Mayotte ist ein Schlachtfeld
«Der Zyklon hat uns keine Chance gelassen»

Ein Zyklon hat am Samstag ein französisches Inselgebiet im Indischen Ozean verwüstet: Die Behörden befürchten Tausende Tote. Die genaue Zahl der Opfer wird wohl nie bekannt – aufgrund der islamischen Tradition, Tote innert 24 Stunden zu beerdigen.
Publiziert: 02:12 Uhr
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Aktualisiert: 11:32 Uhr
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Zyklon «Chido» hat am Samstag ganze Siedlungsgebiete auf dem französischen Überseegebiet Mayotte im Indischen Ozean ausgelöscht.
Foto: IMAGO/ABACAPRESS

Auf einen Blick

  • Zyklon «Chido» fordert möglicherweise Tausende Todesopfer auf Mayotte
  • Muslimische Tradition erschwert offizielle Zählung der Toten auf der Insel
  • Sturmböen von über 220 km/h zerstörten Slumsiedlungen, weite Gebiete von Aussenwelt abgeschnitten
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Daniel KestenholzRedaktor Nachtdienst

Zyklon «Chido» hat im französischen Überseegebiet Mayotte im Indischen Ozean wohl weit mehr Menschenleben als bislang angenommen gefordert: Der Präfekt der Insel spricht von «mehrere Hundert, vielleicht Tausend oder sogar einigen Tausend» Toten.

Mayotte, das ärmste Departement Frankreichs, ist vor allem von Muslimen besiedelt. Es werde schwierig sein, eine offizielle Zählung der Toten vorzunehmen, zitiert die Zeitung «Le Monde» François-Xavier Bieuville (59), den Präfekten der Insel. «Die muslimische Tradition ist es, Menschen innerhalb von 24 Stunden zu begraben.»

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Bislang war von rund einem Dutzend Opfern und etwa 250 Verletzten die Rede gewesen. Am späten Sonntag begann sich das Bild schlagartig zu ändern, als mehr Informationen aus dem verwüsteten Eiland in die Aussenwelt drangen.

Jahrhundert-Zyklon

Sturmböen von mehr als 220 Kilometern pro Stunde hatten am Samstag ganze Slumsiedlungen ausgelöscht. Unter den Trümmern werden viele Opfer befürchtet. Das Departement hatte seit mindestens neunzig Jahren keinen Zyklon dieser Stärke mehr erlebt. «Mit einer solchen Krise haben wir nicht gerechnet. Mayotte ist ein Schlachtfeld. Der Zyklon hat uns keine Chance gelassen», sagt Ambdilwahedou Soumaila, der Bürgermeister von Mamoudzou, der Inselhauptstadt, zu «Le Parisienne».

Bieuville wisse von neun Toten und mehr als 250 Verletzten. Später stieg die Zahl der Toten auf 14. Fünf Schwerverletzte seien den Behörden bekannt, die vermutlich nicht überleben würden. Bieuville stellte klar, dass die offiziellen Zahlen aus dem Krankenhaus stammten, aber nicht plausibel seien. Es dürfte viele Tote geben, die rasch beerdigt würden und nicht auf Dokumenten der Kliniken auftauchen. 

Frankreichs geschäftsführender Innenminister Bruno Retailleau (64) wird am Montag vor Ort erwartet. Der Minister hatte bereits kurz nach dem Sturm am Samstag angemerkt, es werde möglicherweise Tage brauchen, bis genaue Zahlen zu Todesopfern genannt werden könnten.

Helikopterflug über zerstörtes Gebiet
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Insel dem Erdboden gleich:Helikopterflug über zerstörtes Gebiet

Ausmass der Zerstörungen noch unbekannt

Das französische Überseegebiet Mayotte liegt im Indischen Ozean etwa zwischen der Küste des südostafrikanischen Landes Mosambik und dem Inselstaat Madagaskar. Rund 310'000 Menschen leben auf der Inselgruppe.

Laut Minister Retailleau seien alle Slumsiedlungen dem Erdboden gleichgemacht worden. Vielerorts ist das Stromnetz zusammengebrochen, Strassen sind blockiert und ganze Gebiete abgeschnitten. In Mamoudzou wurden offenbar auch das Spital und Schulen verwüstet.

Die Suche nach Überlebenden lief dort auf Hochtouren. Die Einsatzkräfte hätten damit begonnen, die Wege zu abgelegenen Gebieten freizuräumen, sagte am Montag der Bürgermeister, Ambdilwahedou Soumaila, der Nachrichtenagentur AFP. «Wir hoffen, dort noch Überlebende zu finden.» Es sei aber damit zu rechnen, dass die Helfer in den Trümmern der zerstören Häuser in den Armenvierteln der Hauptstadt zahlreiche weitere Todesopfer finden.

Es gebe noch immer Hoffnung, Menschen lebendig zu finden, sagte Oberst Alexandre Jouassard vom interministeriellen Krisenzentrum im Sender France 2. «Die kommenden Stunden sind sehr wichtig. Wir haben Teams entsandt, die auf die Suche in Trümmern spezialisiert sind.» Mehrere Tage nach dem Sturm könne man noch Opfer finden. 

Mohamed Ishmael, der in Mamoudzou lebt, sagte der Nachrichtenagentur Reuters: «Ehrlich gesagt ist das, was wir erleben, eine Tragödie. Man fühlt sich, als befände man sich in den Nachwehen eines Atomkriegs. Ich habe gesehen, wie ein ganzes Quartier verschwunden ist.»

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