Wahlen am Sonntag – Javier Milei (52) hat gute Chancen, neuer Staatspräsident zu werden
Dieser Berserker will Argentinien umkrempeln

Am Sonntag wählen die Argentinier einen neuen Präsidenten. Der bisherige, Alberto Fernández, hinterlässt ein Land in tiefer Krise. Darum hoffen vor allem Junge auf Javier Milei, der am liebsten alle Gesetze abschaffen will – bis auf eines, das die Frauen betrifft.
Publiziert: 21.10.2023 um 09:43 Uhr
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Aktualisiert: 21.10.2023 um 21:50 Uhr
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Mit der Kettensäge in den Wahlkampf: Javier Milei will Argentinien neu erfinden.
Foto: Getty Images
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Guido FelderAusland-Redaktor

In Argentinien hat ein schräger Vogel die grössten Chancen, die Präsidentschaftswahl vom kommenden Sonntag zu gewinnen. Javier Milei (52) hat bereits bei den Vorwahlen über 30 Prozent der Stimmen für sich geholt. Der libertäre Milei gehört der Partei La Libertad Avanza (Deutsch: «Die Freiheit schreitet voran») an und macht mit einer Kettensäge für sich Werbung. Sie ist Symbol dafür, dass er alles und jeden umholzen und aus dem Weg räumen will, der ihm nicht passt.

Seine Wahltaktik ist die Provokation. Am liebsten würde er den Staat bis auf Sicherheit und Justiz abschaffen. Er wehrt sich gegen die Einführung neuer Steuern, möchte Drogen, das Waffenrecht und den privaten Organhandel liberalisieren, das Bildungssystem privatisieren und das Land für eine grenzenlose Einwanderung öffnen. Schranken hingegen möchte er bei der Abtreibung setzen: Die sollte in seinen Augen nämlich verboten werden.

Der Trump Argentiniens

Verglichen wird er mit dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump (77) und dem ehemaligen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro (68). Er negiert den menschengemachten Klimawandel und bezeichnet die bisherigen Politiker als «politische Kaste», die aus «nutzlosen, parasitären Politikern» bestehe, «die nie gearbeitet haben». Für ihn ist Papst Franziskus eine «kommunistische Gefahr». Er selbst nennt sich einen «Anarchokapitalisten».

Neben ihm treten der amtierende Wirtschaftsminister Sergio Massa (51) für das Mitte-Links-Bündnis und Patricia Bullrich (67) für die rechte Opposition an. Der seit vier Jahren amtierende Präsident Alberto Fernández (64), unter dem die Inflation im Vergleich zum Vormonat um fast 140 Prozent angestiegen ist, lässt sich kaum mehr blicken und tritt bei der Wahl auch nicht mehr an.

Bei Jungen beliebt

Da sich Argentinien in einer tiefen Krise mit hohen Armuts- und Inflationsraten befindet, schreit die Bevölkerung nach einer Veränderung. In den Augen von Susanne Käss, Leiterin des Auslandsbüros Argentinien bei der CDU nahestehenden Konrad-Adenauer-Stiftung, hat Javier Milei gute Chancen für den Wahlsieg. Käss, die mit einer Stichwahl am 19. November rechnet, sagt: «Er verkörpert die Wut der Menschen mit der aktuell herrschenden politischen Elite und stösst mit seinem Anti-System-Diskurs auf offene Ohren, vor allem bei jungen Wählern.»

Ob sich Milei als Präsident durchsetzen könnte, sei allerdings fraglich. «Seine Partei La Libertad Avanza wird selbst bei sehr guten Wahlergebnissen über keine Mehrheiten in Abgeordnetenhaus und Senat verfügen und für alle Initiativen, die der Zustimmung des Parlaments bedürfen, auf Ad-Hoc-Allianzen entweder mit Juntos por el Cambio oder Unión por la Patria angewiesen sein.» Dies werde ihn Sympathien in seiner Wählerschaft kosten, bei der er ja vor allem mit dem Diskurs gegen die herrschende «Kaste» punktet.

Susanne Käss glaubt nicht, dass Milei für Argentinien der richtige Präsident wäre: «Milei ist bei vielen Themen völlig blank und hat kein ausreichend befähigtes Team zur Verfügung.» Auch Sergio Massa sei keine Option, da bei ihm wohl alles wie bisher weiterlaufen würde.

Argentinien im Vergleich zur Schweiz

• Fläche: 2,78 Millionen km² (Schweiz: 41'285 km²)
• Einwohner: 46 Millionen (Schweiz: 8,6 Millionen)
• BIP* pro Kopf: 13'622 Dollar (Schweiz: 87'367 Dollar)
• Sprachen: Spanisch sowie regionale indigene Amtssprachen
• Unabhängigkeit: 9. Juli 1816 (von Spanien)
• Währung: Argentinischer Peso

* Bruttoinlandprodukt nominal

• Fläche: 2,78 Millionen km² (Schweiz: 41'285 km²)
• Einwohner: 46 Millionen (Schweiz: 8,6 Millionen)
• BIP* pro Kopf: 13'622 Dollar (Schweiz: 87'367 Dollar)
• Sprachen: Spanisch sowie regionale indigene Amtssprachen
• Unabhängigkeit: 9. Juli 1816 (von Spanien)
• Währung: Argentinischer Peso

* Bruttoinlandprodukt nominal

China umgarnt Argentinien

Für Käss bringt Patricia Bullrich die besten Voraussetzungen mit. «Aus meiner Sicht braucht Argentinien einen Präsidenten oder eine Präsidentin, der oder die Regierungserfahrung, einen konkreten Plan und ein gutes Team mitbringt und vor allem stabile Mehrheiten für die dringend notwendigen Reformen schaffen kann – so wie Patricia Bullrich.»

Bullrich könnte das Land weiterentwickeln, denn Argentinien verfüge über grosses Potenzial, vor allem in den Bereichen Produktion von Lebensmitteln, Energie – auch erneuerbare Energien – und Rohstoffen. Käss: «Das Land kann damit bei stabilen Rahmenbedingungen für Investitionen ein sehr wichtiger Partner auch für europäische Länder sein.»

Peking hat bisher Investitionen in die Infrastruktur des südamerikanischen Landes mit fast 24 Milliarden Dollar finanziert. Kurz vor der Wahl hat China noch mal 6,4 Milliarden Dollar locker gemacht. Käss: «China hat das Potenzial des Landes längst erkannt.»

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