auf ihrer Abschiedstour ist und auf Tuchfühlung mit Vögeln geht, befindet sich der Wahlkampf in den letzten Zügen.

Denn nur eins ist vor der Bundestagswahl am Sonntag sicher: Die Deutschen werden sich an ein neues Gesicht im Kanzleramt gewöhnen müssen. Angela Merkel (CDU), die Europas grösste Volkswirtschaft seit November 2005 regiert, stellt sich nicht mehr zur Wahl. Das Rennen um ihre Nachfolge aber gilt auch wenige Tage vor Öffnung der Wahllokale als offen.

Umfragen sprechen gegen die CDU

Gut 60 Millionen Stimmberechtigte sind am Sonntag aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen, dessen Abgeordnete dann ihrerseits den Regierungschef bestimmen. Für Merkels christdemokratisches Lager, also die CDU und deren bayerische Schwesterpartei CSU, sieht es nicht gut aus.

In den Umfragen ist die Union seit Juli von rund 30 Prozent Zustimmung um fast zehn Prozentpunkte abgesackt. Das politische Pendel in Deutschland schlägt derzeit eher nach links aus.

Denn die Sozialdemokraten, langjähriger Juniorpartner Merkels in diversen schwarz-roten Koalitionen und von Wahl zu Wahl schwächer werdend, haben geschafft, was kaum jemand für möglich hielt: An den Christdemokraten vorbeizuziehen und die Führung in den Umfragen zu übernehmen.

Ära der grossen Volksparteien vorbei

Demnach hat SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz (63) – bisher Merkels Finanzminister und Vizekanzler - gute Aussichten, ins Kanzleramt einzuziehen. CDU-Chef Armin Laschet (60), der als gemeinsamer Kanzlerkandidat von CDU und CSU antritt, hätte das Nachsehen. Die Grünen, die mit Annalena Baerbock (40) zum ersten Mal eine Kanzlerkandidatin aufgestellt haben, kämen nur auf Platz drei.

Allerdings hat die CDU/CSU seit ihren Tiefstständen vor zwei Wochen wieder einige Punkte gutgemacht. Sie liegt derzeit mit rund 22 Prozent drei Punkte hinter der SPD. Die Meinungsforscher halten das Rennen nach wie vor für offen. Sicher scheint nur, dass auch in Deutschland die Ära der grossen Volksparteien vorbei ist. Da auch der Wahlsieger kaum mehr als ein Viertel der Stimmen holen dürfte, wird er zwei weitere Parteien als Bündnispartner brauchen, um auf eine Mehrheit der Sitze im Bundestag zu kommen.

Scholz hat Rot-Grün-Rot nicht ausgeschlossen

Scholz würde am liebsten in einer rot-grünen Koalition mit der Ökopartei regieren, so wie der bisher letzte SPD-Kanzler Gerhard Schröder (77, 1998–2005). Für ein Zweierbündnis dürften die Stimmen aber nicht reichen, so dass die Linke zur Mehrheitsbeschafferin in einem rot-grün-roten Bündnis werden könnte. Schon verkündete deren Spitzenkandidatin Janine Wissler (40), dass man es nicht an der Nato-Frage scheitern lassen würde. Scholz hat Rot-Grün-Rot nicht ausgeschlossen.

Die Regierungsbildung dürfte sich jedenfalls schwierig gestalten. Ein anderes mögliches Bündnis wäre die sogenannte «Ampel» (Rot-Gelb-Grün) aus SPD, Grünen und Liberalen. Allerdings wollen SPD und Grüne die Einkommenssteuern für Spitzenverdiener erhöhen und die Vermögenssteuer wiedereinführen. Die FDP lehnt Steuererhöhungen kategorisch ab.

«Auch der Zweite kann am Ende Sieger sein»

Eine weitere Farbenkombination ist «Jamaika» aus CDU/CSU, FDP und Grünen, benannt nach den Nationalfarben der Karibikinsel (Schwarz-Gelb-Grün). Aber auch eine Koalition aus SPD, CDU/CSU und FDP wäre denkbar. Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte (62) glaubt, dass es am Wahlabend «mehrere Kanzlermöglichkeiten» geben werde. «Auch der Zweite kann am Ende Sieger sein, wenn er Mehrheiten gestalten kann», sagte er der «Rhein-Zeitung».

Die SPD profitiert von der Popularität ihres Kanzlerkandidaten. Zwar wollten die Genossen Olaf Scholz 2019 nicht als Parteichef, doch als Spitzenkandidat war der Vizekanzler erste Wahl. Dass er in seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister im Cum-Ex-Skandal um undurchsichtige Aktiengeschäfte keine gute Figur abgab und die ihm als Minister unterstellte Finanzaufsichtsbehörde Bafin den milliardenschweren Zusammenbruch des Finanzdienstleisters Wirecard nicht verhinderte, konnte seinem Renommee kaum schaden.

Für viele Wählerinnen und Wähler repräsentiere Scholz «das merkeligste Sicherheitsgefühl», glaubt Korte. Dagegen sieht er bei der Christdemokratie einen «Countdown des Machtverfalls» – nach 16 Jahren nicht unerwartet. (jmh/SDA)

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