«Mutmassliche Mordwaffen waren eine Schrotflinte und ein Jagdgewehr»
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Anwalt zum Polizistenmord:«Mutmassliche Mordwaffen waren eine Schrotflinte und ein Jagdgewehr»

Waffennarr, Familienvater, Jäger ohne Lizenz
Das ist über Polizisten-Killer Andreas S. (38) bekannt

Vierfacher Vater, Besitzer eines Wildfleischhandels und einer Bäckerei. Andreas S. lebte ein unauffälliges Leben – bis jetzt. In der Nacht auf Montag soll er zwei Polizisten erschossen haben. Was bislang über ihn bekannt ist.
Publiziert: 01.02.2022 um 12:48 Uhr
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Aktualisiert: 01.02.2022 um 15:02 Uhr
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Andreas S.* (38) soll in der Nacht auf Montag zwei Polizisten erschossen haben.
Foto: Polizei

Montagnacht, kurz nach 4 Uhr. Auf der Landstrasse 22 im Landkreis Kusel im deutschen Bundesland Rheinland-Pfalz halten zwei Polizisten ein Auto an. Die beiden Beamten, eine 24-Jährige, die als Teil ihrer Ausbildung zur Kommissarin im praktischen Einsatz war, und ihr Kollege Oberkommissar Alexander K.* (†29), wollen das Auto und die Insassen kontrollieren.

Doch die vermeintliche Routine-Kontrolle endet in einem Blutbad. Gegen 4.20 Uhr trifft ein hektischer Funkspruch in der Zentrale ein: «Die schiessen auf uns.» Dann herrscht Stille. Als die Verstärkung vor Ort eintrifft, ist die 24-jährige Polizistin schon tot. Wenige Minuten später stirbt auch ihr Kollege.

Tatverdächtiger stammt aus der Region

Der unfassbare Vorfall schockiert auch einen Tag später noch. Vieles ist noch unklar – etwa, weshalb die Polizisten das Auto angehalten haben und wie viele Schüsse abgefeuert wurden. Allerdings konnten die Behörden nach einer Grossfahndung am Montagabend zwei Tatverdächtige verhaften.

Einer davon ist Andreas S.* (38). Seine Ausweispapiere wurden am Tatort gefunden. Den ganzen Montag über läuft eine Grossfahndung. Helikopter, Spürhunde und Spezialeinheiten der Polizei stehen im Einsatz.

S. stammt aus Spiesen-Elversberg, einem Ort in der Region. Der 38-Jährige handelt mit Wildfleisch. Ausserdem war er Geschäftsführer einer Bäckerei, die erst Insolvenz anmeldete, wie «Focus Online» berichtet.

«Der hat ein Waffenarsenal»

Eine ehemalige Angestellte des Betriebs beschreibt Andreas S. als «unfreundlichen» und «strengen» Chef. «Er hat immer geschrien, wenn ihm etwas nicht gepasst hat.» Als das Fahndungsbild veröffentlicht worden sei, habe sie ihn sofort erkannt. «Er war ja mein Chef. Und ich hatte immer Probleme mit ihm.»

Ein Vorfall sei ihr besonders negativ in Erinnerung geblieben. Nachdem sie von einem Kollegen sexuell belästigt worden sei, habe sie sich an Andreas S. gewandt. Dieser habe ihr kein Wort geglaubt und sich auf die Seite des Kollegen geschlagen. «Ich heulte damals Rotz und Wasser.»

Laut der «Saarbrücker Zeitung» soll S. Geldprobleme gehabt haben. Mehrfach habe er die Löhne seiner Angestellten nicht bezahlt. 2019 kam es deswegen zu Auseinandersetzungen mit einer Gewerkschaft und zu Prozessen vor dem Arbeitsgericht. Ein Beobachter habe damals vor S. gewarnt. «Der hat ein Waffenarsenal», soll es damals geheissen haben.

Leidenschaftlicher Jäger – ohne Waffen-Erlaubnis

Auch die frühere Mitarbeiterin erinnert sich an «seltsame Dinge», die während ihrer Zeit in der Bäckerei passiert seien. So seien die Lieferwagen mehrmals abgebrannt, S. habe dafür Geld von der Versicherung erhalten. Zudem sei er einmal angeblich überfallen worden. Immer wieder sei Geld aus dem Laden verschwunden, S. wollte die Mitarbeiter dafür verantwortlich machen.

Ganz anders habe sich S. im Umfeld seiner Familie verhalten. Der 38-Jährige sei verheiratet und habe vier Kinder. «Er hat sich um seine Kinder gekümmert, sie vom Kindergarten abgeholt und manchmal mit in die Bäckerei gebracht.» Dass S. zwei Menschen umbringen könne, hätte sie ihm nicht zugetraut.

Ihr Ex-Chef habe leidenschaftlich gerne gejagt, erinnert sich die ehemalige Mitarbeiterin. In seinem zweiten Betrieb, einem Handel mit Wildfleisch, habe er unter anderem Wildgulasch produziert und verkauft. Laut Recherchen des «Spiegels» betreibt S. den Wildhandel seit 2017.

Gemäss dem deutschen Jagdverband soll S. selbst aber keine Lizenz für die Jagd besessen haben. Zudem wurde ihm offenbar bereits zweimal die Erlaubnis zum legalen Waffenbesitz entzogen. War S. also illegal auf der Jagd und wurde dabei erwischt? Gemäss der «Bild» steht Wilderei tatsächlich als mögliches Tatmotiv im Raum.

Am Dienstag vor dem Haftrichter

Als sich die Fahndungsschlinge am Montagabend immer weiter zuzieht, warten die Ermittler einen günstigen Moment ab und schnappen den Polizei-Killer. Er kann vor seinem Haus im saarländischen Sulzbach, rund 60 Kilometer vom Tatort entfernt, verhaftet werden. Sein Auto soll laut «Spiegel» Einschusslöcher aufgewiesen haben.

Am Dienstag soll Andreas S. dem Haftrichter vorgeführt werden. Es gilt die Unschuldsvermutung. (zis)

* Namen bekannt

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