Auf einen Blick
Niemand könne Chinas «Wiedervereinigung» mit Taiwan aufhalten, sagte der chinesische Präsident Xi Jinping (71) in seiner Neujahrsansprache. Damit sprach er eine klare Warnung an den demokratischen Inselstaat mit seinen 23 Millionen Einwohnern aus – und all jene, welche seine Unabhängigkeit unterstützen. «Die Menschen auf beiden Seiten der Taiwanstrasse sind eine Familie. Niemand kann unsere Familienbande zerreissen», so Xi.
Zwischen Taiwan und China schwelt seit Jahrzehnten ein Konflikt. China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und strebt eine Vereinigung an, notfalls mit militärischer Gewalt. Taiwan hingegen versteht sich als demokratischer Staat mit eigener Regierung – und wird von den USA zurückhaltend unterstützt. Der Konflikt könnte in der zweiten Amtszeit von Donald Trump (78) zur akuten Gefahr werden. Denn gemäss Xi müsse seine Armee bis 2027 für eine Invasion bereit sein. «Taiwan ist die dringlichste Herausforderung für die amerikanische Aussenpolitik», sagt Simona A. Grano, China-Expertin an der Universität Zürich. Im Blick erklärt sie die Risiken.
Chinesische Armee soll 2027 bereit sein
CIA-Direktor William Burns (68) hatte schon 2023 gesagt, dass die chinesische Armee bis 2027 bereit sein werde für eine Invasion Taiwans.
Könnte es Xi gelingen, Taiwan ohne Gewalt an die Volksrepublik zu binden? «Nein, ich glaube nicht», sagt Simona Grano. Xi könne nicht mit einer «friedlichen» Lösung rechnen, da die Zahl der Taiwaner, die einer Wiedervereinigung zustimmen, stetig zurückgehe.
Im Rahmen ihrer langjährigen Politik der «strategischen Zweideutigkeit» hat sich die USA nie dazu verpflichtet, Taiwan im Falle eines chinesischen Angriffs zu verteidigen. Sie unterstützen Taiwan aber durch Waffenverkäufe und strategische Zusammenarbeit.
Trotzdem möchten die USA eine Annexion verhindern – auch weil das demokratische Taiwan bei der Produktion von Computerchips enorm wichtig ist. Für die Weltwirtschaft könnte ein Krieg um Taiwan katastrophale Auswirkungen haben – eine Studie von Bloomberg Economics rechnet mit einem Minus von 10 Prozent des globalen BIP.
In einem Interview mit der «Washington Post» erklärte Admiral Samuel Paparo (60), Befehlshaber des US-Indo-Pazifik-Kommandos, im letzten Juni, wie die USA China von einer Invasion abhalten möchten: durch Abschreckung.
USA planen Höllenlandschaft
Die zugehörige US-Strategie trägt den Namen «Hellscape» (Höllenlandschaft). Gemäss Paparo könnte das US-Militär Tausende von unbemannten U-Booten und Schiffen sowie Luftdrohnen einsetzen, um die Chinesen zurückzuhalten. «Ich möchte die Strasse von Taiwan in eine unbemannte Höllenlandschaft verwandeln und dabei eine Reihe von geheimen Fähigkeiten einsetzen», kündigte Paparo an. «So kann ich ihnen einen Monat lang das Leben zur Hölle machen, was mir Zeit für weitere Vorbereitungen verschafft.»
Klar ist dabei: Paparo hat bewusst von «Hellscape» erzählt, damit auch die Chinesen davon erfahren. Expertin Grano glaubt, dass die USA durchaus Möglichkeiten besitzen, Taiwans Unabhängigkeit zu sichern, indem sie eine militärische Eroberung erschweren. «Angesichts der innenpolitischen Situation Chinas mit seiner schwächelnden Wirtschaft und der hohen Jugendarbeitslosigkeit ist die Eröffnung eines Krieges ein sehr riskantes Unterfangen für die Kommunistische Partei», sagt Grano. «Wenn es schiefgeht, könnte es das Ende der Partei-Hegemonie bedeuten.»
Elon Musk bringt Unsicherheit
Der abtretende demokratische Präsident Joe Biden (82) hatte sich mehrfach offen zur Verteidigung Taiwans im Falle einer chinesischen Aggression bekannt. Donald Trump dagegen lässt sich bisher kaum in die Karten blicken. Anfang Dezember fragte ihn NBC-Moderatorin Kristen Welker, ob er Taiwan bei einem Angriff verteidigen werde. Trump antwortete: «Das sage ich nie. Ich würde es vorziehen, wenn sie es nicht täten.» Er habe ein sehr gutes Verhältnis zu Präsident Xi.
Wie Trump das Thema Taiwan behandeln wird, hänge auch von seinem Team ab, sagt Expertin Grano. Sein Kandidat für das Amt des Aussenministers, Marco Rubio (53), sei ein «China-Falke», der mit Taiwan sympathisiere. «Gleichzeitig bringt Elon Musk mit seinen China-Interessen Unsicherheit in den Mix», meint Grano.
Bei einem Angriff Chinas würden die westlichen Länder auch Sanktionen gegen China verhängen, sagt Grano. «Eine Abschreckungsstrategie kann also dazu beitragen, dass China erkennt, dass die Gefahren die Vorteile nicht überwiegen.»