Der amerikanische Präsidentenwahlkampf ist ein Kampf der Bilder. Instagram, Fernsehen, Fotos – wenn Joe Biden (81) beim Interview mal wieder die Augen zufallen, gehen die Aufnahmen um die Welt. Ein solches Bild sagt mehr als tausend Worte. Und kann auch tausendmal mehr politischen Schaden anrichten.
Ein anderer Allgemeinplatz, der bei den US-Wahlen voll zutrifft: Kleider machen Leute. Der US-Präsident selbst kann hier nicht viel falsch machen. Schwarzer Anzug, grauer Anzug, blauer Anzug. Und wenn Joe, wie damals sein Vorgänger Barack Obama (62), mal modisch über die Stränge schlagen will: beiger Anzug.
Viel schwieriger hat es da schon First Lady Jill Biden (72). Von ihr wird erwartet, dass sie die Sprache der Mode perfekt beherrscht. Mit ihren Kleidern soll sie die politische Botschaft ihres Gatten transportieren. Mehr noch: Sie soll sich modisch von Konkurrent Donald Trump (77) und Melania (53) distanzieren. Ein Kleid als politische Waffe – Blick hat das Arsenal von Jill Biden analysiert.
Biden ist sich um Macht der Mode bewusst
Die britische Professorin und Kultur-Kritikerin Shahidha Bari (44) stellte bereits während der US-Präsidentschaftswahlen 2020 fest: «Wir tun Mode als etwas Oberflächliches ab – doch sie beeinflusst uns bis hin zur Entscheidung, welchen Namen wir in die Urne werfen.»
Bestes Beispiel: Für das fünfte offizielle Staatsdinner der Biden-Regierung, bei dem der japanische Premierminister Fumio Kishida (66) empfangen wurde, legte sich die amerikanische First Lady am Mittwoch mächtig ins Zeug.
Kleider als diplomatische Botschaft
Mit ihrem blau-beigen Kleid knüpfte Biden nämlich an eine langjährige Tradition an: Das Label Oscar De la Renta kleidete seit Jackie Kennedy (1929-1994) so gut wie jede amerikanische First Lady mindestens einmal ein. Damit möchte Biden an das amerikanische Volk vermitteln, dass auch sie amerikanische Tradition – und im weitesten Sinne auch amerikanische Werte – schätzt und hochhält.
Es ging aber bei Weitem nicht nur um amerikanische Tradition. Das Kleid lenkte den Blick beinahe automatisch auf Yuko Kishida (59), Japans First Lady, die von Kopf bis Fuss in strahlendem Königsblau gekleidet war. Schaut nicht auf mich, sagte Bidens Kleid – schaut auf unsere Gäste. Bidens Kleid war die perfekte diplomatische Geste: Amerika ist nicht mehr der alleinige Machthaber der Welt, sondern auf der Suche nach Allianzen auf Augenhöhe.
Jill Biden so deutlich wie nie
Seit dem Ball zu Joe Bidens Amtsantritt im Jahr 2021, als Jill Biden ein Kleid von Gabriela Hearst trug, das mit der Blume jedes Staates und Territoriums bestickt war, um die politische Einheit zu symbolisieren, hat die First Lady ihre Kleidung nicht mehr so geschickt mit einer Botschaft versehen. Doch seit der Kampf um die Präsidentschaft 2024 begann, zieht Biden alle Mode-Register und würzt ihre Garderobe mit einer ordentlichen Prise politischer Symbolik.
Es ist beispielsweise kein Zufall, dass Biden am ersten Tag des japanischen Staatsbesuchs den japanischen Staatschef und seine Frau in einem schwarzen Armani-Kleid begrüsste, das sie schon mehrmals getragen hatte. Das erneute Tragen von Kleidern dient dazu, die Nachhaltigkeits- und Klimapolitik der Biden-Regierung zu unterstützen.
Mode als Stinkefinger aus Stoff
Mode kann aber auch sagen: Ich bin nicht so wie die. Sozusagen ein Stinkefinger aus Stoff. Denn genau so kann man die modische Botschaft an Melania Trump (53), die Frau des politischen Gegners ihres Mannes Donald Trump (77) interpretieren.
Am 6. April empfing das Ehepaar Trump die amerikanische Elite zu einer Spendengala für den Wahlkampf. Während Donald Trump seinen typischen blauen Anzug mit Krawatte trug, trug Melania Trump einen pinken Valentino-Jumpsuit mit einem Aufdruck exotischer Blüten. Damit beweist sie vor allem eins: dass sie ein grosses Mode-Budget hat.
Während Melania Trump beim Staatsbesuch Frankreichs 2018 jegliche Aufmerksamkeit auf sich und ihren riesigen weissen Hut auf sich lenkte, trumpfte Jill Biden 2022 mit einem subtilen dunkelblauen Kleid. Während Trump 2017 mit Stilettos in Flutgebiete reiste, trug Biden Sneakers, als sie 2023 die Grenze zu Mexiko besuchte. Und während Trump eine Jacke mit der Aufschrift «Interessiert mich nicht. Dich etwa?» bei einem Besuch in ein Flüchtlingslager trug, trug Biden bei einem Besuch in England einen Blazer mit der Aufschrift «Liebe».
Die Wahl zum mächtigsten Mann der Welt ist damit auch die wohl wichtigste Modeschau der Welt.